Wieviel Philip von seiner Umgebung registriert, wisse niemand, sagen seine Eltern Miroslaw und Anita Ilic Foto: Gottfried Stoppel

Der neunjährige Philip Ilic aus Schorndorf leidet unter der seltenen und unheilbaren Erbkrankheit X-ALD. Seine Eltern benötigen finanzielle Hilfe, um ein rollstuhlgeeignetes Auto anschaffen zu können.

Schorndorf - Philip hat eine gesunde Farbe. „Wir gehen oft mit ihm raus, weil das früher sein Leben war“, sagt Miroslaw Ilic, sein Vater. Dabei ist es gerade einmal anderthalb Jahre her, seit Miroslaw und Anita Ilic erfahren haben, dass ihr Sohn an der Erbkrankheit Adrenoleukodystrophie (X-ALD) leidet.

Eigentlich wollten sie damals nur abklären lassen, woher Philips Kopfschmerzen stammen. Im Januar 2013 hatte er einen so starken Migräneanfall, dass er sich zwei Tage nicht rühren konnte. „Daraufhin haben wir eine MRT machen lassen“, erzählt Miroslaw Ilic. Auf dieser war ein Schatten im Gehirn zu sehen. In der Uniklinik Tübingen stellte sich heraus, dass Philip an der Krankheit X-ALD leidet. Sein Körper kann die körpereigenen langkettigen Fettsäuren nicht abbauen. Diese werden im Gehirn und in den Nebennieren abgelagert. Die Folgen sind ein neurologischer Verfall und ein allmählicher Verlust aller lebenswichtigen Körperfunktionen.

„Der Arzt hat uns gesagt, dass es keine Heilung gibt, sondern nur einen Therapieversuch, der einen Stillstand bringen kann. Dann hat er uns noch gesagt, dass unsere beiden anderen Söhne die Krankheit zu 50 Prozent ebenfalls haben können. Das hat uns vollends fertig gemacht“, sagt Miroslaw Ilic. Zum großen Glück sind der vierjährige Jona und der siebenjährige David aber gesund. David hat seinem älteren Bruder im Mai nach einer Hochdosis-Chemotherapie dann auch Knochenmark gespendet. Durch diese Maßnahme sollte die Krankheit aufgehalten werden. „Wir haben aber schon ein paar Wochen später gemerkt, dass es nicht hilft. Er hat sich seine Quartettkarten beim Spielen ganz dicht vor die Augen gehoben, weil er diese sonst nicht richtig gesehen hat“, sagt Miroslaw Ilic. Zwar ist es bei dieser Therapie oft so, dass sich der Zustand erst verschlechtert und dann stabilisiert. Doch Philip war dies nicht vergönnt. „Eine Mitarbeiterin des sozialen Dienstes in Tübingen hat zu uns gesagt, dass sie in 23 Jahren keinen so schnellen Verlauf erlebt hat.“

Behördengänge belasten zusätzlich

Miroslaw und Anita Ilic bemerken fast täglich, wie der Verfall voranschreitet. Philip liegt auf dem Sofa und blickt ins Nichts. Er kann nichts mehr sehen, fast nichts mehr hören, nicht mehr stehen, nicht mehr laufen. Er leidet an spastischen Muskelkrämpfen, alle zwei bis drei Wochen müssen die Medikamente neu eingestellt werden, damit die Schmerzen nicht zu groß werden. Wie viel er noch mitbekommt, weiß keiner. „Vor kurzem waren wir im Bädle, und er hat vier Stunden am Stück gelacht. Irgendwie scheint er schon auch glücklich sein zu können“, sagt Anita Ilic. An diesem Nachmittag kommt auch Oliver Cillessen von der Orthopädietechnik Krüger zu Besuch und kitzelt ihn am Fuß. Philip lächelt breit. „Er erkennt, wer ihm helfen möchte“, sagt Miroslaw Ilic.

Den 37-jährigen Verkehrssicherungstechniker haben die Erlebnisse der vergangenen Monate fast umgeworfen. Ganz von der Belastung abgesehen, ein todkrankes Kind daheim zu haben, war es der Ärger mit Ärzten, der Krankenkasse und den Behörden. Es war schwierig, einen Behindertenausweis zu bekommen, es habe zu lange gedauert, bis Hilfsmittel wie Toilettensitz, Rollstuhl und anderes da waren. „Zum Glück trifft man dann doch immer wieder Menschen, die einfach helfen“, sagt Ilic. So wie Oliver Cillessen, der Hilfsmittel unentgeltlich bereitgestellt hat, auch ohne Genehmigung der Krankenkasse. Oder der Ortsvorsteher Klaus Beck, der sich dafür eingesetzt hat, dass Kindergarten- und Kernzeitbetreuungsgebühren während der vierwöchigen Familien-Reha auf Sylt wieder zurückgezahlt wurden.

„Sehr geholfen hat uns der Aufenthalt in einem Kinderhospiz im Allgäu. Dort haben wir mit einer Palliativmedizinerin und einer Familie mit einem ähnlichen Schicksal gesprochen. Danach war unser Weg klar“, erzählt Miroslaw Ilic. Die Familie hat sich mittlerweile ein Netzwerk in ihrer Umgebung aufgebaut. Betreuer des Kinderhospizdienstes Sternentraum kommen zweimal in der Woche und beschäftigen sich mit Philip. Mit Ulrich Bernbeck, Oberarzt an der Klinik in Winnenden, haben sie Dinge wie eine Patientenverfügung für Philip besprochen.

Was jetzt noch fehlt, ist ein geeignetes Auto, damit Anita Ilic mit den Kindern Besorgungen erledigen oder Ausflüge unternehmen kann, auch wenn ihr Mann arbeitet. Zwischen 15 000 und 20 000 Euro kostet ein Gefährt mit einer Rollstuhlrampe. Das ist viel Geld für die Familie. „Deswegen haben wir einen Spendenaufruf gestartet“, sagt Miroslaw Ilic. Freunde organisieren zudem ein Kinderfest, um die Familie zu unterstützen. „Auch über Facebook läuft total viel.“

Ein ganz großer Wunsch der Familie ging am vergangenen Samstag in Erfüllung. Es ging nach Italien in den Campingurlaub, finanziert vom Verein Herzenswünsche. Mit dem Arzt hat die gelernte Krankenschwester Anita Ilic genau besprochen, welche Medikamente notfalls in welcher Dosis gegeben werden können. „Philip kann nichts mehr verlieren, er kann durch den Urlaub nur gewinnen“, sagt Miroslaw Ilic.