Typisch für You Dinner: eine einzige lange Tafel, an der sich die Mitglieder über ihre kulinarischen Erlebnisse austauschen. Foto: You Dinner

Von Stuttgart aus erobert der Genießer-Club You Dinner immer mehr Städte. Die Mitglieder treffen sich an ungewöhnlichen Orten, um sich über die Kreationen von hochklassigen Köchen auszutauschen.

Stuttgart - Der Begriff des Clubs wird immer noch von etwas Exklusivem umweht. In England waren die Gentlemen‘s Clubs Versammlungsorte für die Wohlhabenden; rein kam nur, wer empfohlen wurde. Ganz so elitär geht es bei You Dinner nicht zu. Dennoch steckt auch hinter dieser Unternehmung ein Club, dem man beitreten muss, um in den vollen Umfang seiner Leistungen zu kommen. In diesem Fall sind das die eines Dinner-Clubs, der seinen Mitgliedern außergewöhnliche Essenserlebnisse an besonderen Orten bieten will.

Neu ist eine solche Idee nicht. Schon seit einigen Jahren liegen Pop-up-Restaurants oder -Bars im Trend, die nur für eine gewisse Zeitspanne eröffnen. Das Stuttgarter Unternehmen You Dinner will diesen Gedanken fortführen, mit den Vorteilen eines Clubs ergänzen und gleichzeitig zum Netzwerken einladen: Die Dinner-Erlebnisse finden ausschließlich an einer großen Tafel statt. Hinter der Idee stecken Miguel Calero, der zuvor Restaurantleiter im Vendôme in Bergisch Gladbach war, eines der besten Restaurants Deutschlands, und Daniel Ohr, der bei Breuninger für das Marketing verantwortlich zeichnete. „Unsere Grundidee“, so sagt Ohr dann auch gleich, „ist, die Menschen durch Essen zusammenzubringen.“

Für 180 Euro im Jahr ist man dabei

Wer sich auf der Homepage der „creative dining community“ registriert, bekommt für 180 Euro im Jahr die Möglichkeit, an Veranstaltungen teilzunehmen. „Unsere Events sind mehr oder weniger zum Selbstkostenpreis organisiert und deswegen zu sehr attraktiven Konditionen zugänglich. Ein Fünf-Gänge-Menü eines Sternekochs inklusive Wein, Kaffee und Trinkgeld für durchschnittlich 80 Euro“, betont Ohr, „muss man wohl lange suchen.“ Kern von You Dinner sind Pop-up-Dinner, bei denen Spitzenköche einen an Locations wie einem Gewächshaus, einer Kirche, einem Weinberg oder einer Fabrikhalle umsorgen. Dazu kommen Reisen in die besten Restaurants der Welt, Manufaktur-Besuche oder Themenabende wie „Unplugged“-Kochen.

Das passt in unsere Zeit, in der Essen zu einem Event geworden ist, das für Instagram abgelichtet, auf Food-Blogs inszeniert und im Fernsehen zur Popkultur stilisiert wird. Jeder ist auf der Jagd nach etwas, das er vor allen anderen gegessen hat, und manche Köche sind jünger, bärtiger und tätowierter als die Blogger selbst. Da passt so ein Konzept wie You Dinner rein. „Wir bieten etwas Neues, Kreatives und Zeitgeistiges, das man sonst nicht erleben kann“, sagt Ohr.

Ein Drei-Sterne-Koch auf dem Volksfest

Auch Schwellenangst ist ein Thema. Wer sich davor scheut, einen Drei-Sterne-Tempel wie das erwähnte Vendôme aufzusuchen, lässt sich vom dortigen Chefkoch Joachim Wissler vielleicht eher mal in der neuen You-Dinner-Loge auf dem Cannstatter Wasen kulinarisch überraschen – obwohl betont werden muss, dass man nicht das gleiche kulinarische Erlebnis erwarten darf wie in seiner Stammküche. Wie jenes Volksfest-Event sind auch ausgewählte andere Dinner-Erlebnisse ohne Mitgliedschaft buchbar – um neue Kunden anzulocken. Ohr nennt keine konkreten Zahlen, spricht aber von „mehreren Hundert Mitgliedern“ in jeder der bespielten Städte. „Von der 20-jährigen Food-Bloggerin bis zum 80-jährigen Inhaber einer Steakhouse-Kette ist alles dabei.“

Dennoch stößt das Konzept nicht überall auf Begeisterung. Die Kritik, You Dinner betreibe Preisdumping und könne nur bestehen, weil man ohne die Fixkosten und den bürokratischen Apparat eines Restaurants auskommt, weist Ohr jedoch von sich. „Wir haben ein vollkommen anderes Geschäftsmodell, das hat nichts mit billiger oder teurer zu tun.“

Dehoha beobachtet die Konkurrenz mit Interesse

Genau da hakt Daniel Ohl ein, Fast-Namensvetter von Ohr und Pressesprecher des Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). „Es ist in Ordnung, dass es Wettbewerb gibt“, sagt der, „doch er muss fair bleiben.“ Das heißt für ihn: „Restaurants müssen sich mit Hygiene rumschlagen, mit Allergenkennzeichnung, mit Brandschutz. Davon dürfen sich auch neue Konzepte nicht frei machen, auch wenn sie nur an einem Abend stattfinden.“ Machen sie nicht: Ohr und Calero kümmern sich gewissenhaft um diese Dinge, betonen aber: „Wir sind kein Restaurant, wir machen Events.“ Ohl von der Dehoga ist deswegen offen für neue Konzepte wie dieses – obwohl er den Ärger einiger Gastronomen verstehen kann, die eben jeden Abend ihre Tische besetzen müssen.

Einem gewissen Risiko ist auch You Dinner ausgesetzt: Hochdekorierte Köche oder exklusive Locations haben ihren Preis. Es muss also eher um ein Miteinander gehen als um ein Gegeneinander, findet nicht nur Ohl. Es gibt bereits viele Restaurants und Köche, die bei You Dinner mitmischen. Die Welt des Essens ist mehr in Bewegung denn je, überall buhlen neue Konzepte um Kunden – im Sinne von mehr Food-Vielfalt auch in Stuttgart.