Jan Böhmermann überreicht Michael Ballweg einen Preis, über den der sich nicht unbedingt freuen wird,. Foto: ZDF/Screenshot

Querdenken als Geschäftsidee: In der neuesten Ausgabe der Satireshow „ZDF Magazin Royale“ blickt Jan Böhmermann schon wieder nach Stuttgart. Er schaut sich Michael Ballwegs Finanzierungsmodelle an – und zeigt, wie Satire als politische Aufklärung funktioniert.

Stuttgart - Der TV-Satiriker Jan Böhmermann kann nicht den Mund aufmachen, ohne irgend jemands Empfindlichkeiten zu verletzen. Und dann wird in den sozialen Netzwerken gemault, der könne „ja nichts außer primitiv beleidigen“. Dieser Vorwurf blendet nicht nur sein handwerkliches Können völlig aus, sondern auch seinen Vorsatz, politische Aufklärung zu betreiben. Den setzt Böhmermann mittlerweile viel besser um als seine Kollegen von der „heute show“. Die aktuelle Ausgabe von „ZDF Magazin Royale“ hat’s wieder mal bewiesen.

Querschenken statt spenden

In der Sendung hat sich Jan Böhmermann die Querdenker-Bewegung vorgeknöpft, beziehungsweise deren Kopf Michael Ballweg. Mit dem Goldenen Coroni 2020, einem handballgroßen Coronavirus-Christbaumkugel-Mix mit Zylinder und Bärtchen, hat Böhmermann den Stuttgarter Ex-Bürgermeisterkandidaten geehrt – als Corona-Unternehmer des Jahres. Aber der Satiriker hat es nicht bei einem kurzen Gag belassen. Gemeinsam mit der Redaktion von netzpolitik.org hat das Team des „ZDF Magazin Royale“ nachrecherchiert, ob und wie Ballweg an der Querdenken-Bewegung verdient.

Die Lage ist unübersichtlich, und das dürfte volle Absicht sein. Ballweg sammle zwar Geld ein. Aber er mühe sich, nicht immer ganz erfolgreich, um Sprachdisziplin: Er möchte keine Spenden, sondern Schenkungen. Mit letzteren, erklärt Böhmermann mit wutbefeuertem Amüsement, könne Ballweg nämlich tun und lassen, was er wolle. Über die Verwendung von Spendengeldern müsse er Rechenschaft ablegen. „Querschenken“ nennt Böhmermann das System.

Auch am T-Shirt wird verdient

Mit dem gewohnten Händchen für den besonders peinlichen Moment präsentiert Böhmermann Highlights von Querdenken-Veranstaltungen. Dabei enthüllt er unter anderem, dass der aus Reutlingen stammende Astrologieshow-Unternehmer Thomas Hornauer 5000 Euro dafür bezahlt haben soll, mit Ballweg bei einer Protestversammlung auf der Bühne stehen und hüpfen zu dürfen.

„Querdenken 711“ sowie viele weitere Kombinationen aus „Querdenken“ und Telefonvorwahlen hat Ballweg sich kostenpflichtig als Marken schützen lassen. Nun verdiene er an all dem Merchandising, das sich an „Querdenken 711“, „Querdenken 89“ oder „Querdenken 30“ heftet, an Hoodies, Mützen und T-Shirts.

Böhmermann präsentiert das alles im besten Gratulantenton - und wird vergnügt ernst, wenn er schließt: „Das Finanzamt Stuttgart II lässt ausrichten, Du sollst bitte mal zurückrufen. Dringend! Es geht um was Ernstes!“ Und dann zieht er in einem jener blitzschnellen, aber präzisen Mimikwechsel, die er beherrscht wie derzeit kein zweiter, eine Schnute der Ratlosigkeit. Als wisse er sich auch nicht zu erklären, worum es da wohl gehen könne.

Was man verpassen könnte

Die schon aus Informationsgründen zu empfehlende Sendung kann man in der ZDF-Mediathek sehen. Die Recherchen lassen sich auf dieser Seite nachlesen, hier finden sich auch weiterführende Links.

Wer nur den Corona-und-Ballweg-Part der Satireshow sehen möchte, findet ihn auf dem Youtube-Kanal des „ZDF-Magazin Royale“.

Mit dieser Abkürzung verpasst man dann aber den Hologramm-Auftritt des französischen Sängers Woodkid mit dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld – und eine von Böhmermanns fiesesten Provokationen, einen Nachklapp zur Ende 2019, Anfang 2020 völlig aus dem Ruder gelaufenen Skandaldebatte um das Liedchen „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“, erstmals gesungen vom WDR-Kinderchor in der Hörfunksendung „Satire Deluxe“. Mal abwarten, ob das neue Kinderchorlied bei Böhmermann ohne großes Getobe durchrutscht – oder ob das eifrige Missverstehenwollen wieder Party feiert.