Foto: Lars Laucke

Einige Facebook-Kommentare  zum Bericht über die Poolsuche von Mia Sattelmaier waren erschreckend.

Marbach - Ich höre dieser Tage häufig, dass sich in Zeiten der Coronakrise die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen zeigt und unsere Gesellschaft näher zusammenrückt. Leider kann ich dem nicht wirklich zustimmen. In meinen Augen verstärkt diese Krise lediglich die grundsätzlichen Charaktereigenschaften der Menschen. Auf der einen Seite sind diejenigen, die von Grund auf empathisch, hilfsbereit und solidarisch sind. Die sind es nun erst recht. Auf der anderen Seite hingegen sind diejenigen, bei denen eher Neid, Missgunst und Egoismus vorherrschen. Die werden jetzt nicht etwa hilfsbereit, sondern ihre Charakterzüge treten noch deutlicher hervor und ich möchte ihnen zurufen: „Was ist mit euch los?!“

Ich möchte dies anhand eines kleinen, unwichtigen Beispiels erläutern. Vergangene Woche haben wir unter der Überschrift „Ein Pool wäre jetzt extrem hilfreich“ über die 13-jährige Schwimmerin Mia Sattelmaier berichtet. Sie ist in ihrem Jahrgang eine der Besten in Deutschland und trainiert seit Beginn der Krise auf dem Trockenen. Ihr Vater erklärte in dem Bericht, dass man auf der Suche nach einem privaten Pool sei, in dem sie trainieren könnte. Es kamen daraufhin sogar Angebote, die wir an die Familie weitergeleitet haben. Was aber auch kam, waren einige Kommentare auf Facebook zu dem Bericht, die mich zum Teil entsetzt haben. Dass ein User einem 13-jährigen Mädchen nahelegt, „nebenher mal arbeiten“ zu gehen, wenn sie den Sport, dem sie sonst bis zu 20 Stunden pro Woche nachgeht, nicht wie gewohnt ausüben kann, könnte ich eventuell noch unter der Kategorie „unbedachter Unfug“ ablegen. All denen, die geschrieben haben „Es gibt Wichtigeres“, möchte ich sagen: Ja, natürlich gibt es Wichtigeres. Aber wenn das die Messlatte ist, nach der wir hier unsere Themen auswählen, dann würde sich die Zeitung auf eine Seite pro Tag reduzieren.

Auch der Verweis darauf, dass es Menschen gebe, die eine OP hinter sich haben und einen Pool als Reha-Maßnahme dringender bräuchten, ist in meinen Augen blanker Unsinn. Denn zum einen sind Reha-Behandlungen meines Wissens nach wie vor erlaubt. Und zum anderen: Wenn jemand aus einem solchen Grund einen privaten Pool gut brauchen könnte, so darf auch er sich gerne an uns wenden.

Wirklich entsetzt hat mich aber dieser Kommentar: „Eine Arbeit wäre jetzt extrem hilfreich. Wenigstens für mich. Immer dieses Gejammer von Sportlern, die aktuell nicht sporteln können wie gewohnt.“ Ich wünsche der Dame, die dies geschrieben hat, dass sie möglichst bald eine Stelle findet. Aber der Erfolg ihrer Arbeitssuche hängt doch nicht im geringsten davon ab, ob sich für Mia Sattelmaier ein Pool zum Trainieren findet. Wir haben dazu aufgerufen, dass Leute sich melden, die eventuell einen Pool zur Verfügung stellen können. Wir haben nicht dazu aufgerufen, dass sich die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit darum kümmern, einen Pool zu finden. Es ist deren Job, Arbeitslosen eine Stelle zu suchen. Dafür sind weder ein 13-jähriges Mädchen noch ihr Vater oder ein Poolbesitzer aus der Region zuständig!

Und fast schon beleidigend finde ich es, einen Kommentar mit den Worten „Wie bescheuert!“ einzuleiten. Was bitte schön ist daran bescheuert, wenn eine junge Hochleistungssportlerin versucht, die aktuelle Situation so gut es geht zu meistern? Es stimmt: „ALLE SportlerInnen suchen sich derzeit Alternativen!“, wie es der selbe User schreibt. Genau das macht Mia Sattelmaier eben auch! Und der Vorschlag „Radeln, am Weinberg auf und abrennen, Schaffa, Gartenarbeit usw.“ zeugt fast schon von Ignoranz, zeigt doch eines der Bilder in dem Bericht die 13-Jährige, wie sie einen Weinberg hinaufsprintet.

Nun muss ich einräumen, dass ich in den Kommentaren auf unserer Facebook-Seite schon deutlich Schlimmeres lesen musste. Doch ging es dabei stets entweder gegen eine Gruppe von namenlosen Menschen (vorrangig beim Thema Flüchtlinge) oder gegen erwachsene Menschen. In diesem Fall hier aber geht es um ein13-jähriges Mädchen, dass in dieser Krise einfach nur bestmöglich trainieren möchte. Zum Glück fanden sich neben den ganzen für mich unangemessenen Kommentaren auch einige positive, unterstützende Wortmeldungen. Es ist eben wie eingangs erwähnt: Eine Krise verstärkt die grundlegenden Charakterzüge.