Abgasskandal, drohende Fahrverbote, Experimente mit Affen und Menschen – der Diesel setzt Daimler-Chef Zetsche unter Druck. Foto: imago stock&people

Daimler-Chef Dieter Zetsche scheut die Diskussion über die Abgastests an Affen und Menschen. Eine Nachrüstung der Hardware von Diesel-Autos lehnt er ab, weil sie technisch aufwendig und auch rechtlich riskant sei.

Stuttgart - Eigentlich will Daimler-Chef Dieter Zetsche keine Fragen zu den Abgastests an Affen und Menschen beantworten, sondern über den Erfolg im vergangenen Jahr sprechen – über die neuen Rekorde, den eingeleiteten Kulturwandel im Autokonzern. Das stellt Kommunikationschef Jörg Howe gleich zum Auftakt der Jahrespressekonferenz in der Stuttgarter Carl Benz Arena klar. Mit ernster Miene wiederholt Howe die knappen Statements der vergangenen Tage. Daimler bedauere die Studien der Forschungsvereinigung EUGT, verurteile die Versuche „auf das Schärfste“. Doch die am Samstag eingeleiteten Untersuchungen dieser Vorgänge stünden erst am Anfang. Deshalb werde man sich „zu weiterführenden Fragen nicht äußern“, betont Howe.

Der Umweltbeauftragte des Konzerns ist freigestellt

In seiner Rede streift Zetsche das heikle Thema dann auch nur kurz. „Solche Methoden stehen im Gegensatz zu unseren Werten bei Daimler“, sagt er und verspricht: „Wir werden die Vorgänge lückenlos aufklären.“ Doch damit lassen sich die Journalisten nicht abspeisen. Zumal das Unternehmen erst am Tag zuvor den Umweltbeauftragten des Konzerns, Udo H., mit sofortiger Wirkung „freigestellt“hatte – ohne Angabe von Gründen. Der Daimler-Manager saß als Vertreter des Autobauers im Vorstand der Forschungsvereinigung EUGT, die in Wirklichkeit eine verkappte Lobby-Organisation für den Diesel war.

Die Journalisten fragen deshalb: Wie groß ist denn nun der Imageschaden für den Diesel nach den neuesten Enthüllungen? Warum ist Daimler nicht wie Bosch schon 2013 vor den Affenversuchen aus der EUGT ausgetreten? Wie kann es sein, dass viel Geld für Schulungen ausgegeben wird, um zu vermitteln, wie man sich im Geschäftsleben anständig verhält, und nun ein hochrangiger Manager offenbar in solch bizarre Experimente verstrickt war? Zetsches Antworten sind wenig erhellend. Gewiss schade das dem Dieselimage, doch er sehe sich außerstande, dies zu quantifizieren. Warum Daimler nicht wie Bosch ausgestiegen sei, könne er nicht konkret sagen, solange die Untersuchungen nicht weitergekommen seien. Gewiss sei jeder Einzelfall in hohem Maße enttäuschend, doch bei weltweit fast 290 000 Beschäftigten könne man nie ausschließen, dass das Verhalten einzelner den ethischen Maßstäben des Unternehmens nicht entspreche.

Klartext in Sachen Nachrüstung der Diesel-Hardware

Klartext dagegen spricht Zetsche in Sachen Hardware-Nachrüstung von Dieselautos. Obwohl Politiker immer lauter danach rufen, weil Fahrverbote drohen, bekräftigt Zetsche seine ablehnende Position. Die Nachrüstung ist nach seiner Darstellung technisch sehr aufwendig und rechtlich problematisch. Bei realistischer Einschätzung, so der Daimler-Chef, dauere die Entwicklung von solchen Lösungen einschließlich Wintererprobung und der Garantie, dass sie auf Dauer zuverlässig arbeiten, zwei bis drei Jahre. Solch eine Nachrüstung der technischen Hardware hätte laut Zetsche den Nachteil, dass der Verbrauch steige und die Leistung des Motors abnehme. Es sei jedoch völlig ungeklärt, wie die Kunden darauf reagieren würden, deutet der Daimler-Chef an. Womöglich könnte wie derzeit bei VW eine Welle von Schadenersatzprozessen drohen.

Ein rechtliches Risiko entstünde laut Zetsche auch dadurch, dass solche signifikanten technischen Eingriffe nicht in den Werken, sondern flächendeckend in den Werkstätten durchgeführt werden müssten, wo die Mitarbeiter nur begrenzt dafür qualifiziert und Fehler deshalb wahrscheinlich seien. „Auch hier stellt sich die Frage, wie wir mit der Haftung und unserer Verantwortung gegenüber unseren Kunden umgehen“, gibt der Daimler-Chef zu bedenken. Er befürchtet, dass viele Kunden eine Nachrüstung ohnehin ablehnen würden.

Das Kraftfahrzeuggewerbe reagiert entrüstet

Beim Kraftfahrzeuggewerbe kommen solche Zweifel an der Qualifikation indes gar nicht gut an. „Es gab schon originellere Versuche von Herstellerseite, die Nachrüstung ihrer Produkte mit stickoxidreduzierender Technik zu verhindern, als den Verweis auf die angeblich mangelnde Kompetenz der Werkstätten“, schießt Axel Koblitz, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands ZDK zurück. Er hat auch einen Rat für den Daimler-Chef: „Herr Zetsche sollte sich angewöhnen, der jeweiligen Situation entsprechend entweder das Beste zu sagen oder gar nichts. Hier hätte er besser geschwiegen.“

Auf dem Berliner Dieselgipfel hatte Daimler im vergangenen August zwar eine Hardware-Nachrüstung abgelehnt, aber ein Software-Update sowie Umtauschprämien für ältere Diesel angekündigt, um die Luftverschmutzung in Innenstädten zu verbessern. Beide Maßnahmen laufen jedoch recht zäh. Die Software-Updates sollen nach Berechnungen des Unternehmens den Ausstoß von Stickoxid im normalen Fahrbetrieb um 25 bis 30 Prozent senken. Erste fertige Software-Entwicklungen liegen laut Zetsche mittlerweile beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, das diese Veränderungen erst genehmigen muss. Bis Ende dieses Jahres sollen die wesentlichen Entwicklungen abgeschlossen sein. Wie schnell das Software-Update dann umgesetzt werde, so Zetsche, hänge dann vom Kraftfahrt-Bundesamt und den Kunden ab.

Die Umtauschprämien sind bei Mercedes nur wenig gefragt

Insgesamt geht es europaweit um rund drei Millionen Autos der Schadstoffnormen Euro 5 und Euro 6. Weiter fortgeschritten als das im August angekündigte Software-Update ist dagegen die schon vor dem Dieselgipfel gestartete Nachrüstung von Fahrzeugen der Kompakt- und der V-Klasse, bei denen das Kraftfahrtbundesamt bei einer Untersuchung zweifelhafte Auffälligkeiten im Abgassystem moniert hatte. Über 70 Prozent dieser Fahrzeuge sind laut Zetsche mittlerweile mit einer neuen Software ausgestattet worden. Auch die Umtauschprämien für ältere Fahrzeuge haben nicht gerade gezündet wie eine Rakete. Es sei keine fünfstellige Zahl, aber eine hohe vierstellige Zahl von Kunden – also weniger als 10 000 – die bisher dieses Angebot angenommen hätten. Der Daimler-Chef begründet diese recht schwache Resonanz damit, dass die Hürde für den Erwerb eines teureren Neuwagens für die Fahrer älterer Wagen hoch sei und auch die derzeit bei Mercedes-Benz vorhandenen Lieferfristen für Neuwagen abschrecken.

Insgesamt hat die Diskusion über den Diesel und drohende Fahrverbote laut Zetsche bisher keinen allzu großen Einfluss auf den Absatz gehabt. In Europa habe der Verkauf von Selbstzündern im vergangenen Jahr zugenommen, der Absatz von Benzinern habe aber kräftiger zugelegt. Deshalb sei der Dieselanteil, der deutlich über 50 Prozent liege, etwas zurückgegangen. Bremsspuren beim Diesel hat es nach Angaben des Daimler-Chefs im vergangenen Jahr nur in den Ländern Deutschland, Großbritannien und Frankreich gegeben. Auch hier sei in den letzten Monaten jedoch keine weitere Verschlechterung zu erkennen.