Unternehmen wollen immer mehr Sparer aus Altverträgen drängen, für die sie hohe Zinsen zahlen müssen Foto: dpa

Vorsicht, Kleingedrucktes. Das gilt besonders bei Bausparverträgen. Denn in ihrer Not werden Bausparkassen immer erfinderischer, um Kunden aus gut verzinsten Verträgen zu drängen. Bei den Verbraucherzentralen stapeln sich die Fälle von verärgerten Bausparern.

Stuttgart - Inzwischen nerven die Anrufe. Konrad F. (Name geändert) muss seinen Berater von der Bausparkasse im Wochenrhythmus abwehren. Dieser versucht ihn zu überreden, dass er seinen Rendite-Tarif kündigt. Der Grund: Konrad F. nimmt kein Bauspardarlehen in Anspruch, sondern kassiert nur noch die hohen Sparzinsen. Zwei Prozent Guthabenzins, und am Ende winkt bei Darlehensverzicht ein Bonus von drei Prozent, der rückwirkend über die gesamte Laufzeit gezahlt wird. Konditionen, wie sie heute nicht zu bekommen sind, wo es für Tagesgeld oft weniger als ein Prozent gibt.

Dabei wollte Konrad F. von Anfang an nur einen Sparvertrag. Das hat er bei Vertragsabschluss in den 90er Jahren auch nicht verhehlt. Für den Berater war das damals kein Problem. Er habe den Bausparvertrag der Leonberger Bausparkasse angepriesen – als gute Anlagemöglichkeit mit attraktiven Zinsen, sagt der heute 58-Jährige.

Auch Frida Z. (Name geändert) sitzt auf einem Altvertrag. Die Wüstenrot Bausparkasse zahlt in bestimmten Tarifen noch 2,5 Prozent Sparzins und 2,0 Prozent Bonus bei Darlehensverzicht. Ende Juli fragte die Bausparkasse an, wie sie ihren Vertrag einsetzen wolle. Die Bausparsumme – Guthaben und Darlehen – von knapp 20 500 Euro stünden bereit. „Selbstverständlich können Sie Ihren Bausparvertrag auch bestehen lassen“, schrieb die Bausparkasse. Umso überraschter war Frida Z., als ihr zwei Wochen später die Kündigung Ihres Bausparvertrags zum 30. November 2013 ins Haus flatterte.

Darf eine Bausparkasse den Vertrag kündigen?

Zwei Fälle von Zigtausenden. Jetzt in der Niedrigzinsphase wollen die Bausparkassen von solchen Hochzinstarifen nichts mehr wissen. Die Bausparkassen sind von zwei Seiten unter Druck geraten. Sie müssen noch hohe Zinsen für die Guthaben aus alten Verträgen zahlen und können dies nicht durch hohe Darlehenszinsen ausgleichen, weil Kunden auf diese teuren Kredite verzichten und lieber zu günstigeren Hypothekendarlehen greifen. In diesen Wochen hat Wüstenrot 15 100 solcher Rendite-Tarife gekündigt. Versuche, Kunden aus lukrativen Altverträgen zu drängen, gibt es querbeet bei vielen Anbietern. Die Verbraucherzentralen haben Fälle von Aachener Bausparkasse, Schwäbisch Hall, BHW, Landesbausparkassen und anderen auf dem Tisch. „Die Bausparkassen fallen derzeit mit vielen facettenreichen Methoden auf, um teure Altverträge loszuwerden, und nicht alle sind rechtens“ , sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Viele Kunden fragen sich: Darf eine Bausparkasse den Vertrag kündigen? Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle ist dies rechtens, wenn ein Bausparvertrag vom Kunden überspart wurde. Das ist der Fall, wenn das Bausparguthaben die Bausparsumme erreicht oder übersteigt (AZ: 3 U 257/2009). Dann, so entschieden die Richter, entfällt der eigentliche Zweck des Bausparens: ein Darlehen zu erhalten. Der Darlehensanspruch errechnet sich aus der vereinbarten Bausparsumme abzüglich des angesparten Guthabens. Ist die Bausparsumme erreicht, entfällt der Anspruch.

Im Fall von Frida Z. hat die Bausparkasse zum Guthaben die möglichen Bonuszinsen hinzugerechnet. Nur dadurch übersteigt das Guthaben die Bausparsumme. Nun argumentiert die Kundin, dass sie immer noch auf den Zinsbonus verzichten und sich für ein, wenn auch kleines, Darlehen entscheiden könne. Aus diesem Grund würden die Bonuszinsen auch auf einem Extra-Konto geführt und dürften nicht dem Guthaben hinzugerechnet werden. Somit gebe es keinen Kündigungsgrund. Wüstenrot verweist auf ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (AZ: 32 C 1782/12 ), das in so einem Fall zugunsten der Bausparkasse entschieden habe. Die Bausparkasse sieht sich im Recht. Die Vorgehensweise, übersparte Bausparverträge zu kündigen, sei „branchenüblich“. Angesichts des derzeitigen Niedrigzinsniveaus sei es für eine Bausparkasse „legitim und geschäftlich notwendig, eine Übersparung von Bausparverträgen abzuwehren“. Und als überspart gelten, so Wüstenrot, Verträge, bei denen die Summe von Bausparguthaben und Zinsbonus die Bausparsumme übersteigt.

Wie so oft kommt es aufs Kleingedruckte an

Nauhauser sieht das Verhalten von Wüstenrot kritisch. Das Urteil lasse sich nicht einfach übertragen. Es handle sich um einen Einzelfall, der nur die Bedingungen eines bestimmten Bauspartarifs verhandelt habe. „Es ist auch nur ein Amtsgerichtsurteil und keine höchstrichterliche Entscheidung“, sagt Nauhauser. Das Urteil könne in der nächsten Instanz kassiert werden. Wie so oft kommt es aufs Kleingedruckte an. Maßgeblich seien die Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB), die bei Vertragsabschluss dem Kunden ausgehändigt werden. In den ABB steht, ob die Bonuszinsen wie Guthaben behandelt werden und den Darlehensanspruch verringern. In den einzelnen Tarifen sei das unterschiedlich geregelt.

Bei der Aachener Bausparkasse hatte sich die Verbraucherzentrale erfolgreich für Kunden eingeschaltet. Auch hier habe das Institut den erst bei Vertragsende fälligen Zinsbonus dem Bausparguthaben zugerechnet und gekündigt mit dem Argument, dass kein Darlehensanspruch mehr bestehe, berichtet Nauhauser. Inzwischen sei die Bausparkasse davon abgerückt und will von dieser Praxis „bis auf weiteres“ absehen, so Nauhauser.

Für fragwürdig hält der Verbraucherschützer auch das Vorgehen der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Dort heißt der Bonus Treueprämie und fällt an, wenn der Kunde auf das Darlehen verzichtet. Die Bausparkasse zahlt ihren Kunden die Treueprämie aber nicht, wenn das Bausparguthaben die Bausparsumme erreicht hat, ein Anspruch auf ein Darlehen also nicht mehr besteht. Die Kunden werden angeschrieben, dass die Treueprämie in diesem Fall verloren geht. Das Unternehmen sieht sich auf der sicheren Seite, wie ein Sprecher sagt. Nauhauser rät dennoch, mit anwaltlicher Unterstützung zu widersprechen.

Damit das Erreichen der Bausparsumme hinausgezögert wird, sind etliche Kunden dazu übergegangen, ihre Einzahlungen zu drosseln oder auszusetzen. Eine Bausparkasse fordert ihre Kunden nun auf, die Regelsparbeiträge für die vergangenen zwölf Monate innerhalb weniger Wochen nachzuzahlen. Geschehe dies nicht, drohe die Kündigung. Bei der Verbraucherzentrale Sachsen liegen solche Fälle der LBS Ost auf dem Tisch. Die LBS beruft sich auf ihre Vertragsbedingungen. Die Verbraucherzentrale rät zu prüfen, ob diese Klausel bereits bei Vertragsabschluss wirksam war.

Wüstenrot schreibt derweil Kunden mit höherverzinslichen Verträgen an und teilt ihnen mit, dass keine Sparbeiträge mehr angenommen werden, sobald – je nach Vertrag – mindestens 40 oder 50 Prozent der Bausparsumme angespart sind und Anspruch auf ein Darlehen besteht. „Wüstenrot will, dass nicht noch mehr zu diesen Konditionen angelegt wird“, sagt Nauhauser. „Man hat den Kunden den Vertrag als Sparprodukt mit attraktivem Guthabenzins verkauft und sollte jetzt nicht im Kleingedruckten nach Ausflüchten suchen.“