Es begann mit nur drei Teilnehmern, mittlerweile machen Tausende Menschen mit: Mit Yoga-Übungen läuten die New Yorker auf dem Times Square den Sommer ein – völlig entspannt. Was Yoga für den Rücken bringt, lesen Sie hier. Foto: EPA

Millionen schwören auf die positive Wirkung von Yoga. Doch was kann die indische Körperkunst wirklich für Körper, Geist und Seele tun?

Stuttgart - Vier dunkelrote Yogamatten liegen im Kreis auf dem Boden. Das Licht ist stimmungsvoll gedimmt und die Wand mit einer Urwaldtapete bezogen. Auf dem Boden liegt ein hellbrauner Teppich aus Naturmaterial. Am Anfang der Yogastunde bei Veronika Kergaßner muss sich jeder Teilnehmer wohlfühlen und ankommen. Damit das leichter fällt, schließen alle die Augen und atmen erst einmal ein und aus. Erst danach beginnt die 47-Jährige, die seit 25 Jahren Yoga macht, mit den Übungen für die Schultern und den Rücken.

Am Gesundheitstrend Yoga scheint niemand vorbeizukommen. Die Fußball-Nationalmannschaft tut es und Madonna schreibt Lieder darüber. Die Zeitschriftenregale sind voll von Heften mit Yogaübungen, die bei Rückenschmerzen helfen oder ein besseres Körpergefühl vermitteln. Rund vier Millionen Deutsche begeben sich laut dem Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY) regelmäßig auf die Matte für ein besseres Körpergefühl. Der Verband ist mit 3600 Mitgliedern der größte in Deutschland. Allein in Stuttgart unterrichten 28 Yogalehrer, die dem BDY angehören.

Besseres Körperbewusstsein dank altindischer Körperlehre

Die altindische Körperlehre war ursprünglich ein rein spiritueller Weg zur Erleuchtung, die mit Meditation erreicht werden sollte. Die Atemtechnik und die Körperhaltungen dienten als Hilfsmittel. „Der Yoga lehrt, wie man mit sich und der Umwelt umgeht. Bin ich nett zu mir selbst oder überschreite ich Grenzen“, sagt Yogalehrerin Kergaßner, die auch Mitglied im BDY ist. Doch was ist dran an den Versprechen?

Die sonst so sachliche Wissenschaft kann Yoga eine gesundheitsfördernde Wirkung nicht absprechen. Wie sich dieses neue Körperbewusstsein auf den Stresspegel und das Gehirn auswirkt, erforscht Britta Hölzel. Die Psychologin von der TU München hat herausgefunden, dass man durch regelmäßige Meditation den Pegel des Stresshormons Cortisol absenken kann. In ihrer Studie haben die Teilnehmer acht Wochen lang 30 Minuten Yoga täglich praktiziert. Hölzel konnte eine deutliche Stressreduktion feststellen. „Besonders das Gewebe im Hippocampus, der zum Beispiel für das Erinnerungsvermögen zuständig ist, ist anfällig für Stress. Durch dauerhaft hohe Cortisolwerte können dort Zellen absterben“, sagt Hölzel. Zwar sei Stress grundsätzlich wichtig für das Überleben, aber wenn er auf Dauer zu hoch sei, könnten zum Beispiel Bluthochdruck, Herzbeschwerden oder Magengeschwüre auftreten. Zuviel Stress ist schlecht für die Gesundheit. „Bei der Meditation lernt man aufmerksamer zu sein, wann es Zeit für eine Pause wird“, sagt sie. Den Grundgedanken des Meditierens, Ereignisse erst einmal ohne Wertung zu betrachten, kann man dann in den Alltag mitnehmen und den Stress etwas beiseitelassen.

Yoga für den Rücken

Aber auch der Körper profitiert von den Übungen. Das zeigen ebenfalls Studien wie die von Karen Sherman von der Universität Washington in Seattle. Sherman hat Menschen mit chronischen Rückenschmerzen Yoga machen lassen. Die Teilnehmer hatten weniger Schmerzen und konnten sich wieder besser bewegen.

Aber nur, wenn man es richtig macht. Viele müssen nach der Stunde auf der Matte erst mal zum Arzt. Die amerikanische Vereinigung der Yogalehrenden, The International Association of Yoga Therapists (IAYT), hat in einer Studie herausgefunden, dass vor allem falscher Ehrgeiz der Teilnehmer zu vermehrten Verletzungen führt. Hauptsächlich betroffen sind Nacken, Schultern, unterer Rücken, Knie und Handgelenke. „Wenn die Anleitung des Trainers nicht ideal erfolgt und die Selbsteinschätzung noch nicht möglich ist, werden beim Yoga Sehnen und Gelenke überdehnt“, sagt Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln.

Gefährdet sind beim Yoga also gerade die Körperregionen, denen man etwas Gutes tun will wie Rücken oder Schultern. „Wer Yoga machen will, sollte vorher mit dem Arzt abklären, was man machen darf“, sagt auch Bernd Kladny von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie. Denn bei jeder Bewegungstherapie müssten die körperlichen Beschwerden und Probleme berücksichtigt werden. „Bei Gelenkerkrankungen wie Arthrose oder entzündlich-rheumatischen Veränderungen kann es bei falscher Belastung zur Reizzuständen kommen“, sagt der Orthopäde.

Lindert Yoga nun Rückenschmerzen?

Auf die Frage, ob Yoga eine Möglichkeit sei, Rückenschmerzen zu lindern, antwortet der Orthopäde zurückhaltend: „Es gibt keine klaren Hinweise, dass Yoga Rückenschmerzen besser hilft als andere Arten der Bewegungstherapie wie Laufen oder Krafttraining.“ Wichtig sei es, sich überhaupt zu bewegen, und Yoga könne eine gute Möglichkeit sein, Rückenbeschwerden zu minimieren.

Yoga nur als Ersatz zur Rückenschule auszuüben, davon hält Veronika Kergaßner wenig. „Es ist ein Problem, dass Yoga in die Fitnessecke gesteckt wird“, sagt sie. Das Wesentliche des Yoga bleibe dabei auf der Strecke. Sie hat aufgehört, in Fitnessstudios Yoga zu unterrichten. Wie soll man sich konzentrieren, wenn im Nebenraum die Bässe dröhnen? „Bei den Kursen ist die Tendenz unter den Teilnehmern noch größer, sich untereinander zu vergleichen. Die Gefahr, sich dann zu überlasten und zu verletzen, ist groß“, sagt Kergaßner. Ähnliche Gefahren sieht sie auch in Büchern oder Anleitungen aus Zeitschriften. „Nur wer sich gut kennt und ein gutes Körpergefühl hat, kann auch so trainieren.“ Leider sei dieses Körpergefühl bei den meisten Menschen nicht gut entwickelt, und sie überschätzen sich schnell. So kann Yoga dem Rücken sogar schaden.

Am Ende der Yogastunde kann man erahnen, was es bedeutet, wenn man spürt, wo der Rücken zwickt und die Schultern verspannt sind. Dafür sind keine akrobatischen Übungen notwendig; konzentriertes Kreisen der Schultern hilft auch. Veronika Kergaßner verzichtet auf Übungen, bei denen die Verletzungsgefahr groß ist. Sie zeigt lieber Übungen, die man im Büro machen kann, um so zum Beispiel Kopfschmerzen zu lindern. „Den Kopf langsam nach rechts drehen, aber nur so weit, wie es angenehm ist. Dann mit den Augen nach links schauen, halten und die Seite wechseln“, sagt sie.