Nur knapp ein Zehntel aller Haldex-Aktionäre konnte ZF für das eigene Angebot begeistern. Die Friedrichshafener ziehen sich nun zurück und überlassen das Feld dem Konkurrenten Knorr-Bremse.
München - Am Ende war es eine deutliche Niederlage, die ZF Friedrichshafen im Bieterwettstreit um die schwedische Haldex einstecken musste. Nicht einmal ein Zehntel aller Aktien des schwedischen Spezialisten für Lkw-Bremsen haben dessen Eigner ZF angeboten. Zusammen mit bereits gekauften Haldex-Anteilen wäre ZF damit nur auf gut 31 Prozent und nicht die angestrebten gut 50 Prozent gekommen. Der Zuliefer-Riese vom Bodensee zieht sich deshalb nun zurück und übernimmt auch nicht die angedienten 9,6 Prozent.
„Wir stehen jetzt für konstruktive Gespräche mit den anderen Aktionären von Haldex über die weitere Entwicklung des Unternehmens zur Verfügung“, erklärte ZF-Chef Stefan Sommer und gestand damit seine Niederlage gegenüber dem Münchner Familienkonzern Knorr-Bremse ein. Die Münchner sind nun siegessicher. „Die Tatsache, dass die Mehrheit der Aktionäre ihre Aktien ZF nicht angedient hat, bestätigt, dass wir das bessere Angebot gemacht haben“, ließ Knorr-Bremse-Chef Klaus Deller mitteilen.
Haldex-Managment könnte zum Problem werden
Die Münchner haben in ihrem Angebot, das noch bis zum 5. Dezember läuft, die Schweden mit insgesamt 580 Millionen Euro bewertet. ZF war die Technologieperle 554 Millionen Euro wert. Deller ist nun zuversichtlich, aus Knorr-Bremse und Haldex einen führenden Systemanbieter für Nutzfahrzeug-Bremsen schmieden zu können. Die Münchner sind bereits Weltmarktführer in diesem Geschäft. Mit Haldex würde diese Rolle zementiert und verstärkt. Widerspruch der Kartellbehörden ist deshalb - anders als es bei ZF der Fall gewesen wäre - bereits vorprogrammiert. Das wissen auch Deller und der hinter ihm stehende Firmenpatriarch von Knorr-Bremse, der Milliardär Heinz Hermann Thiele. Sie glauben aber, etwaige Auflagen, die die Kartellhüter verfügen, erfüllen zu können. Am Kartellamt werde der Kauf von Haldex nicht scheitern, heißt es in München bestimmt. Man stehe mit den Kartellhütern bereits im Gespräch.
Ein anderes Problem könnte das Haldex-Management sein, das sich im Bieterwettstreit ungewöhnlich deutlich hinter ZF gestellt hatte. Haldex-Manager hatten sogar ein Treffen mit Deller in Schweden kurzfristig platzen lassen und das Gespräch über eine gemeinsame Zukunft verweigert. Bei Knorr-Bremse wurde das durchaus als Affront empfunden. Derzeit herrscht angespannte Funkstille zwischen München und dem Haldex-Firmensitz im schwedischen Landskrona. Nun hat sich die Lage aber grundlegend geändert. „Für ein Gespräch mit Haldex sind wir offen“, heißt es in München.
Offen gelassen wird dabei aber, ob dieses Gespräch auch mit dem bestehenden Haldex-Management geführt werden könnte oder die Erde dafür zu verbrannt ist. Thiele gilt als betont autoritärer Manager alter Schule, der Widerspruch nicht duldet. Insofern steht die Zusammenarbeit zwischen beiden Bremsenherstellern auf persönlicher Ebene unter keinem guten Stern. Letztlich entscheiden aber die Haldex-Aktionäre ohne Rücksprache mit dem Management, an wen sie ihre Anteile verkaufen wollen.
Am Ende könnte es eine halbe Milliarde Euro kosten
Nun gibt es mit Knorr-Bremse nur noch einen aktuellen Interessenten. Knapp 15 Prozent halten die Münchner bereits an den Schweden. Üblicherweise entscheiden sich Aktionäre erst am Ende einer Annahmefrist, ob sie ein Angebot annehmen wollen. Im Fall von Knorr-Bremse wäre das Anfang Dezember. Es wäre eine dicke Überraschung, würden auch die Münchner ihr Ziel verfehlen, gut 50 Prozent an Haldex zu erwerben. Gut möglich ist zudem, dass ZF die eigenen 21,7 Prozent an Knorr-Bremse verkauft, nachdem das strategische Interesse an Haldex nun erloschen ist.
Eine prinzipielle Bereitschaft dazu haben die Friedrichshafener signalisiert. Sobald Knorr-Bremse die Schwelle von 50 Prozent überschreitet, sind die Münchner sogar aktienrechtlich verpflichtet, alle angebotenen Anteile zu kaufen. Sie können also nicht die Annahme von Anteilen verweigern, um Geld zu sparen. Am Ende könnte das noch bis zu einer halben Milliarde Euro kosten, was Milliardär Thiele aber nicht schreckt und ohnehin seinem Verständnis von absoluter Kontrolle entspricht. ZF leckt indessen die Wunden. „Wir bleiben unserer Strategie 2025 treu und investieren weiterhin in die Erweiterung des vielfältigen Produktportfolios von ZF, um Megatrends der Zukunft mitgestalten zu können“, betonte Sommer. Von einzelnen Transaktionen hänge man dabei nicht ab. Ein zweiter Lkw-Bremsenspezialist wie Haldex ist allerdings derzeit nicht auf dem Markt.