Von der Putzkraft zum Zirkusclown – Andreas Schaible hat sich nach dem Abitur einen Traum erfüllt und viele Erfahrungen gesammelt. Foto: privat

Nach der Schule ins Ausland zu gehen, kann für auf­regende Monate sorgen - und katapultiert die eigene Lebenserfahrung oft nach oben.

Der Stuttgarter Student Andreas Schaible verdankt einer schlaflosen Phase seine bisher größte Erfahrung. 'Es war im Jahr vor dem Abitur. Ich plante, nach der Schule eine Weile ins Ausland zu gehen, raus aus dem Nest. Eines Abends konnte ich lange nicht einschlafen, lag nachts wach.' Viele Bekannte hatten ihm schon berichtet von dem, was 'Work & Travel' genannt wird: Arbeit auf einer Farm oder als Kellner, Geld verdienen, Reisen - gern im englischsprachigen Ausland.

'Das war nicht meins. Warum nicht ganz anders, dachte ich. Wenn ich schon zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehe, dann richtig. Im Zirkus arbeiten wäre mein Traum', erzählt Schaible. Am nächsten Morgen dachte er: 'Das ist verrückt. Warum sollten die mich wollen?' Trotzdem schrieb er an Australiens größten Wanderzirkus. Tage später fragte die Sekretärin des Silvers Circus an, wo er lande. 'Ein halbes Jahr vor dem Start regelte ich das Wichtigste', sagt Schaible. 'Flugbuchung, Visum und internationalen Führerschein beantragen, Auslandskrankenversicherung abschließen.' Das machte er selbst. 'Viele Organisationen bieten Schülern da Hilfe, aber ich fand das für mich unnötig.

"Als ich das Zirkuszelt sah, war plötzlich alles real"

Das Geld wollte ich fürs Ausland sparen.' Schaible war schon während seiner Schulzeit aktiv bei Einsätzen für den Arbeiter-Samariter-Bund, betreute behinderte Kinder bei Ferienfreizeiten. Zwischen Abitur und Abflug nach Australien jobbte er noch einige Wochen, unter anderem als Krankenwagenfahrer. In Down Under angekommen, reiste er zunächst, besichtigte die Great Ocean Road westlich von Melbourne an der Südküste des Bundesstaates Victoria. Drei Wochen später fuhr er nach Melbourne. 'Der Zirkus gastierte zu der Zeit 40 Kilometer außerhalb. Als ich das Zirkuszelt sah, war plötzlich alles real.' Der junge Deutsche wurde zunächst als Putzkraft eingestellt. In den folgenden Wochen kratzte er Zuckerwatte und Popcorn von Zirkussitzen, half beim Auf- und Abbau des Zelts, staubsaugte die Manege. Er wohnte in einem der Wohnwagen und reiste mit. Alle zwei Wochen ging es an einen anderen Ort.

'Der Auf- und Abbau des Zelts war hart. Teilweise 16 Stunden am Tag, meist in der prallen Sonne. Ich war fertig, dachte ans Aufhören. Im Zirkus ist schwere Arbeit normal. Alle sind dabei. Und da war ja noch Simon, der Zauberer.' Mit ihm hatte Schaible sich angefreundet. 'Als er mich eines Tages fragte, ob ich sein Assistent werden möchte, dachte ich keinen Moment mehr ans Weggehen.' Er nahm an Zauberproben teil, trat mit auf. 'Plötzlich war ich Teil der Zirkusfamilie.' Wenige Monate später hatte der Direktor einen Plan: Schaible sollte Clown werden. Nach Proben und einem Schminkkurs schlug das Zelt am Strand von Rosebud auf. Schaible alias Clown Augusto feierte Premiere vor 800 Zuschauern.

'Ein Traum wurde wahr', schwärmt der heute 22-Jährige, der aus Laupheim-Baustetten stammt. Fernweh haben viele junge Leute. 'Die meisten Anfragen dazu haben wir von 16- bis 19-Jährigen, die zwischen Schulende und Ausbildungs- oder Studienstart ins Ausland gehen wollen,' sagt Regina Schmieg, Projektkoordinatorin von Eurodesk Deutschland, einem Jugendinformationsdienst von IJAB e. V., Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland. Rund 70 000 Beratungskontakte hatte IJAB e. V. im Jahr 2014. Wie viele Schulabgänger, die sich informieren, wirklich ins Ausland gehen, ist nicht erfasst.

Gut 7700 junge Deutsche gingen 2013 mit Freiwilligendiensten für längere Zeit in andere Länder, zählte der Arbeitskreis Lernen & Helfen in Übersee. Andreas Schaible studiert jetzt im dritten Semester Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim. Nach dem Studium zieht es ihn in den Non-Profit-Bereich. Als Berufswunsch nennt er Sozialmanagement. 'Das Ausland ist etwas für alle. Man lernt neben Land und Leuten und einer oft fremden Sprache vor allem sich selbst besser kennen', resümiert der Student. Über seine Erlebnisse im Silvers Circus will er ein Buch herausbringen. 'Ich möchte alle ermutigen, unbedingt an ihre Träume zu glauben.'