Michael Luz in seinem Atelier in der Stuttgarter Gaisburgstraße. Foto: Luz

Seit rund neun Jahren stellt Michael Luz seine Wortwitzzeichnungen ins Netz. Hätte er all seine fast 1500 Tagesillus verkauft, er wäre ein reicher Mann. Aber Geld sei nicht alles, sagt der Künstler. Er habe andere Ziele.

Stuttgart - Was als Fingerübung begann, wurde in den vergangenen Jahren zum Kunstprojekt: die Wortwitzzeichnungen, die Michael Luz ins Internet stellt. Wie er tickt und arbeitet, erzählt der Mann, der 1964 in Stuttgart geboren wurde und in Pforzheim studierte, im Interview.

Herr Luz, ich habe ein kleines Geschenk mitgebracht, einen Kalauer für Ihre Tagesillustrationen: Hodenlose Frechheit.

Wie kommen Sie da drauf?

Keine Ahnung. Vielleicht, weil mir eben eine Frau einen Parkplatz weggeschnappt hat?

Okay, das Wort notiere ich in meinem schwarzen Büchlein. Das ist schon das zweite dieser Art. Dort schreibe ich mir alles auf, was mir selbst einfällt und was mir zugetragen wird.

Und was passiert dann?

Dann müssen die Ideen reifen. Manchmal fällt einem sofort eine grafische Umsetzung ein. Manchmal braucht es. Wie Halbleiteridioten oder Mister Spuck, die sind nicht schlecht, aber mir fehlt noch der letzte Kick. Bei Sissyphusarbeit war mir sofort klar: Prinzessin Sissi muss eine Kugel einen Berg hochschieben. Wenn ein Wortspiel an sich schon geil ist, muss man es grafisch gar nicht so sehr ausarbeiten.

Wie Meatfahrzentrale – Fleischbrocken und Würste stehen um ein Auto herum. Sie haben 2010 angefangen, Ihre Tagesillustrationen zu zeichnen und ins Netz zu stellen. Wie viele haben Sie produziert?

Ich steuere auf Nummer 1500 zu.

Wenn Sie alle verkauft hätten, wären Sie jetzt ein reicher Mann.

Habe ich aber nicht. Geld ist ohnehin nicht alles. Ich habe andere Ziele.

Nämlich?

Ich will raus aus dem Klo und rein ins Wohnzimmer. Deshalb mache ich jetzt auch großformatigere Tagesillus. Bei den kleinformatigen läufst du Gefahr, dass sie neben Cartoons und Sprüchen an der Toilettenwand landen.

Wie lange brauchen Sie für eine Tagesillu?

Die Produktion sollte nicht mehr als eine Stunde beanspruchen. Das ist zumindest der Plan. Aber manchmal sitzt man auch einen halben Tag da.

Professionelle Spaßvögel werden von ihren Fans oft mit Witzen bombardiert. Wie läuft das bei Ihnen?

Ähnlich, wobei sich der Kreis meiner Zuträger in Grenzen hält. Ich habe ein paar Freunde, mit denen ich mich regelmäßig zum Mittagessen in der Stadt treffe. Die ballern mich mir ihren Ideen regelrecht zu. Mein Freund Dennis Hughes, ein Werber, hat das Ansinnen, dass ich irgendwann nur noch seine Wortspiele umsetze.

Haben Sie ein Lieblingsmotiv?

Ein paar. Einen Klassiker finde ich Gans n’ Roses. Ich habe eine Gans in ein Rosenbeet gelegt. Die Zeichnung ist dem Filmplakat von „American Beauty“ nachempfunden.

Haben Sie keine Angst, sich zu wiederholen?

Nein, wenn ich was gezeichnet habe, prägt sich das in mein Gedächtnis ein. Das Prinzip ist: Der Kunde, der ein Motiv kauft, weiß, dass es das nur einmal gibt. Das durchzuhalten ist manchmal nicht einfach. Die Tagesillu von drei Spatzen, die in einem Teller mit Linsen liegen, könntest du in einem Landstrich, in dem man Linsen mit Spatzen mag, zigfach produzieren. Ich habe das Thema allerdings variiert und Kässpatzen gezeichnet. Man muss eher aufpassen, dass man nicht andere kopiert.

Wie das?

Neulich fiel mir Latzhosenintoleranz ein. Aber dann dämmerte mir, dass ein Kollege mal Lackdosenintoleranz gezeichnet hat.

Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Tagesillustrationen?

Klar, das war in einer Phase, als ich für eine Firma Blutzuckergeräte gezeichnet habe. Ein lukrativer Job, aber ich hatte das Gefühl, dass ich auch was für mich selbst machen muss. Also legte ich mir ein Skizzenbuch zu. Ein Kunde, dessen Schwiegervater Jäger ist, fragte mich, ob ich nicht was Lustiges zu Waidmännern machen könne. Ich zeichnete ein Jägerschnitzel, also ein Schnitzel, das ein Gewehr hält. Und später zwei Typen, die ein Reh schieben. Das war meine Auffassung von Rehrücken.

Welchen zeitlichen Raum nehmen die Tagesillus neben Ihrer anderen Arbeit ein?

Etwa die Hälfte. Die andere Hälfte besteht aus Auftragsarbeiten von Privatleuten oder aus der Industrie. Ein echter Boom bei mir ist momentan „Ich male Dein Leben“.

Wie funktioniert das?

Da kommt ein Kunde oder eine Kundin zu mir, der oder die mir die Lebensgeschichte ihres Partners erzählt. Das braucht oft mehrere Sitzungen bei Kaffee und Kuchen. Die Leute müssen erst mal Vertrauen fassen. Am Ende zeichne ich dann auf einem Art Wimmelbild die Lebensgeschichte der besagten Person. Eine tolle Sache, die gern zu runden Geburtstagen verschenkt wird. Für mich als Freiberufler ist das eine Rentenversicherung.

Zeichnen Sie ausschließlich auf Papier?

Bei Arbeiten für die Industrie bevorzuge ich den Computer. Wenn mehrere Leute drüberschauen und du Dinge hinterher ändern musst, geht das am Rechner einfacher. Aber die ersten Entwürfe entstehen meist händisch. Die werden dann eingescannt oder abfotografiert.

Zurück zu Ihren Tagesillus. Wenn man ständig auf der Suche nach Kalauern und Wortspielen ist, kann man da einem normalen Gespräch überhaupt noch folgen?

Da müssten Sie meine Frau fragen. Nein, ehrlich, das geht schon. Aber hin und wieder schnappe ich schon was auf. Zu diesem Zweck habe ich ständig mein Notizbüchlein dabei. Ich denke, so ein Buch zu zücken ist einfach netter, als ein Smartphone aus der Tasche zu ziehen.

Wann kommen Ihnen die besten Ideen?

Beim Radfahren auf meiner Waldenbuchrunde. Das klappt aber nur bei einer Strecke, die du im Schlaf kennst. Was nicht funktioniert, ist, sich vor ein leeres Blatt Papier zu setzen. Dabei kommt nichts raus.

Hilft ein Glas Rotwein beim kreativen Prozess?

Nach meiner Erfahrung nicht wirklich. Wenn du beim Zeichnen was trinkst, bildest du dir ein, dass das Ergebnis super sei. Aber nüchtern betrachtet kommt dabei meistens Mist heraus.

Peter Waibel, einer der Chefs der Werbeagentur Jung von Matt am Neckar, hat Sie mal als Kindskopfkünstler bezeichnet.

Ein wunderbares Kompliment. Infantil wäre auch okay. Man muss einfach ein Stück weit Kind bleiben und einen Hang zum Quatsch haben. Ich hoffe, das ist die Botschaft, die meine Tagesillus vermitteln.