Die Prenzlschwäbin Bärbel Stolz hat in Berlin „die Kehrwoche outgesourct“ Foto: dpa

Schwaben haben’s in Berlin nicht gerade leicht. Die in Esslingen geborene Bärbel Stolz, die seit 1996 an der Spree lebt, macht sich als Prenzlschwäbin im Internet darüber lustig – und hat mit ihren Youtube-Videos eine Lawine ausgelöst.

Stuttgart - Frau Stolz, Ihre Videos „Die Prenzlschwäbin“, in denen Sie sich mit viel Selbstironie über die Schwaben im Berliner Kiez Prenzlauer Berg lustig machen, wurden in den letzten Wochen Hunderttausende Mal bei You Tube angeklickt. Ist die Idee bei einem Trollinger-Gelage oder bei einer Chai Latte im Biocafé entstanden?
(Lacht) Weder noch. Ursprünglich wollte ich nur für die Casting-Agenturen ein Vorstellungsvideo auf Schwäbisch drehen. Daraus wurde der erste Integrationskurs für Schwaben in Berlin. Mein Mann sagte dann: „Du bist echt eine richtige Prenzlschwäbin!“ Und schon hatten wir einen Titel. Es hat uns so großen Spaß gemacht, dass wir einfach weitergemacht haben. Irgendwann ist diese virale Lawine entstanden.
Sind Sie jetzt reich?
Nein. Ich habe mich tatsächlich erst vor kurzem damit auseinandergesetzt, wie das Monetarisieren der Videos funktioniert.

Völlig unschwäbisch.
Ja, ich bin wohl schon zu lange in Berlin und das Leben als brotlose Künstlerin gewöhnt. Nein, im Ernst: Bisher habe ich es gescheut, mich damit zu beschäftigen, weil mich die Werbung, wenn ich selber Videos schaue, manchmal nervt. Jetzt habe ich es aber tatsächlich versucht und bin gespannt, was passiert.
Sie leben seit fast 20 Jahren in Berlin – sind also eine „Schwabenbesatzerin“ der ersten Stunde.
Ich kam als arme Studentin nach Berlin. Damals gab es noch viele besetzte Häuser, und man hatte beim Spazierengehen das Gefühl, gleich fällt einem ein Balkon auf den Kopf. Das war schon toll. Ich war froh, dass mein Zimmer in Prenzlauer Berg so billig war. In Berlin lebte man insgesamt sehr günstig. Ich hatte leider kein Geldsäckle dabei, um ein Dachgeschoss zu kaufen.
Ist der Prenzlauer Berg heute verspießert, im Vergleich zu damals?
Das würde ich nicht sagen. Aber es fällt schon auf, dass etliche Clubs weggezogen sind. Man kann nachts nicht mehr so einfach einen draufmachen wie früher. Ich ziehe trotzdem demnächst wieder hin.
In ein Haus voller Schwaben vermutlich?
(Lacht) Ja, klar. Alle machen was mit Medien oder sind in der Immobilienbranche.
Sie haben zwei Kinder. Wachsen die zweisprachig auf?
Ein bissle. Es gibt Wörter, die ich auf Schwäbisch wahnsinnig gern mag. Mein Sohn zieht zum Bespiel ein „Kittele“ an, und wir spielen mit „Männle“. Wenn er bei meinen Eltern auf der Schwäbischen Alb war, erklärt er mir hinterher auch, was ein „Glump“ ist.
Ihr Mann ist Rheinländer – wie kommt der mit der Schwäbin klar?
Wunderbar. Er findet Schwäbisch nämlich total niedlich.
Ganz ehrlich: Sind wir Schwaben wirklich solche Besserwisser?
Ja, natürlich. Aber wir wissen es halt auch besser.
Sie haben sich das Schwäbisch erfolgreich abtrainiert.
Ich habe an der Ernst-Busch-Hochschule Schauspiel studiert. Dort hatte ich fünfmal die Woche Sprecherziehung. Das war hart. Ich dachte, ich spreche doch schon Hochdeutsch. Der Feinschliff war sehr anstrengend. Wenn ich zu Hause auf der Schwäbischen Alb bin, schalte ich aber sofort wieder um.
Hat sich Ihr Verhältnis zur Heimat verändert?
Ja, klar. Als ich weg war, wurde ich sofort VfB-Fan und leide jetzt natürlich mit. Und die Landschaft ist noch schöner! Und natürlich die schwäbische Küche!
Also kein Kartoffelsalat mit Mayonnaise, wie man ihn in Berlin isst?
Igitt!
Maultaschen?
Ich liebe Maultaschen. Ich kann sie auch selber machen. Allerdings bekommen sie in Berlin natürlich kein gescheites Brät.
Können Sie Spätzle vom Brett schaben?
Ich finde, das sieht sehr anmutig aus, ich schaue gerne dabei zu. Ich mache sie allerdings mit dem „Spätzleschwob“.
Kehrwoche?
Habe ich outgesourct.
Was ist denn das Schwäbischste an Ihnen?
Ich bin wirklich eine Klugscheißerin. Und trenne meinen Müll.
Demnächst erscheint Ihr erster Roman mit dem Titel „Dating down“. Um was geht es?
Das ist eine Beziehungskomödie über eine 30-jährige  Frau  in  Berlin auf der Suche nach dem richtigen Mann. Da sich das schwierig gestaltet,  beginnt  sie  „unter ihrem Stand“ zu suchen. Also nach einem Mann, der gesellschaftlich, sozial und beruflich tiefer steht als sie. Die Amerikaner haben dafür den Begriff „down dating“ geschaffen. Da immer mehr Frauen in hohen Positionen sind, wird die Auswahl an potenziellen Partnern kleiner.
Wie kamen Sie zum Schreiben?
Ich habe früher für das „Stuttgarter Hutzelmännlein“ beim SWR Gutenachtgeschichten geschrieben. Während meiner ersten Schwangerschaft gab es kaum Rollenangebote. Da fing ich mit Schreiben an.
Ihr erster Spielfilm, „Marcel über den Dächern“ über vier Thirtysomething-Pärchen in Berlin und ihre Neurosen und Ängste, hatte gerade beim „Achtung Berlin“-Festival Premiere.
Ich bin sehr stolz auf diesen Film. Das Drehbuch hat ein Freund geschrieben. Ich war zuständig für Catering, Kostüm und Maske. War Putzfrau und Hauptdarstellerin. Eigentlich haben alle alles gemacht.
Wird er auch in Baden-Württemberg zu sehen sein?
Ich hoffe sehr. Es wäre schön, wenn sich ein Verleih fürs Kino finden würde.
Sie sind Ehrenbürgerin.
Ja, vom Legoland.
Vielleicht zieht Ihre Heimatstadt Hayingen bald nach.
Da wäre zuerst mein Vater dran. Der hat für das Naturtheater Hayingen viele Stücke geschrieben, die sich am Schwabentum abgearbeitet haben. Eigentlich ist er „schuld“ an dem, was ich jetzt mache. Mit ihm zusammen würde ich die Ehrenbürgerschaft natürlich annehmen.
Wann kaufen Sie sich wie alle Kreativen, die in Berlin leben, einen Restbauernhof in der Uckermark?
Ich hoffe nie. Ich lebe wirklich gern mitten in Berlin. Man weiß natürlich nicht, was noch kommt. Ich glaube, später mal kaufe ich eher ein Häusle auf der Schwäbischen Alb.