Die Komikerin Hannah Gadsby wollte hinschmeißen – und wurde dadurch berühmt. Foto: Netflix

Vor ein paar Wochen kannte Hannah Gadsby außerhalb von Australien kaum jemand. Durch einen Live-Mitschnitt ihrer grimmigen Abschiedsvorstellung bei Netflix hat sich das geändert. Und jetzt: Aufhören? Oder weitermachen?

Sydney - Den letzten Auftritt mit „Nanette“ hat Hannah Gadsby gerade hinter sich. Im „Olympia“, einer Konzerthalle im kanadischen Montreal, war die Australierin Ende Juli noch einmal mit ihrem Comedy-Programm zu sehen, das sie nach einer Kneipenbekanntschaft, Nanette eben, benannt hat. Es war wie die 200 Male zuvor - die erste halbe Stunde Gelächter und dann: Schluss mit lustig. Nur, dass die meisten Leute im Publikum die einst überraschende Wende jetzt schon erwarteten.

Aus der 40-Jährigen, die außerhalb von Australien lange kaum jemand kannte, ist eine große Nummer der internationalen Comedy geworden. Und zwar dadurch, dass seit Juni ein Live-Mitschnitt des Programms „Nanette“ beim Streamingdienst Netflix zu sehen ist. Seitdem jubeln alle, vom Frauenmagazin Cosmopolitan“ bis hin zur „New York Times“. Das deutsche „Zeit-Magazin“ stellte fest, dass es sich um das „beste Stand-Up-Programm aller Zeiten“ handele.

Besser als Mörderin

Dabei beginnt der Abend - mitgeschnitten 2017 in der Sydney-Oper - ziemlich gewöhnlich. Auftritt Frau in blauem Anzug, kurze Haare, Nerd-Brille. Ansonsten stehen auf der Bühne nur noch ein Hocker, ein Mikrofonständer, ein Glas Wasser. Dann beginnt Gadsby von ihrer Heimat Tasmanien zu erzählen, der Insel rechts unten vom australischen Kontinent, wo die Leute in der Regel noch etwas konservativer sind als auf dem Festland.

Wie das war, in Tasmanien aufzuwachsen und zu merken, dass man „etwas lesbisch“ sei, was dort bis 1997 noch von Gesetz wegen verboten war. Wie die Mutter bei Hannahs Coming-Out meinte, dass sie das doch auch hätte für sich behalten können. Aber immer noch besser als Mörderin.

Oder die Geschichte nachts an der Tankstelle. Gadsby war 17, sah damals schon nicht besonders weiblich aus, und redete mit einer Frau, bis deren Freund dazukam. „Er dachte, wir flirten. Stimmte auch.“ Der Kerl stieß sie weg. „Hau ab von meiner Freundin!“ Diese: „Hör auf, sie ist ein Mädchen!“ Er: „Oh, tut mir leid. Ich schlage keine Frauen. Dachte, du bist eine Schwuchtel, die meine Freundin anmacht.“ Großes Gelächter im Saal.

Leider keine Medizin

Doch in der Mitte des Programms kippt die Stimmung. Gadsby hört auf damit, Witze auf eigene Kosten zu machen. Die Stimmung wird dunkler. Sie fängt an zu erklären, welche Schwierigkeiten sie inzwischen mit dieser Art von Humor hat, mit dem Dauerzustand als Lachnummer in der Opferrolle. An einer Stelle sagt sie: „Lachen ist keine Medizin. Lachen ist nur der Honig, der die die bittere Medizin etwas süßer macht.“

Recht bald mündet das in der Feststellung: „Ich denke, ich muss meine Comedy-Karriere beenden.“ Den Satz sagt sie dann so oft wie keinen anderen. Und erzählt auch, wie spaßfrei die eine oder andere Geschichte weiterging. Der Kerl an der Bushaltestelle zum Beispiel schlug sie dann doch. „Ich hab’s kapiert, du bist eine weibliche Schwuchtel! Ich werd’ die Scheiße aus Dir rausprügeln.“ Was er dann auch tat.

Gadsby berichtet etwas später auch, wie sie missbraucht wurde. Spätestens an dieser Stelle lacht im Publikum niemand mehr. Es gibt Leute, die weinen. Die meisten sitzen nur noch still. Und die Frau auf der Bühne lässt ihren Zorn immer mehr heraus. „Donald Trump, Pablo Picasso, Harvey Weinstein, Bill Cosby, Woody Allen, Roman Polanski - diese Männer sind nicht die Ausnahme, sie sind die Regel.“

Idiotin oder Heuchlerin?

Irgendwann erinnert man sich an den Satz, der über Komiker häufiger gesagt wird: Dass die meisten Leute, die überdurchschnittlich witzig sind, irgendwann in ihrem Leben eine ganze Zeitlang unterdurchschnittlich glücklich waren. Dazu passen auch Vor- und Abspann des Netflix-Films, wenn Gadsby in ihrer Wohnung in Melbourne zu sehen ist, beim Tee kochen und auf der Couch mit ihren Hunden. Aber glücklich ist anders.

Und jetzt? Aufhören, wie gesagt, trotz des enormen Erfolgs? Oder weitermachen? Lange Zeit ließ Gadsby die Leute im Ungewissen. „Ich habe das Programm geschrieben, weil ich echt genug hatte“, erzählte sie kürzlich in einer der amerikanischen Talkshows. „Ich habe gedacht, dass das zwölf Auftritte werden und ich dann gehen muss. Und nicht, dass das bei Netflix landet und jeder es sehen will. Wenn ich jetzt aufhöre, bin ich eine Idiotin.“

Und dann gab sie bekannt, dass sie weitermachen wird, allen Ankündigungen zum Trotz. Die Art, wie sie das tat, war typisch Gadsby. „Jetzt habe ich nur noch die Wahl, ob ich eine Idiotin bin oder eine Heuchlerin. Dann bin ich lieber eine Heuchlerin.“ Im Publikum: Applaus und großes Gelächter.