Bei einem minimalinvasiven Eingriff bleibt der Bauch fast makellos Foto: AP

Jeder Zehnte leidet irgendwann an Blinddarmentzündung - Mit Schlüssellochchirurgie schnell fit.

Stuttgart - Ein kleiner Zipfel am Dickdarm kann zu einer schmerzhaften Sache werden. Beinahe jeder zehnte Westeuropäer wird dort irgendwann eine Entzündung bekommen. Dann muss der Wurmfortsatz meist raus - was die Blinddarmoperation zu einem der häufigsten Eingriffe überhaupt macht.

Der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) ist, wie der Name schon sagt, eine wurmförmige Ausstülpung am Anfang des Dickdarms. Der Dickdarm heißt an dieser Stelle Blinddarm und liegt im rechten Unterbauch. Ist von einer Blinddarmentzündung die Rede, dann ist in der Regel die Entzündung des Wurmfortsatzes gemeint - Mediziner sprechen in einem solchen Fall von einer Appendizitis.

Um das kleine Stück Darm ranken sich viele Fragen: Wann muss der Wurmfortsatz entfernt werden? Wie kündigt sich die Blinddarmentzündung an? Gibt es eine Vorbeugung, und: Warum hat man ihn überhaupt? Obwohl die Blinddarmentzündung so häufig auftritt, gibt es keine allgemeingültigen Erkennungsmerkmale, die für jeden Patienten gültig sind. "Ich kenne den Fall eines 14-jährigen Jungen, der sogar mit einem Blinddarmdurchbruch noch Fußball spielte und dann mit hohem Fieber ins Krankenhaus zur Operation kam", erinnert sich Professor Ludger Staib, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) am Klinikum Esslingen.

Blinddarmentzündung - häufigste Erkrankung im Bauchraum

Die Blinddarmentzündung ist die häufigste Erkrankung im Bauchraum. Sie tritt bevorzugt zwischen dem zehnten und 30. Lebensjahr auf. Ältere Kinder und Jugendliche sowie Schwangere sind besonders häufig davon betroffen. Kleinkinder und alte Menschen erkranken hingegen selten. Etwa die Hälfte aller plötzlich auftretenden ernsten Erkrankungen der Bauchhöhle (akutes Abdomen) werden durch eine Blinddarmentzündung verursacht.

Es gibt heute zahlreiche Untersuchungen zur Funktion des Wurmfortsatzes. "Den Blinddarm braucht man vermutlich nur in der frühen Kindheit, da es in dem Organ immunaktive Zellen gibt, die bei der Bildung des körpereigenen Abwehrsystems helfen", erklärt Staib. Doch selbst nach seiner Entfernung in jungen Jahren entwickelt der Mensch ein völlig normales Immunsystem.

Trotzdem sollte der Wurmfortsatz nicht ohne Grund entfernt werden. Warum auch, bei dem überwiegenden Teil der Menschheit bleibt der Appendix lebenslang ein friedlicher Mitbewohner des Körpers. Wenn er jedoch Beschwerden macht, ist meist Eile geboten. Typischerweise entwickeln sich bei Betroffenen dann Unwohlsein, Übelkeit und Schmerzen, die von der Magengegend binnen weniger Stunden in den rechten Unterbauch wandern. Weitere Anzeichen können Mattigkeit, Appetitlosigkeit und Erbrechen sein. "Dies sind klassische Zeichen einer Blinddarmentzündung. Allerdings gibt es, bedingt durch die zahlreichen Lagevariationen des Blinddarms, auch ganz untypische Verläufe", weiß Experte Staib.

Ein Kirschkern ist selten der Auslöser

So gibt es Fälle, in denen der Blinddarm nicht wie im Lehrbuch im rechten Unterbauch, sondern in der linken Körperhälfte liegt. Dies und die Tatsache, dass es keine Früherkennung gibt, machen es den behandelnden Ärzten nicht einfach. "Die Grenzen zwischen einer nicht operationsbedürftigen Blinddarmreizung und einer operationsbedürftigen Blinddarmentzündung sind fließend. Es bedarf großer Erfahrung, die richtige Diagnose zu stellen und rechtzeitig zu handeln", sagt Experte Staib.

Als typische Ursachen einer Blinddarmentzündung gilt ein Kotstau im Bereich des Wurmfortsatzes oder ein Knick im Blinddarm - selten wegen einer Verstopfung durch einen Kirschstein, noch seltener durch die Kerne von Weintrauben oder Melonen. Manchmal sorgen auch Würmer oder Wurmeier dafür, dass sich der Blinddarm verengt und nicht mehr entleert wird. In ganz seltenen Fällen führen allerdings auch kleinere Tumore zu ähnlichen Symptomen wie bei einer Blinddarmentzündung.

"In der Regel läuft folgender Mechanismus ab: Erst kommt es zu einer mangelnden Entleerung des Stuhls aus dem Wurmfortsatz mit Stauung des Stuhls. Dann die Entzündung der Wand, die Durchwanderung der Wand durch Bakterien und letztlich die Auflösung der Wand und das Austreten von Darminhalt. In diesem Fall sprechen wir von einem Blinddarmdurchbruch", erklärt Staib. Fatalerweise lassen die Schmerzen dann nach. Der Betroffene glaubt, das Schlimmste sei überstanden. Allerdings geht Eiter aus dem Wurmfortsatz in den Bauchraum über und verursacht dort eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung.

Kleine Narben durch Schlüssellochchirurgie

Wird eine Blinddarmentzündung erkannt, operieren Experten heute konventionell in offener Technik durch einen wenige Zentimeter langen Schnitt im rechten Unterbauch. In 70 bis 80 Prozent der Fälle wird heute jedoch eine minimalinvasive Technik angewandt, die Schlüssellochchirurgie. "Wenn der Blinddarm bereits durchgebrochen ist und eine Bauchhöhleninfektion vorliegt, muss der Bauchraum jedoch komplett geöffnet werden", erklärt Staib.

Bei der Standardblinddarmentfernung mit der offenen Technik bleibt dem Patienten eine etwa acht Zentimeter lange und später meist kaum sichtbare Narbe im rechten Unterbauch zurück. Bei der Schlüssellochtechnik erinnern zwischen einer und drei Narben mit rund einem Zentimeter Länge in der Nabelgegend an den Eingriff. Die Operation selbst dauert meist nicht länger als eine Stunde.

Die Patienten müssen zwischen drei und fünf Tage im Krankenhaus bleiben, je nach Ausmaß der Blinddarmentzündung. Nach zehn bis 14 Tagen können die Betroffenen wieder zur Arbeit gehen. Leichte Bürotätigkeiten sind nach einem unkomplizierten Eingriff bereits nach wenigen Tagen möglich. "Doch auch wenn eine Blinddarmentzündung fast überstanden ist, darf man nie vergessen, dass sie unbehandelt eine lebensgefährliche Erkrankung ist", mahnt Ludger Staib.