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Die Sängerin Zaz bringt in der Porsche-Arena Tausende Stuttgarter dazu, auf Französisch zu singen.

Es gibt kaum etwas, was Zaz alias Isablle Geffroy nicht kann mit ihrer Stimme, die rauchig klingt und doch glockenklar: Sie singt Jazz, Soul und Pop gleichermaßen überzeugend; sie scattet mit einer Leichtigkeit durch aberwitzige Silbenfolgen, die an ganz große US-Vorbilder denken lässt; sie streut beim lupenreinen Pop-Song „La Fée“ beiläufig eine melodische Improvisation ein, die an Clare Torrys legendäres vokalistisches Gastspiel in Pink Floyds „The Great Gig In The Sky“ erinnert; sie imitiert durch die Faust eine Trompete, die sie als vollwertiges Soloinstrument einsetzen kann; und sie steht unverkennbar in der großen Tradition des französischen Chansons. Dabei tollt Zaz scheinbar unbeschwert als Energiebündel über die Bühne der ausverkauften Porsche-Arena und präsentiert souverän die Lieder ihres selbst betitelten Debütalbums, getragen von einem enthusiastischen Publikum. Jahrelang hat sie in einem Pariser Varieté gesungen und auch auf der Straße – diese harte Schule zahlt sich nun aus.

Zu den stärksten Zeugnissen ihres Könnens zählen Videos im Internet, in denen man Zaz an einer Straßenecke im Pariser Stadtteil Montmartre sieht, begleitet nur von einem Gitarristen und einem Kontrabassisten: Wie sie da ungeschützt singt, ist eine Offenbarung. Ihr Album klingt geschliffener, und der Erfolg gibt den Produzenten recht – treibt Zaz nun aber auf große Bühnen, die ganz andere Anforderungen stellen.

Der Kompromiss zu dezenter Lightshow und Miniatur-Leinwänden ist eine naturalistische Live-Band alter Schule, in der die beiden Gitarristen und der Bassist sämtliche Genres akustisch wie elektrisch beherrschen und der Keyboarder auch einen Musette-Walzer aus dem Akkordeon quetschen kann (als Chorus-Variation bei „Ni oui ni non“). Allesamt Profis, keine Frage – aber eher uncharismatische Typen, denen Pfiff fehlt.

So steht die zappelige Zaz, gut eineinhalb Stunden lang unbändige Lebensfreude verströmend, weitgehend alleine im Fokus. Auf Knien präsentiert sie ein dunkles neues Lied namens „Petit Homme“ („kleiner Mann“), sie verausgabt sich zum knackigen Swing von „Le Chat“, und sie meistert makellos auch die hoch gesetzte Hymne „Ebloui par la nuit“.

Gleich zweimal darf eine Französin aus dem Publikum auf die Bühne, um kleine Ansprachen zu übersetzen („Wenn es Emotionen gibt, die ihr seit Jahren nicht rausgelassen habt - jetzt oder nie!“). Mit afrikanisch angehauchten Melodien gestaltet sie einen Mitsingteil, in dem unvermittelt der Begriff „Stuttgart“ auftaucht und für Jubel sorgt, und beim großen Hit „Je veux“ („Ich will“) singen Tausende Stuttgarter den Refrain im Chor – eine bessere Botschafterin kann sich Frankreich kaum wünschen. Umso eigenartiger, dass Zaz im Anschluss ausgerechnet ein englischsprachiges Stück intoniert, „I’m So Excited“ von den Pointer-Sisters – als gäbe es nicht genügend französisches Material, das zu singen sich lohnen würde.

Prompt folgt das Chanson „Dans ma rue“, das Jacques Datins 1946 für Edith Piaf schrieb. Zaz gibt dem unglücklichen Armenmädchen darin eine elektrisierende Stimme, aus deren rauchigem Timbre sich helles Jauchzen erhebt. Wie sie sich zu solcher Musik verhalten soll, weiß sie indes noch nicht, mal steht sie nur, mal zappelt sie – die Gesten einer großen Diva sind noch nicht Teil ihres eher sportiven Bewegungsrepertoires.

Dafür kann sie tanzen, hüpfen und feiern, sich freuen wie ein kleines Kind über ein gelungenes Gitarrensolo. Man muss diese charismatische Französin einfach mögen. „Je suis comme ça“, singt Zaz in „Je veux“ – „so bin ich halt“. Um Liebe und Freiheit geht es da, gegen Konsum und Heuchelei und darum, wie leicht Dasein sich anfühlen kann. Wenn sie sich das bewahrt, gelingt es ihr eines Tages vielleicht, große Bühne und Montmartre zusammenzubringen.