Von wegen Veuve Clicquot & Co: Grandiosen Sekt gibt es auch aus Stuttgart. Der aktuell eindrucksvollste Beweis lebt und sprudelt in Untertürkheim.
Immer wieder beschäftigen wir uns an dieser Stelle mit unterschätzten Rebsorten, die schlecht beleumundet sind, weil man sie früher im wahren Sinn des Wortes ausgemostet hat. Müller-Thurgau und Kerner sind Beispiele für dieses Schicksal: Beide haben ein wunderbares Bukett und bleiben dennoch schlank, wenn sie bereits im Weinberg in der Menge reduziert werden. Ähnliches gilt für den Ruländer, der die Trendwende geschafft hat: Seit er Grauburgunder heißt und nicht mehr bappsüß ausgebaut wird, hat dieser Weißwein einen Siegeszug angetreten.
Darauf hoffe ich auch bei einer meiner Lieblingssorten, dem Schwarzriesling. Eine Diva aus der Burgunderfamilie ist das, die dem Wengerter im Weinberg alles abverlangt, weil sie gerne wächst, wie sie will. Dafür hat der Weinmacher im Keller alle Möglichkeiten: Vom blanc de noir über spritzigen Rosé bis zum großen Roten kann dieses Chamäleon alles. Seine vielleicht größte Stärke hat der Schwarzriesling als Sektgrundwein. In der Champagne verzichtet kaum einer der großen Sprudler in seiner Assemblage auf die in Frankreich Pinot Meunier genannte Traube. Sie gibt in der Regel das Fundament und ist für den champagnertypischen Brot- und Briochegeschmack verantwortlich.
Der Sekt ist sagenhafte 85 Monate auf der Flasche gereift
Diese Eigenschaften haben anno 2016 zwei der größten Champagnerfans, die ich kenne, zu einem famosen Experiment genutzt. Christin und Hans-Peter Wöhrwag haben seinerzeit beschlossen, nicht nur einen, sondern gleich zwei ganz besondere Sekte aus Schwarzriesling zu machen: einen Blanc de Meunier brut nature und einen Rosé de Meunier extra brut. Beide sind in traditioneller Methode sagenhafte 85 Monate lang auf der Flasche gereift, ehe sie degorgiert wurden. Das Ergebnis ist, vor allem beim weißen brut nature, ein großes Erlebnis: knochentrocken und dennoch elegant, mit ganz feiner Perlage, trotzdem frisch, vielschichtig mit einem Anflug von Himbeerbrause direkt nach den Öffnen bis zum klassischen Brioche-Aroma nach wenigen Minuten. Und das Ganze mit nur 11,5 Volumenprozent Alkohol. Das ist eine in sich stimmige Hymne, die der Schwarzriesling redlich verdient hat.