„ 50 Jahre nach seinem Tod wird Fritz Bauers Arbeit gewürdigt. Foto: dpa

Vor 50 Jahren starb der bedeutende Jurist und Initator der Auschwitz-Prozesse, Fritz Bauer. Bundespräsident Steinmeier spricht in Frankfurt nun zu Ehren des Mannes, ohne den es den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess nie gegeben hätte.

Frankfurt - Die größte Auszeichnung für sein Lebenswerk wird Fritz Bauererst 50 Jahre nach seinem Tod zuteil: Am 16. Mai 2018 wurde im Frankfurter Haus Gallus feierlich die Urkunde über die Aufnahme der Schrift- und Tondokumente des 1963 bis 1965 in ebenjenem Saal geführten Auschwitz-Prozesses ins Weltdokumentenerbe der Unesco überreicht. In dem Prozess standen sich erstmals Überlebende der Konzentrationslager als Zeugen und ihre Peiniger der Todesmaschinerie auf der Anklagebank gegenüber. Der Prozess 18 Jahre nach Kriegsende galt als Beginn der deutschen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Und ohne Fritz Bauer hätte es dieses Verfahren nicht gegeben.

Der damalige Frankfurter Generalstaatsanwalt hatte viele Widerstände in Staat und Justiz zu überwinden, um den Prozess in Gang zu setzen. Wie der engagierte Jurist und Sohn jüdischer Eltern überhaupt sein ganzes Leben lang kämpfen musste. Erst ums Überleben als Verfolgter des Nazi-Regimes und dann für seine Ideale. Das wichtigste davon steht in Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Auf Geheiß Bauers wurde der Satz groß an den Fassaden der Justizgebäude in Braunschweig und Frankfurt am Main angebracht, wo der gebürtige Schwabe mit der großen Hornbrille jahrelang als Richter oder Generalstaatsanwalt arbeitete. Wie eine beständige Mahnung prangt die Maxime der Verfassung noch heute an beiden Häusern.

Heute ist sein Wirken unumstritten

Mit Fritz Bauer werden sie die meisten Besucher der dortigen Gerichtssäle und Justizbüros nicht mehr in Verbindung bringen. Doch ist das Wirken des Mannes, der in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 in seiner Wohnung im Frankfurter Westend starb, ist heute im Gegensatz zu seinen Lebzeiten nicht mehr umstritten. Am Sonntag spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein Grußwort bei der Gedenkveranstaltung zu seinen Ehren in der Frankfurter Paulskirche. Und das nach ihm benannte Fritz-Bauer-Institut in derselben Stadt arbeitet in seinem Sinn weiter.

Am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren, wird er nach dem Jura-Studium in Heidelberg und Tübingen schon mit 27 in seiner Geburtsstadt zum landesweit jüngsten Amtsrichter ernannt. Dass Bauer schon damals dem Gedanken der Resozialisierung statt Vergeltung anhängt, zeigt eine aus dieser Zeit überlieferte Anekdote: Er lädt einen gerade verurteilten Dieb demonstrativ in eines der besten Stuttgarter Restaurants zum Essen ein, um dessen Selbstwertgefühl zu heben. Sehr zum Missfallen des am Nebentisch speisenden Justizministers.

Doch schon nach drei Jahren setzen die Nazis 1933 Bauer als Amtsrichter ab. Er wird zusammen mit seinem Freund, dem späteren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher, für acht Monate auf dem Stuttgarter Heuberg interniert und flieht schließlich nach Dänemark. Aber selbst dort bleibt er nicht unbehelligt und wird wegen homosexueller Aktivitäten obersviert und verhört. Auch die Scheinehe mit einer christlichen dänischen Erzieherin schützt Bauer nicht vor dem Erlass der Nazis auf Deportation aller Juden. Er setzt er sich nach Schweden ab, wo der Sozialdemokrat Bauer auf Willy Brandt trifft, mit dem zusammen er die Exilzeitschrift „Sozialistische Tribüne“ herausgibt. Bauer ist es auch, der nach dem Krieg Brandt und Schumacher zusammenbringt und so wohl die politische Karriere des späteren Kanzlers mitbefördert.

Auch unter Kollegen macht er sich Feinde

Nach Kriegsende dauert es lange, bis er 1949 nach Deutschland zurückkehren kann. Liberale jüdische Juristen werden in dem noch von alten Seilschaften durchsetzten Apparat nicht gerade händeringend gesucht. Erst als Richter, dann 1950 als Generalstaatsanwalt steigt er in Braunschweig wieder ein. Und erreicht die Verurteilung des fanatischen Hitler-Schergen und rechtsextremistischen Parteiführers Ernst Otto Remer, der Widerstandskämpfer als Landesverräter bezeichnet hat. 1956 wechselt Bauer nach Frankfurt. Er setzt viel in Bewegung, NS-Täter vor Gericht zu bringen. Und handelt sich damit Ärger ein. Im Hessischen Landtag gerät er ins Kreuzfeuer von CDU und FDP, doch Ministerpräsident Georg August Zinn und Justizminister Lauritz Lauritzen (beide SPD) stehen zu Bauer. Auch in der Justiz macht er sich Feinde.

Und er erhält Schmähbriefe und Morddrohungen. Einmal sagt Fritz Bauer: „Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland.“ Dass er den entscheidenen Tipp zur Verhaftung von SS-Mann Adolf Eichmann gab, hält er vorsichtshalber geheim.

Doch er schafft die Anklage in der „Strafsache gegen Mulka und andere“ und damit den Auschwitz-Prozess. Als Bauer am 1. Juli tot in der Badewanne seiner Wohnung gefunden wird, bestätigen sich Selbstmordgerüchte nicht. Bauer lebte sehr ungesund, nahm Tabletten, rauchte und trank Alkohol. Aber er hatte noch einiges vor, darunter einen Prozess gegen die Schreibtischtäter der Euthanasie. Doch dazu kommt es nicht mehr.