Manöverkritik: Klaus Abberger spricht mit der Kandidatin Carmen Merz aus Zimmern ob Rottweil Foto: ZDF

Der Grimme-Preisträger Klaus Stern begleitet den „Bürgermeister-Macher“ Klaus Abberger bei der Arbeit: Er macht Kandidaten fit für den Wahlkampf – etwa im baden-württembergischen Ispringen oder in Zimmern ob Rottweil. Die ZDF-Reportage in der Reihe „37 Grad“ ist eine erhellende Studie über die Gesetze der Lokalpolitik.

Stuttgart - Kennen Sie den Unterschied zwischen Kängurus und Ispringen?“ Klaus Abberger verzieht das Gesicht. Da hat er den Satz mühsam mit seinem Kandidaten geprobt, die Betonung, das Tempo, „ziehen wie Kaugummi und dann Wirkungspause“, aber im Ernstfall hat Thomas Zeilmeier die guten Ratschläge dann doch weitgehend vergessen.

Der Saal ist voll in Ispringen im baden-württembergischen Enzkreis, der parteilose Zeilmeier und der amtierende Bürgermeister Volker Winkel, ebenfalls parteilos, stellen sich den Bürgerinnen und Bürgern vor. In wenigen Tagen entscheiden die Wähler, wer der Chef im Rathaus sein soll. Abberger sitzt im Publikum, er ist der Coach Zeilmeiers. Der sei kein guter Redner, aber er könne anpacken, sagt der Trainer über seinen Schüler.

Ohne Kommentare aus dem Off

Die etwas in die Jahre gekommene „37 Grad“-Reihe des ZDF probiert mal was. Erstmals hat die Redaktion den Dokumentarfilmer Klaus Stern als Autor gewonnen, und der liefert prompt ein seltenes Erlebnis bei diesem Reportageformat: einen Film, der allein auf O-Töne und Bilder setzt und der nicht vom Autor mit Kommentaren aus dem Off zugetextet wird. Der Grimme-Preisträger Stern hat zudem ein besonderes Gespür für interessante Protagonisten. Der windige Makler Mehmet Göker („Versicherungsvertreter“) entlarvte sich dank Sterns hartnäckiger Beobachtungsgabe selbst. Und wie die Politik in der Provinz tickt, hat der Autor bereits in „Henners Traum“ über das leicht größenwahnsinnige Tourismusprojekt eines Bürgermeisters in Nordhessen erzählt.

Der dreißigminütige Film über den „Bürgermeister-Macher“ Klaus Abberger ist dagegen eher unspektakulär, aber wieder eine erhellende Studie über lokale Politik und ihre Professionalisierung. Der Politberater, gerne auch Spin-Doctor genannt, ist ein ehemaliger Zeitungsredakteur, der sich mit einer Werbeagentur selbstständig gemacht hat und nun Kandidaten fit macht für die Bürgermeisterwahl. Manche Fragen bleiben in dem kurzen Format offen: Wie kommt Abberger an seine Kunden? Was sagen diejenigen, die mit ihm eine Wahl verloren haben? Welche politischen Themen sind ihm selbst wichtig?

Die Verkündung des Wahlergebnisses ist der Höhepunkt

Er mache Wahlkampf für alle, heißt es in der Pressemitteilung zum Film, außer für AfD und Rechtsextreme. Manches erschließt sich aber auch durch Bilder und Montage. Sein Büro ist mit Wahlplakaten unterschiedlicher Parteien und Personen zugepflastert. Abberger fährt einen schicken Mercedes, was wohl auch Eindruck schinden soll. Er läuft mit seinen Kunden durch die jeweiligen Orte, auf der Suche nach Themen für den Wahlkampf („Haben wir im Ort noch ’ne Post?“), studiert Reden ein, schießt Fotos, auf denen die Familien der Kandidaten ihr „Sonntagslächeln“ anknipsen müssen. „Er ist schon sehr penibel“, stöhnt Zeilmeier.

Acht Wochen lang begleitet der Film Zeilmeier und die ebenfalls parteilose Carmen Merz, die in Zimmern ob Rottweil kandidiert. Mit der Verkündung der Wahlergebnisse als finalem Höhepunkt. Merz’ Gegenkandidat Dieter E. Albrecht versucht, Abbergers Verpflichtung zu nutzen. Bei der Kandidatenvorstellung verkündet er den Bürgern, er werde keine einstudierte Rede eines Redenschreibers vortragen. „Ich möchte kein Schauspiel abliefern.“ Tatsächlich benutzt Merz zum Teil identische Satzbausteine wie Zeilmeier („Gut so. Weiter so.“). Macht aber nichts, Albrechts Strategie scheitert krachend.

Am Wahlabend spielt die Blaskapelle vor dem Rathaus, das Ergebnis wird auf der Straße vor zahlreichen Bürgern verkündet. 90,4 Prozent für Merz, die Bürgerschaft applaudiert, ihr Mann hat Tränen in den Augen. „Freibier um die Ecke, bitte bedienen“, ruft die neue Bürgermeisterin, die im Wahlkampf von Tür zu Tür gegangen war. Abberger steht lächelnd am Rand. Er bleibe lieber im Hintergrund, hört man ihn sagen. Und nach der Wahl werde er in dem Ort nicht mehr gesehen.