Florian (re.) im elterlichen Garten mit einem Betreuer von der Diakonie Foto: ZDF

Eine berührende Folge der ZDF-Dokureihe „37 Grad“ widmet sich dem Thema „Demenz bei jungen Menschen“. Walter Krieg stellt in seiner Reportage zwei Männer vor, die um die vierzig waren, als sie aus der Bahn geworfen wurden.

Stuttgart - Nicht zuletzt dank diverser Fernsehfilme ist Altersdemenz längst kein Tabuthema mehr. Geschichten über Senioren, die erst ihre Brille im Kühlschrank deponieren und später von der Polizei aufgegriffen werden, weil sie ihre Adresse vergessen haben, haben die Symptome der Krankheit bekannt gemacht. Nur wenige Menschen wissen allerdings, dass Demenz bereits weit vor dem Rentenalter auftreten kann.

Walter Krieg stellt in seiner berührenden „37 Grad“-Reportage zwei Männer vor, die um die vierzig waren, als sie aus der Bahn geworfen wurden. Besonders schmerzlich ist die Geschichte von Florian, den die Krankheit mit 37 ereilt hat. Der Vater zweier Kinder war beliebt und erfolgreich und hatte als Kreisjugendpfleger eine verantwortungsvolle Aufgabe, bis er immer öfter Aussetzer bekam und schließlich nicht mehr tragbar war. Fatalerweise verging geraume Zeit, die der Mann unter anderem in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Anstalt verbrachte, bis endlich an einer Uniklinik seine Krankheit diagnostiziert wurde: Florian, mittlerweile 41 und geschieden, leidet unter Frontotemporaler Demenz, sein Sozialverhalten ist erheblich eingeschränkt, er gerät leicht außer Kontrolle und muss rund um die Uhr betreut werden; seine Eltern haben plötzlich wieder ein Kleinkind. Die entsprechenden Szenen sind erschütternd.

Früher Dachdecker, heute Pflegefall

Während „37 Grad“ sonst gern mit mehreren Protagonisten arbeitet, hat sich Krieg klugerweise auf zwei konzentriert, die er ausführlicher vorstellt. Im Gegensatz zu Florian konnte sich der Filmemacher mit Eric unterhalten. Das macht dessen Fall naturgemäß spannender, weil er aus erster Hand schildern kann, wie er die Krankheit erlebt. Eric, Mitte vierzig, war früher Dachdecker und ist heute ein Pflegefall. Er ist mit seiner Frau Waltraud in die Schweiz gezogen, weil sie in Deutschland keine Arbeit gefunden hat. Ihre Freunde mussten sie zurücklassen, aber das war wohl kein großer Verlust, wie sie erklärt: weil sich die Mitmenschen offenbar immer stärker zurückgezogen haben. Abgesehen von Waltraud hat Eric keine sozialen Kontakte mehr.

Selbst der tägliche Hundespaziergang bereitet ihm Angst: Er hat Angst, von Fremden angesprochen zu werden, die ihn nach dem Weg fragen – und dann keine Antwort geben zu können. Im Gespräch mit Krieg macht er einen sehr klaren Eindruck, was einige seiner Aussagen noch bedrückender macht: Sein Körper sei über vierzig, sagt er, aber vom Gehirn her liege er irgendwo zwischen zwölf und 16 Jahren.

Hintergrundinformationen erwünscht

Doch die Gelassenheit täuscht; Krieg verzichtet zwar auf Szenen, die seine Protagonisten bloßstellen könnten, und zieht sich diskret zurück, als ein Disput zwischen dem Ehepaar zu eskalieren droht, verhehlt aber auch nicht, dass Eric zunehmend dünnhäutiger wird. Den Kommentar spricht überaus angenehm der Schauspieler Otto Mellies: ohne Pathos, aber auch ohne jene Leutseligkeit, die Sprecher bei solchen Reportagen mitunter verbreiten, obwohl sie völlig unangebracht ist.

Wie üblich leidet auch Kriegs ansonsten sehr informativer und ohnehin bewegender Film unter einem Manko, das nicht dem Autor, sondern dem Sendeplatz anzulasten ist: Die Beiträge weisen nie über sich hinaus. Sie beschreiben das Schicksal ihrer Protagonisten, vermitteln aber nur wenige allgemeingültige Informationen. Man wüsste zum Beispiel gern, wie häufig Demenz bei jungen Menschen auftritt, welche Ursachen die Krankheit hat, ob sie erblich ist, wie man ihr vorbeugen kann.

Immerhin äußert sich Florians Arzt zum Krankheitsbild seines Patienten. Im Gedächtnis bleibt vor allem die Prognose: Es gibt keinen Weg zurück.