Kalanag alias Helmut Schreiber mit seiner langjährigen Showpartnerin und Ehefrau Gloria – sie hieß bürgerlich Anneliese Voss. Foto: SWR/Siftung Zauberkunst

Helmut Schreiber zauberte auch für Hitler und Goebbels – seine letzten Jahre verbrachte der Magier und Filmproduzent in Fornsbach. Nun soll ein Museum an einen der größten Zauberer der Welt erinnern.

Murrhardt - Er war ein weltweit gefeierter Star, hatte im Dritten Reich eine fragwürdige Rolle – und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen soll der Magier Kalanag nun in Murrhardt ein Museum bekommen, das an sein Schaffen und Leben erinnert. Seine letzten Jahre hatte er, nachdem der Stern seines Ruhms teilweise verblasst war, in Murrhardt verbracht. Genau genommen in einer Villa am Waldsee Fornsbach.

 

Nicht direkt dort, aber in Murrhardt soll es entstehen, das Kalanag-Museum. Die treibende Kraft dahinter ist im Altkreis Backnang kein Unbekannter: Michael Holderried, selbst Zauberkünstler, hatte bis zum Jahr 2013 in Backnang das Deutsche Zauberzentrum betrieben. Dort hatte es bereits eine Kalanag-Ausstellung gegeben. Nun plant Holderried ein Comeback: „Wenn Corona uns keinen Strich durch die Rechnung macht, werden wir das Kalanag-Museum am 17. Dezember eröffnen.“ Auch Christian Schweizer, der in Murrhardt das Heimat- und Naturkundemuseum betreibt, ist mit an Bord. Beide stehen mit der Stadtverwaltung Murrhardt in Kontakt.

Zauberkunst, Musik – und Propagandafilme

Kalanag, bürgerlich eigentlich Helmut Schreiber, zählte in den 1920er bis in die 1950er Jahre hinein zu den größten seines Fachs. Seine Revuen mit Zauberei, Musik und Choreografie tourten um die ganze Welt. Er zauberte für Hitler persönlich, produzierte in verantwortlicher Position auch propagandalastige Filme. Nach dem Kriegsende gelang ihm die verblüffende Rückverwandlung zum Zauberkünstler.

Im März hat eine Dokumentation der ARD das Leben des Magiers beleuchtet und sich dabei vor allem auf seine Rolle in Hitlerdeutschland konzentriert. Immerhin wirkte er als NSDAP-Mitglied und Präsident des Magischen Zirkels an dessen sogenannter „Arisierung“ mit und war als Produktionschef der Bavaria auch für antisemitische Propagandastreifen verantwortlich.

Kritik an Kalanag-Film der ARD

Holderried hält diese Darstellung aber für falsch beziehungsweise verkürzt: „Natürlich hat er wie viele andere in jener Zeit auch eine graue Vergangenheit, und er war NSDAP-Mitglied. Aber Kalanag ist auch nichts anderes übrig geblieben. Wenn Hitler, Göring und Goebbels gesagt haben, er solle vor ihnen auftreten – da hätte wohl kein anderer Zauberkünstler nein gesagt“, ist er überzeugt. Im Rahmen der Entnazifizierung sei nachgewiesen worden, dass Helmut Schreiber „verschiedene Juden versteckt“ habe. „Meines Erachtens hat Kalanag damals niemanden ans Messer geliefert“, so Holderried.

Lesen Sie hier: Wie Kalanag seine Vergangenheit verschwinden ließ

Michael Holderrieds Vater, selbst Zauberer, hatte in den 1960er Jahren die Kalanag-Sammlung begonnen. Laut Holderried umfasst sie auch die größten Tricks des „David Copperfield von damals“ – etwa die große Freischwebe oder das sogenannte „Indische Wasser“, das Kalanag für die Gäste seiner Revuen in scheinbar jedes beliebige Getränk verwandeln konnte. Auch wenn Besucher des Museums die Zauberkunststücke in Aktion sehen sollen: Verraten, wie sie funktionieren, will Holderried nicht. „Das wäre ein absolutes No-Go“, sagt er. Die Ausstellungsstücke seien auch jetzt schon im künftigen Museum in Murrhardt untergebracht – wo genau, will er angesichts des beträchtlichen Wertes allerdings nicht verraten. Noch nicht.

Der Zauberer verbrachte seine letzten Jahre in Murrhardt

Mitte der 1950er Jahre hatte es Schreiber nach Fornsbach gezogen, wo er im Café Erdbeer auftrat, das seiner Cousine Margarete Sedlmayer gehörte. Dort konnte er gewissermaßen als Zusatzattraktion gebucht werden – die Auftritte reichten freilich an seine Hochzeit nicht mehr heran. Was Kalanags Zeit in Murrhardt angeht, will Holderried dennoch nicht von einem Scheitern sprechen. „Natürlich wurden die Shows kleiner. Aber Fornsbach war auch ein Ausflugsort der Stuttgarter Hautevolee.“ Noch heute finden sich in Fornsbach Spuren des Zauberkünstlers – beispielsweise sollen sich in der früheren Villa Kalanags Geheimtüren befinden, die dieser damals für seine Auftritte in kleinem Kreis benutzte.

Bereicherte Kalanag sich am legendären Nazigold?

Auch nach seinem Tod rankten sich noch Rätsel und Gerüchte um Helmut Schreiber. Unter anderem schien es Zeitgenossen rätselhaft, wie Kalanag seine teuren und aufwendigen Welttourneen im Nachkriegsdeutschland finanzieren konnte. Gerüchte machten die Runde, der Zauberer habe sich am legendären Nazigold bereichert. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass Schreiber als Vermittler zwischen SS-Leuten und amerikanischen Besatzern tätig war. „Ob er dabei auch selbst zugegriffen hat, ist nicht verbrieft. Ich weiß aber aus verlässlicher Quelle, dass seine Freunde Kalanag später finanziell unterstützt haben“, sagt Holderried. „Wenn er viel besessen hätte, hätte er das wohl nicht gebraucht.“

Während Kalanags Zeit in Fornsbach suchten seine Showgirls sich andere Engagements, 1963 starb Schreiber, vermutlich an einem Herzinfarkt. Seine einstige Partnerin und Ehefrau Gloria de Vos soll eine halbe Million D-Mark geerbt haben – umgerechnet in Euro, inklusive Inflation, entspricht diese Summe mehr als einer Million. Ob der Magier weitere Reichtümer versteckt hatte, kam nie ans Licht.