Prominente Youtuber äußern sich in ihren Videos besorgt über ein neues Gesetz zur Haftung bei Urheberrechtsverletzungen. Auch Youtube-Chefin Susan Wojcicki , deren Unternehmen laut Gesetz die Haftung übernehmen soll, kämpft gegen die Regelung. Foto: Screenshot/Youtube

Die EU plant ein Gesetz, das Betreiber von Internetseiten für Urheberrechtsverletzungen haftbar macht. Die Videoplattform Youtube und viele deutsche Youtube-Stars behaupten, es gefährde ihre Zukunft im Netz. Was steckt wirklich hinter dem Konflikt?

Stuttgart - „In einigen Monaten werden fast alle Kanäle, die wir kennen und lieben, gelöscht werden. Niemand wird übrig bleiben“, erklären Youtuber des Kanals „Wissenswert“ in einem Video. Auch Netzstar LeFloid, der als erster Youtuber die Bundeskanzlerin interviewte, fordert sein Millionenpublikum zum Protest auf: „Wehrt euch! Stoppt Artikel 13! Heute.“

Mit solchen Aussagen lehnen sich Deutschlands Youtube-Stars gegen ein Gesetz auf, das statt wie bisher den Nutzer, Seitenbetreiber wie Youtube oder Facebook für urheberrechtsverletzende Inhalte haftbar machen möchte. Die Internetplattform Youtube, auf der Nutzer Videos anschauen und hochladen können und Youtuber, die dort Videos einstellen, fürchten wegen dieses Paragrafen um ihre Profite.

Es geht um Artikel 13 der Reform des EU-Urheberrechts

Das viel diskutierte Gesetz ist in Artikel 13 der Reform des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt der EU festgehalten, die bereits 2016 von dem EU-Parlament beschlossen und zu Verhandlungen freigegeben wurde. Seitdem arbeiten EU-Parlament, Rat und Kommission an Änderungen und Kompromissen.

Youtube-Chefin Susan Wojcicki feuerte trotzdem wiederholt gegen das Gesetz, das für den Tochterkonzern von Google höheren personellen und technischen Aufwand bedeuten würde. Außerdem lebe die Videoplattform bisher von kostenlosen Inhalten. Müsse Youtube nun höhere Summen an Urheber zahlen, müsste es sein bestehende Geschäftsmodell überarbeiten.

Entsprechend schürt Youtube derzeit verstärkt mit PR-Kampagnen die Angst: Gegenüber der Öffentlichkeit kündigte Wojcicki an, aufgrund des Haftungsrisikos sei es möglich, dass viele Kanäle geschlossen werden könnten. Darunter wären auch deutsche Youtuber, die sie mit ihrer Aussage zum Protest anstachelte. Auf deren Videos reagieren vor allem junge Zuschauer besorgt. Sie überfluten die Kommentarfunktionen mit besorgten Nachrichten und schicken Kettenbriefe an ihre Freunde, in denen sie sich gegenseitig ermutigen, eine Petition gegen Artikel 13 zu unterschreiben.

EU: Reform richtet sich nicht gegen Youtube

Die EU betonte jedoch mehrfach, die geplante Reform richte sich nicht gegen Youtube, seine Nutzer oder seine Influencer. Sie solle lediglich die Rechte der Urheber stärken. Als mögliche Lösung sieht die EU Uploadfilter an, spezielle Programme, die Beiträge überprüfen, bevor sie veröffentlicht werden. Doch auch dagegen wehrt sich Susan Wojcicki. Ihrer Auffassung schließen sich einige Netzpolitiker an. Die Kritiker behaupten, diese Filter bedrohten die Meinungsfreiheit und die Kreativkultur des Internets.

Was Youtube hingegen gerne verschweigt: Der Konzern verfügt bereits jetzt über ein Filtersystem. Nur müsste dieses verbessert werden, was das Unternehmen Millionen kosten würde. Im bestehenden System können Urheber ihre Inhalte hochladen. Versucht jemand, denselben Inhalt auf Youtube einzustellen, schlägt das System Alarm. Der Urheber kann den Inhalt löschen lassen oder ihn monetarisieren, also sich an den Werbeerlösen beteiligen lassen. Das Problem: der Filter funktioniert nicht fehlerfrei.

Für eine hundertprozentige Kontrolle könnte Youtube daher nicht garantieren und müsste verstärkt Videos blockieren. EU-Bürger würden damit, laut Youtube-PR, den Zugriff auf Videos verlieren, die insgesamt über 90 Millionen Mal aus der EU aufgerufen wurden. Der Konzern argumentiert mit Meinungsfreiheit, verteidigt jedoch seine Gewinne.

Benji-TV: „Ich habe keine Angst um meinen Youtube-Kanal“

„Alles Panikmache“, urteilt der Stuttgarter Lifestyle-Youtuber Benjamin Steck alias Benji-TV die Lage. „Ich habe keine Angst um meinen Youtube-Kanal. Bei der Reform steht noch nichts fest, und dass Youtube so viele europäische Kanäle schließt, kann ich mir nicht vorstellen. Da geht doch zu viel Geld verloren.“ Das Videoportal will nun mit politischen Entscheidungsträgern eine Lösung finden. Dazu gehören laut Wojcicki eine bessere Zusammenarbeit mit den Rechteinhabern und mögliche Lizenzvereinbarungen

Nächsten Montag wird zum vorletzten Mal über die EU-Urheberrechtsreform verhandelt. Wird man sich einig, muss das EU-Parlament die Entscheidung Anfang 2019 mehrheitlich bestätigen. Bis Artikel 13 feststeht, will Benjamin Steck sich gegenüber seinen Zuschauern nicht zu dem Thema äußern. „Ich will keine falschen Informationen verbreiten, Drama machen und dann passiert nichts. Das würde mich unglaubwürdig machen.“