Wolken über Wüstenrot: Bausparer kämpfen erfolgreich gegen Gebühren Foto: factum/Archiv

Die Bausparkasse Wüstenrot akzeptiert die Rückzahlungsforderung einer Erbengemeinschaft. Die Bausparkasse ist dadurch möglicherweise einem Urteil zuvorgekommen, dass die Branche in Unruhe versetzt hätte.

Ludwigsburg - Für den unbedarften Betrachter sieht dieses Stück Papier ziemlich unspektakulär aus: Ein „Anerkenntnisurteil“ hat das Oberlandesgericht Stuttgart im April „wegen (einer) Forderung“ verkündet. Bei näherer Betrachtung birgt dieser Richterspruch allerdings viel Brisanz: Es könnte all jenen Bausparern Mut machen, die sich seit Jahren vehement dagegen wehren, dass die Bausparkassen neben Zinsen und einer Abschlussgebühr auch eine Darlehensgebühr erheben.

Eine Erbengemeinschaft hatte gegen die in Ludwigsburg ansässige Bausparkasse Wüstenrot geklagt und zunächst beim Landgericht Stuttgart verloren. Doch in der Berufung zeigten die Richter des Oberlandesgerichts wenig Verständnis für die Argumente der Bausparkasse. Schließlich zog Wüstenrot die Reißleine, akzeptierte die Forderungen von rund 17 000 Euro und kam für Anwalts- und Gerichtskosten auf. In einem Richterspruch wären sonst öffentlich womöglich die Argumente der Bausparkassen zerpflückt worden.

Richter sehen Gebühr als zusätzliche Einnahme

Der Anwalt der Kläger, Philipp Banjari aus Köln, erläutert auf Anfrage, dass seine Mandanten womöglich davon profitiert haben, dass sie über eine hohe Bausparsumme stritten. So war die erste Instanz bereits das Landgericht Stuttgart. Dort fielen die meisten Urteile zu Gunsten der Bausparkassen aus. Das Oberlandesgericht, konkret: der 9. Zivilsenat, erlaubte sich aber laut Beobachtern eine eigene Sichtweise.

Insbesondere das Argument von Wüstenrot, dass die Darlehensgebühr notwendig sei, weil das Geld wieder in den großen Topf der auszuzahlenden Bausparverträge fließe, überzeugte die Richter nicht. Die Darlehensgebühr diene ihrer Ansicht nach nicht der Gesamtheit der Bausparer, sondern sei schlicht ein zusätzlicher Ertrag für die Kreditinstitute, nicht mehr und nicht weniger, ließen die Richter durchblicken. Eine Einschätzung, der offenbar auch die Wüstenrot-Anwälte später zustimmten.

Flut von Klagen gegen Wüstenrot am Amtsgericht

Das Urteil ist insbesondere deshalb bedeutend, weil das OLG die bisher höchste Instanz ist, die dazu Recht gesprochen hat. Das Amtsgericht Ludwigsburg war jüngst wegen des Wüstenrot-Firmensitzes mit einer Flut von Klagen konfrontiert worden. Und es gab dort vergleichsweise viele Richter, die den Bausparern Recht gaben. In diesen Urteilen werden meist zwei kritische Fragen aufgeworfen: Welcher Gegenwert rechtfertigt überhaupt die Darlehensgebühr? Und: wie lässt sich bei einem Kreditinstitut überhaupt eine Gebühr rechtfertigen, die – anders als Zinsen – völlig unabhängig von der Laufzeit erhoben wird?

Erhoben wird die Darlehensgebühr von praktisch allen Bausparkassen, manche nennen sie inzwischen „Agio“. Für die Kreditinstitute sind die Gebühren ein wichtiger Posten. Pro Bausparvertrag geht es meist um mehrere tausend Euro, in der Summe um etliche Millionen Euro, die die Bausparkassen ungern zurückzahlen möchten. Beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe sind laut einer Sprecherin aktuell 22 Revisionsverfahren gegen Bausparkassen anhängig. Konkrete Verhandlungstermine gebe es noch nicht.

Bausparkasse hält Gebühren grundsätzlich für rechtens

Immo Dehnert, Sprecher von Wüstenrot, will sich nicht detailliert zum Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart äußern. Sein Unternehmen habe das Urteil „aufgrund von prozessökonomischen Gründen“ akzeptiert, teilt er mit. Eine Aussage, hinter der man ein Fragezeichen setzen kann: Was ist daran sparsam, wenn die Bausparkasse erst in zweiter Instanz und dann noch erst am Ende der Verhandlung einlenkt – und sogar die vollen Prozesskosten übernimmt? Ohnehin sehe die Bausparkasse „hierin keine Bedeutung für die grundsätzliche Rechtsgültigkeit der Bauspar-Darlehensgebühr“, die sie weiterhin für zulässig halte. Nach Ansicht von Wüstenrot steht der Darlehensgebühr ein konkreter Nutzen für die Bausparer gegenüber. Dazu zähle etwa ein fester, meist günstiger Zinssatz; zudem gebe es die Möglichkeit, das Darlehen jederzeit ohne Zusatzkosten zurückzuzahlen.

Dieses Argument wurde von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wiederholt in Zweifel gezogen. Bei einem Kredit, so die Kritik, müsse nur derjenige einen Aufpreis bezahlen, der auch wirklich früher alles zurückzahle. Beim Bausparvertrag würden hingegen auch jene Sparer zur Kasse gebeten, die über die volle Laufzeit den Kredit abstottern.