Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz (re.) mit Innenminister Thomas Strobl (CDU): „Der Fall Freiburg eignet sich nicht für hektisch in den Raum geworfene Scheinlösungen.“ Foto: dpa

Was sind die Konsequenzen aus der Gruppenvergewaltigung in Freiburg? Die Grünen im Landtag sprechen sich klar gegen Gesetzesverschärfungen aus. Sie haben andere Ideen.

Stuttgart - Die Gruppenvergewaltigung einer Studentin in Freiburg hat die Debatte um kriminelle Flüchtlinge neu entfacht. „Der Fall eignet sich nicht für Populismus und auch nicht für Scheinlösungen“, betont jetzt der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz. Es brauche Lösungen, die umsetzbar seien. Am Dienstag hat seine Fraktion einen Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit in Baden-Württemberg beschlossen. Er liegt unserer Zeitung vor.

Die wichtigsten Punkte:

Vollzugsdefizite beseitigen: Aus Sicht der Grünen beinhaltet das Strafrecht „reichlich Mittel“ für den Umgang mit Straftätern. Gesetzesverschärfungen lehnen sie ab. „Unser Rechtsstaat hat die Instrumente – sie müssen aber konsequent angewandt werden“, sagt der grüne Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl: „Sollte es hier Defizite geben, müssen sie beseitigt werden.“ In Freiburg gab es diese offensichtlich: Majd H., der Hauptverdächtige der Gruppenvergewaltigung, ist seit seiner Einreise nach Deutschland im Oktober 2014 nach Informationen unserer Zeitung mit 29 Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten. Mehrere Verfahren wurden jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Auch einen ersten Antrag auf einen Haftbefehl im August dieses Jahres lehnte die Staatsanwaltschaft demnach ab. Warum? Das wollen die Grünen jetzt wissen. Man erwarte von der Landesregierung eine vollständige und rückhaltslose Aufklärung des Falles.

Intensivtäter verfolgen: Strafverfahren sowie offene Haftbefehle, die Intensivtäter betreffen, sollen mit höchster Priorität bearbeitet werden, fordern die Grünen. Dies gelte für alle Täter, unabhängig von ihrer Herkunft. Das Innenministerium müsse die Strukturen und die Handlungspraxis überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen. „Intensivstraftäter müssen schnell identifiziert, lokalisiert und dingfest gemacht werden“, sagt Sckerl. Statt der von Innenminister Thomas Strobl (CDU) geplanten regionalen Sonderstäbe für gefährliche Ausländer, die Abschiebungen forcieren sollen, wollen die Grünen Sonderstäbe für Intensivtäter aller Nationalitäten. Das halte man für sinnvoller, um deren Taten effektiv zu ahnden. Auch eine Fortentwicklung der Häuser des Jugendrechts im Hinblick auf Intensivtäter und Änderung des Landesresozialisierungsgesetzes bringen die Grünen als Idee vor. Bleibeperspektive bieten: Die Grünen nutzen das Verbrechen von Freiburg, um erneut für den sogenannten Spurwechsel zu werben. Man halte es für „unabdingbar“, allen Menschen, die sich integrieren und einer Beschäftigung nachgehen, den sogenannten Wechsel vom Asyl- in das Aufenthaltsrecht zu ermöglichen. Sonst entstehe der Eindruck, dass Integrationsleistungen sich nicht lohnten. Dabei sei es sicherheitspolitisch „stets klug“, Menschen eine Perspektive zu geben. Ihr integrationspolitischer Sprecher Daniel Lede Abal ist jedenfalls überzeugt: „Eine gelungene Integration ist die beste Prävention.“ Die Grünen machen auch klar: Abschiebungen in Kriegsgebiete lehne man ab. Strobl kann sich indes eine Neubewertung der Sicherheitslage in Syrien vorstellen, um Abschiebungen in bestimmte Gebiete realisieren zu können.

Prävention stärken: Noch arbeiten die Grünen an einem Gesamtkonzept zur Sicherheit im öffentlichen Raum. Schon bevor es steht, wollen sie alle Akteure im Nachtleben – Betreiber, Personal und Gäste – stärker für Gefahren sensibilisieren, um sexuelle Übergriffe zu verhindern. Dazu soll unter anderem das Projekt „Luisa ist hier“ – ein Hilfsangebot, bei dem sich Frauen und Mädchen bei sexueller Belästigung mit der Frage „Ist Luisa hier?“ an den Barkeeper wenden können – landesweit ausgeweitet werden.

Arbeit von Polizei und Justiz verzahnen: Weil Polizei und Staatsanwaltschaften von ihrer Organisation her teils unterschiedlich aufgebaut sind, regen die Grünen an, die Zusammenarbeit beider Strafverfolgungsbehörden zu überprüfen und diese besser aufeinander anzupassen. Auch soll überprüft werden, wie Sozialarbeit, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe eingebunden sind.