Silvi (Mavie Hörbiger, M.) zeigt den Kindern Jani (Elias Eisold, l.) und Alexandra (Geraldine Schletter, r.) ihr neues Zuhause. Foto: ZDF/Britta Krehl

Was passiert, wenn der Vater die Mutter umbringt? Das ZDF-Drama „Ich brauche euch“ist eine Gefühlsachterbahn, die in den Abgrund zu rasen scheint.

Berlin - Dreiundzwanzig Ehejahre, zwei Kinder, ein Haus mit Pool. So sieht das Paradies von Sabine Bach (Judith Engel) aus. „Danke für alles, was du mir geschenkt hast“, flötet sie ihrem Mann Markus (Fritz Karl) auf der großen Hochzeitstagsparty entgegen. Die Oberfläche dieser heilen Welt ist so auf Hochglanz poliert, dass beim Benutzen des Pools die Fließen drum herum bitte trocken bleiben sollen. Der traumhafte Tag endet damit, dass der Gatte, der seine Frau jahrzehntelang auf Händen trug, sie in dieser Nacht zu Tode schüttelt.

Wo vorher Glanzlicht war, ist nur noch Schatten. Beim Verhör des Ehemanns ist es so dunkel, dass kaum mehr als seine dicken Augenringe zu sehen sind. Heller wird es in dieser Geschichte kaum noch. Sabines Schwester Silvi (Mavie Hörbiger) ist eine erfolgreiche Unternehmerin, die alles im Griff hat – fast alles. Schon mit ihren Gefühlen kann sie nicht umgehen, jetzt soll sie sich auch noch um die Kinder ihrer Schwester kümmern. Silvis Freund Alex (Fabian Hinrichs) fragt sie zwischendurch einmal, ob es eigentlich irgendeinen Grund gebe, sie zu mögen. Damit hat er ziemlich viel über Silvi gesagt.

Wie im Horrorfilm

Beim Zusammenfinden der Tante, ihres Neffen Jani (Elias Eisold) und ihrer Nichte Alexandra (Geraldine Schletter) knirscht es so gewaltig wie der Dielenboden der Albtraum-Altbauwohnung, die eng und gruselig wie im Horrorfilm inszeniert ist. Alle drei darin Herumspukenden scheinen nicht aus Fleisch und Blut zu sein. Es muss Eiswasser sein, das durch die von Trauer und Verzweiflung verhärteten Figuren fließt. Max Färberböck (Buch und Regie) und Catharina Schuchmann (Buch) machen in ihrem ZDF-Drama aus jedem Bild einen Backstein, den sie dem Zuschauer entgegenschleudern: Aus Untersicht gefilmte Köpfe sprechen direkt in die Kamera, schmerzhaft lange hört sich der Sohn alte Sprachnachrichten seiner Mutter auf dem Smartphone an, quälend ausführlich verliert sich die Tante im Monolog über ihre Bedrückung.

Lautes Kreischen, zerwühltes Inneres

Färberböck und Schuchmann liefern Szenen, die in solcher Ausdauer, Prägnanz und Authentizität selten im Fernsehen zu sehen sind. Harte Bilder, die wie lautes Kreischen auf das zerwühlte Innere der kaum zum Handeln Fähigen aufmerksam machen sollen. Färberböck und Schuchmann haben eine Gefühlsachterbahn konstruiert, die immer nur in den Abgrund zu rasen scheint.

Es geht nur am Rande um die Frage nach diesem einen Warum – warum der liebende Ehemann seine Frau getötet hat. Vielmehr geht es um die Frage: Was passiert eigentlich mit Menschen, wenn der mühsam von ihnen errichtete emotionale Schutzschild, der unverwundbar machen soll, plötzlich in Fetzen gerissen wird?

ZDF, Montag, 11. Mai 2020,
20.15 Uhr