Bei der Ludwigsburgerin Christine Fischer wurde 2021 bei einer Routineuntersuchung ein Mammakarzinom festgestellt. Der Marketingprofi steigt aus dem beruflichen Hamsterrad aus, lässt sich zur Therapeutin ausbilden und hilft jetzt Krebspatienten mit Yoga.
Ihre Welt drehte sich um Zahlen, Daten und Fakten. Bis zu 30 Unternehmen betreute Christine Fischer in einer Marketing-Agentur. Immer auf Achse, immer am Anschlag. Der Berufsalltag nahm die Luft zum Atmen. „Ich geriet immer mehr an meine Grenzen und habe nach etwas gesucht, das mir hilft, runterzukommen“, erinnert sich die 48-Jährige.
2012 probierte Fischer das erste Mal Yoga aus. Die sanften körperlichen Bewegungen taten der Ludwigsburgerin gut. Doch einfach nur als Teilnehmerin in einem Kurs mitzumachen, war auch nicht ihr Ding. Fischer will den Dingen auf den Grund gehen und ließ sich 2016 zur Yogalehrerin ausbilden.
Boden unter den Füßen verloren
Dann kam das Jahr 2021. „Ich war immer unzufriedener und hatte zunehmend das Gefühl, in mir wächst etwas“, sagt Christine Fischer – wohlwissend, wie verrückt diese Selbstbeobachtung damals klingen musste. Am 11. Juni, das Datum hat sich in Fischers Hirn gebrannt, stand der jährliche Kontrolltermin an. Recht unbeschwert habe sie sich zur Mammografie und Ultrallschalluntersuchung aufgemacht, erinnert sich die Neckarweihingerin. Obwohl sie ab und an Schmerzen unterhalb der Brust spürte und obwohl sowohl bei ihrer Tante also auch bei ihren Cousinen Karzinome in der Brust entdeckt worden waren.
„Die Mammografie war in Ordnung, aber beim Ultraschall wurde etwas Auffälliges entdeckt“, erinnert sich Fischer. Eine Biopsie sieben Tage später sollte Klarheit bringen. „Ich habe den Boden unter den Füßen verloren“, beschreibt die 48-Jährige die Zeit bis zur bitteren Gewissheit. Derzeit erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Knapp 70 000 Frauen in Deutschland erhalten jedes Jahr die Diagnose „Mammakarzinom“. Fischer war plötzlich eine von ihnen. „Als ich die Diagnose bekam, habe ich nur geheult“, erzählt Fischer. Eine Woche später wurde der Tumor operiert, vier Lymphknoten wurden entfernt. Es begann eine Leidenszeit, denn erst nach drei bis vier Wochen, so die Prognose der Mediziner, würde klar sein, ob der Krebs bereits gestreut hat.
Zwei Wochen später dann ein Anruf. Fischer muss später erneut unters Messer, der Tumor war in einem zu kleinen Radius entfernt worden. Im September starteten Bestrahlungen, außerdem sollte sie Tamoxifen nehmen. Die Hormontherapie senke das Risiko, ein Rezitiv zu bekommen. Die Ludwigsburgerin aber hat Angst vor den Nebenwirkungen und zögerte den Beginn hinaus.
Weiterbildung zur psycho-onkologischen Beraterin
Es folgte eine Reha und irgendwann der Weg zurück in den Alltag. Der Arbeitgeber drängelt, doch Fischer will nicht zurück in den alten Job. „Die Krankheit hat mich gelehrt, dass ich anders leben will.“
Inzwischen arbeitet sie in einem Gesundheitszentrum in Stuttgart. In Teilzeit, damit mehr Zeit bleibt für das, was ihr wichtig ist. Seit August 2021 bietet die 48-Jährige „Yoga und Krebs Kurse“ an. „Das ist für mich ein Herzensthema, da ich die Krankheit selbst erfahren habe und mich Yoga sehr unterstützt hat in meiner akuten Krankheitsphase.“ Im Dezember schloss sie eine Fortbildung als psycho-onkologische Beraterin ab.
Suzanne Danhauer von der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem und Kollegen werteten 2019 insgesamt 29 Studien zum Einfluss von Yoga auf das Befinden erwachsener Krebspatienten aus. Der größte Teil der Studienteilnehmer waren Brustkrebspatientinnen. In fünf von sechs Studien zeigten sich positive Effekte einer Yogapraxis während der Krebstherapie auf die allgemeine Lebensqualität. Die Fatigue nahm bei den Krebspatienten in fünf von acht Untersuchungen signifikant ab. In einigen Studien ergaben sich zudem Verbesserungen beim Stressempfinden sowie bei verschiedenen Biomarkern. „Yoga berücksichtigt typische Nebenwirkungen der Therapie – etwa das Fatigue-Syndrom, Osteoporose oder Lymphödem und stimuliert das Immunsystem“, weiß auch Fischer aus Erfahrung. So schlimm die Krebsdiagnose war, so dankbar ist die 48-Jährige für die vergangenen Monate. „Sie waren eine Reise zu mir selbst. Ich bin bei den Basics angekommen.“