Mit der Bahn reist Amann von Ulan Bator zu den Kranken. Foto: Amann

Der Zahnarzt Wolfgang Amann leistet während seines Urlaubs medizinische Hilfe in der Mongolei.

Hofen - In Deutschland lernen Kinder, mindestens zwei Mal täglich die Zähne zu putzen. Auf dem Land in der Mongolei ist das anders. Denn die Nomaden haben schlichtweg keine Badezimmer und kein fließendes Wasser. Süßigkeiten gibt es dennoch in den entlegensten Orten. Der Zahnarzt Wolfgang Amann aus Stuttgart-Hofen hat in seinem Sommerurlaub schadhafte Zähne von Mongolen aufgebohrt und verfüllt. Wäre er nicht gekommen, hätte die dortige Zahnärztin sie ziehen müssen.

Amann ist wieder zurück und sitzt in seiner Wohnung in Hofen am Tisch. Er erzählt von seinem Aufenthalt im August. Auf die Mongolei wurde er per Zufall aufmerksam: Im vergangenen Jahr hatte der 60-Jährige in einer Fachzeitschrift über die Organisation „Dentists without limits – Zahnärzte ohne Grenzen“ gelesen und war daraufhin zum ersten Mal in das asiatische Land zwischen Russland und China gereist. Dort praktizierte er in der Wüste Gobi und lernte das Klima mit heißen Tagen und kalten Nächten kennen. „In der Stadt hatten die Menschen bessere Zähne“, sagt Amann nun, wo er den Vergleich hat. Doch die zahnärztliche Versorgung ist in der Mongolei generell ein Problem. „Ein Zahnarzt verdient in der Mongolei umgerechnet 300 Euro im Monat. Ein Lokführer bekommt aber 700 Euro Lohn.“ Für eine Dreizimmerwohnung in der Hauptstadt müssen sie rund 600 Euro zahlen.

In Zuunkharaa, vier Stunden Bahnreise von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt, gab es im Krankenhaus der mongolischen Eisenbahngesellschaft zwar eine Zahnärztin. „Das Gerät zum Wasserabsaugen war aber kaputt. Darum konnte sie nur Zähne ziehen und nicht mehr bohren.“ Amann, seine Frau und zwei weitere Zahnärzte von der Organisation brachten das Material aus Deutschland mit. „Meine Praxislieferanten haben richtig viel gutes Füllungsmaterial gestiftet.“

„Wer kommen durfte, wurde ausgelost. Jedes Dorf hatte ein Kontingent.“

In dem Krankenhaus bauten die Zahnärzte ihre mobile Einheit auf: Einen klappbaren Zahnarztstuhl und eine einfache Maschine, die etwa einen Bohrer antreiben kann. „Wir haben im Krankenhaus unsere mobile Einheit aufgebaut und dann kamen schon gleich die Patienten.“ Die Nachfrage war sehr groß. „Wer kommen durfte, wurde ausgelost. Jedes Dorf hatte ein Kontingent.“ Ein Patient überraschte Amann, als er vor seinen Augen einen Zahn herausnahm. „Der Mann hatte einen unförmigen Zahn unten. Er hatte ihn kunstvoll aus einem Knochen geschnitzt.“ Es gab auch das andere Extrem: „Eine Patientin hatte ein Röntgenbild auf ihrem Handy und fragte mich, ob man den Zahn noch retten kann.“ Amann gelang es, das Loch zu füllen. Welche Zähne den Patienten weh taten, erfuhr Amann mit Hilfe einer Dolmetscherin. In gut zwei Wochen haben er und seine Kollegen 500 Patienten behandelt. Das überschüssige Füllmaterial schenkte er der Universität in Ulan Bator.

Abends schauten er und seine Kollegen sich das Land an. Sie besuchten beispielsweise Nomaden, die von der Viehzucht leben und große Herden haben. Zwischen 800 und 1000 Tiere reichten, um davon gut zu leben. Sie wohnen in einer Jurte, einem traditionellen mongolischen Zelt. „Eine Solarzelle und einen Flachbildschirm haben praktisch alle Nomaden“, berichtet Amann. Viele hätten auch ein Auto. „Die Mongolen haben ein herzliches Wesen“, hat Amann bei den Besuchen festgestellt. Die Fremden haben gleich bei der Ankunft Milch oder Joghurt von den Nomaden angeboten bekommen.

Aus zahnärztlicher Sicht sei die Wasserqualität ein Problem. „Es hat meist einen hohen Fluoridgehalt. Das ist in Maßen gut für die Zähne. Ist aber zu viel drin, verfärben sie sich und der Schmelz wird porös.“ Durch den Wandel hin zur Marktwirtschaft gebe es nun in den entlegensten Regionen Lollies. „Die Kinder freuen sich über die Süßigkeiten.“ Doch die Eltern wüssten nicht, dass die Süßigkeiten Karies begünstigten. Amann verteilte Zahnbürsten an die Kinder. Generell sei die Küche in der Mongolei fleischlastig. Schon zum Frühstück Gulasch und Kartoffelbrei zu essen, sei nicht ungewöhnlich. „Das Essen hat uns richtig gut geschmeckt.“

Zurückgeben, weil er die Möglichkeit hatte, Zahnmedizin zu studieren

Auch das Land mit der unendlichen Weite hat es dem Zahnarzt angetan. „Man steht auf einem Berg, schaut hinunter und sieht eine Jurte als weißen Punkt. Sonst gibt es keine Siedlungen.“ Das Land ist viereinhalb Mal so groß wie Deutschland, hat aber nur 2,77 Millionen Einwohner. Nach dem Arbeiten hängten Amanns noch eine Woche Wanderurlaub dran. Zurück in Deutschland hat er die Tücken der modernen Welt kennengelernt. „Der ICE von Berlin nach Stuttgart war stark verspätet weil die Klimaanlage ausgefallen ist.“ In der Mongolei waren die Waggons einfacher: Die Teekocher wurden mit Holz geheizt.

Dieser und der frühere Arbeitsaufenthalt in der Mongolei hatten für Amann ihren Reiz. „Per Zufall bin ich in einem extrem reichen Land geboren worden. Ich bin geerdet zurück gekommen.“ Außerdem wolle er etwas zurückgeben, weil es ihm möglich gewesen sei, Zahnmedizin zu studieren. Im nächsten Jahr plant er, wieder im Urlaub Zähne in einem Entwicklungsland zu füllen. „Die Mongolei kenne ich ja jetzt. Am liebsten möchte ich nach Myanmar. Ich bin aber unsicher ob das klappt. Nepal wäre eine einfachere Alternative.“