Schmiedekurse, Ausstellungen, Weinproben: Albrecht Rühle hat viele Pläne. Foto: Gottfried Stoppel

Die Stadt Weinstadt will die Zehntscheuer in Endersbach verkaufen. Albrecht Rühle möchte sie mit Kultur beleben. Aber es gibt auch andere Ideen.

Weinstadt - Albrecht Rühle hat Visionen: Dort, wo zurzeit Material des Bauhofs und der Stadtgärtnerei lagern, sieht der Tankstellenbesitzer und Hobbyschmied loderndes Feuer, künstlerische Bilder an den historischen Wänden und Kleinkünstler auf einer Bühne. Und ihm – so seine Vorstellung – gehört die Zehntscheuer in Endersbach. „Das wäre ein Traum für mich“, sagt der 59-Jährige.

Die Stadt hat noch andere Interessenten

Schon länger hat der Endersbacher solch einen Raum gesucht. Als er neulich las, dass die Stadt das Gebäude verkaufen will, griff er sofort zum Telefonhörer und sprach mit dem Baubürgermeister Thomas Deißler. Dieser freute sich, dass Rühle so für seine Idee brennt. Doch die Stadt hat auch noch andere Interessenten. „Wir sammeln und sichten derzeit Vorschläge und Konzepte“, sagt Holger Niederberger, Pressesprecher der Stadt Weinstadt. Der Kommune gehe es dabei um mehr als den Verkauf einer Immobilie: Sie sieht die Zehntscheuer als Abschluss der Strümpfelbacher Straße. Diese Einkaufsmeile ist aber in die Jahre gekommen ist und soll nun aufgewertet werden. Inklusive einer neuen Nutzung der Zehntscheuer.

Das könnten für Thomas Deißler auch Wohnungen sein. Eine Markthalle oder Restaurant sei inzwischen ausgeschlossen, dafür hätte die Stadt keine Macher gefunden. Zu den Besichtigungsterminen sind einige Interessenten mit eigenen Vorstellungen gekommen. Bis Juni will die Verwaltung Ideen sammeln und sie dann im Gemeinderat vorstellen.

So lange muss sich nun Albrecht Rühle gedulden, auch wenn die Zehntscheuer für ihn etwas ganz besonderes ist. Denn die ersten vier Lebensjahre ist er in Sichtweite aufgewachsen: „Meine Oma Martha Hetz wohnte hier im Wiesengarten“, erzählt Rühle. Noch gut kann er sich an den Kuhstall der Großmutter erinnern. In der Zehntscheuer nebenan hatte sie damals Heu und Stroh für die Tiere gelagert. Der Scheunenteil direkt an der Strümpfelbacher Straße war damals im Familienbesitz – bis die Stadt Weinstadt vor wenigen Jahren alle Teile aufkaufte und renovierte. Nun will Albrecht Rühle die ganze Zehntscheuer haben.

Kurse in der Schauschmiede

Dort, wo früher Omas Heu lagerte, möchte der passionierte Skulpturenschmied, der vor einigen Jahren die Arbeit mit glühendem Eisen für sich entdeckt hat, eine Schauschmiede einrichten und Schmiedekurse für Kinder anbieten. Im hinteren Teil stellt er sich einen Raum für Kunst vor. Dort könnten Ausstellungen stattfinden und Künstler aus der Region auftreten. „Kontakte habe ich schon“, sagt Rühle. Schließlich spielt er selbst in der Theatergruppe „Hebebühne“, kennte viele in der Szene, hat Verbindungen zu Vereinen und Künstlern. Auch an Weinproben hat der Weinstädter bereits gedacht. „Ich habe viele Ideen“, sagt er und berichtet auch von jeder Menge Zuspruch für seine Vision.

Wie zum Beispiel von Karl-Heinz Nüßle: Der ehemalige Wirtschaftsförderer der Stadt ist seit acht Jahren Vorsitzender der Vereinigung Weinstädter Unternehmen (VWU) und findet Rühles Idee eine hochinteressante Sache: „In diese Richtung kann man denken“, sagt Nüßle. Auf alle Fälle müsse die Aufenthaltsqualität in der Strümpfelbacher Straße besser werden. Die Zehntscheuer sei ein markanter Punkt, der Platz davor wertvoll. Das Vorhaben der Stadt sei von solch eminenter Bedeutung, dass der VWU bittet, mitsprechen zu dürfen. „Wir wollen einen städtebaulichen Wettbewerb“, sagt Nüßle.

„Etwas Frequenzschaffendes würde uns freuen“, sagt auch Christian Hartmann. Der Vorsitzende des VWU Endersbach kämpft seit Jahren für die Sanierung der Strümpfelbacher Straße. Persönlich findet er Rühles Idee gut, eine reine Wohnbebauung sei jedoch nicht ganz im Sinne des VWU. Derzeit sammle seine Vereinigung eigene Ideen und Pläne für die Straße: „Viele Eigentümer und Händler wollen sich an der Sanierung beteiligen“, sagt Hartmann. Derzeit werden auf freiwilliger Basis Beiträge dafür gesammelt. „Der Hauptteil muss allerdings von der Stadt kommen“, betont Hartmann.

Beispiele moderner Nutzung in der Region

Böblingen
In der sanierten Zehntscheuer sind das Deutsche Bauernkriegsmuseum und die Städtische Galerie untergebracht. Das Museum beleuchtet in einer Dauerausstellung die größte Massenbewegung der deutschen Geschichte, den Bauernkrieg von 1525. Die Galerie befasst sich vor allem mit württembergischen Künstlergruppen des frühen 20. Jahrhunderts und den Werken des Böblinger Malers Fritz Steisslinger.

Echterdingen
Die Echterdinger Zehntscheuer (Kreis Esslingen), Maiergasse 8, mitten im alten Ortskern ist ein Bürgerzentrum mit Bücherei, Kindergarten, einem Veranstaltungssaal sowie einer Tiefgarage. Das moderne Gebäude wurde 1996 eingeweiht und entstand an der Stelle des alten Fruchtspeichers.

Markgröningen
Die denkmalgeschützte Zehntscheuer in Markgröningen (Landkreis Ludwigsburg) aus dem Jahr 1559 ist vor wenigen Jahren zu einem exklusiven Parkhaus für Oldtimer samt Lastenaufzug ausgebaut worden. Dort, an der Schlossgasse 19, können nun auf drei Stockwerken verteilt bis zu 27 historische Wagen klimatisiert und videoüberwacht lagern.

Süßen
Die Zehntscheuer in Süßen (Kreis Göppingen), Kirchstraße 8, wird vom Mühlkanal umflossen und ist 1987 restauriert worden. Seitdem dient das historische Gebäude im Stadtkern als Ort für verschiedene Veranstaltungen: Vorträge, Theatervorführungen, Seminare und private Feiern. Seit 1996 finden dort die Kleinkunsttage mit Shows, Kabarett und Musik von Künstlern aus dem deutschsprachigen Raum statt.