Der New Yorker Filmemacher Woody Allen über seine Illusionisten-Farce „Magic In The Moonlight“ Foto: ANSA

Ein großer Zauberkünstler der 1920er Jahre versucht im weichen Licht der Côte d’Azur eine junge Amerikanerin als Trickbetrügerin zu entlarven – davon handelt Woody Allens aktueller Film.

Berlin - Mr. Allen, Magie hat in Ihren Filmen schon oft eine wichtige Rolle gespielt. Woher kommt Ihr Faible für Zauberei?
Ich habe mich als Junge in der Amateurzauberei versucht. Tagelang saß ich in meinem Zimmer und habe Tricks mit Zigaretten, Karten, Münzen oder Handschellen ausprobiert. Ich habe viele Bücher dazu gelesen und bin darauf gestoßen, dass es in den 1920ern in den USA und Europa eine richtige Welle von spirituellen Scharlatanen gab. Sie zogen reichen Leuten das Geld aus der Tasche, indem sie so taten, als könnten sie die Zukunft vorhersagen oder mit verstorbenen Verwandten kommunizieren. Sogar angesehene Schriftsteller und Wissenschaftler fielen darauf rein. Nur den Zauberkünstlern konnten sie nichts vormachen. Der damals sehr bekannte Zauberer Harry Houdini entlarvte all diese Schwindler. Mir gefiel die Idee, so einen rationalen und grundehrlichen Zauberer mit einer kleinen amerikanischen Schwindlerin von der Straße zusammenzubringen.
Sie sind dann kein Zauberkünstler geworden, sondern Filmregisseur. Was haben die beiden Berufe gemeinsam?
Zwischen Magie und Film gibt es eine starke Verbindung. Bei beiden sieht das Publikum nicht, welche Tricks wir anwenden, um eine Illusion zu erzeugen. Wir glauben, dass Fred Astaire und Ginger Rogers in „Top Hat“ so leicht und glücklich auf einem Boot tanzen und Champagner trinken. Bei den Dreharbeiten sah es ganz anders aus: Die haben bis tief in die Nacht geschuftet und waren nass geschwitzt. Die Schuhe haben gedrückt und der Smoking gezwickt. Fred Astaire hat nur geflucht, und Ginger Rogers war stinksauer. Aber dennoch sieht auf der Leinwand alles wie ein himmlisches Vergnügen aus. Genauso wie Zauberer erschaffen Filmemacher eine gefälschte Illusion, damit die Zuschauer sich des Lebens erfreuen können.
Dazu gehört auch die romantische Illusion, der Colin Firth in Ihrem Film erliegen darf . . .
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich ein Romantiker bin. Männer sind sowieso viel romantischer als Frauen. Das ist längst wissenschaftlich bewiesen. Ich habe die Frauen immer romantisiert: Diane Keaton, Scarlett Johansson, jetzt die wunderbare Emma Stone. Genauso habe ich New York City oder Paris romantisiert. Ich hatte immer einen sehr romantischen Blick auf die Welt. Aber das hält mich nicht davon ab, ein unbelehrbarer Realist zu sein, wenn es um die menschliche Verfassung geht.
Glauben Sie wie Ihre Hauptfigur, dass nichts Übernatürliches existiert?
Nein, es gibt nur das, was wir vor uns sehen. Das ist alles. Wir haben nur ein Leben, und wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Es gibt keinen Gott, keine Magie, kein tieferen Sinn im Universum. Eines Tages wird die Sonne ausbrennen und das Leben auf der Erde zu Ende sein. Alles, was Shakespeare geschrieben oder Beethoven komponiert hat, wird keine Rolle mehr spielen. Die Welt ist sinnlos und nicht zu verstehen. Da bin ich bekennender Realist. Andererseits habe ich in meinem Leben sehr viele dumme Dinge getan, weil ich nicht in der Lage war, Situationen realistisch einzuschätzen und meine Entscheidung danach auszurichten. Ich komme mir sehr intelligent vor, wenn ich über das große Ganze nachdenke, und ziemlich dumm in den Niederungen des Alltags.
Woher speist sich Ihr offensiver Pessimismus?
Da bin ich mit Nietzsche, Freud und dem US-Dramatiker Eugene O’Neill in bester Gesellschaft. Sie haben den pessimistischen Gedanken gemeinsam, dass der Mensch mit zu viel Wahrheit nicht leben kann. Nietzsche wie Freud waren der Meinung, dass wir uns selbst betrügen müssen, um unsere Existenz zu ertragen. O’Neill sagte, dass der Mensch Illusionen wie Gott oder den Kommunismus braucht, um zu überleben. Und das stimmt. Die Natur hat jeden von uns mit einem Verleugnungsmechanismus ausgestattet. Und wenn der nicht richtig funktioniert, kann das Leben sehr traurig werden. Denn wenn man die Wirklichkeit nicht verleugnet, ist man immer mit der fürchterlichen Wahrheit unserer sinnlosen Existenz konfrontiert.
Sie haben mehr als 45 Filme gedreht – das klingt für einen Außenstehenden erst einmal nicht nach einer sinnlosen Existenz . . .
Nein, ich bin sehr glücklich, dass ich mein Leben als Filmemacher verbringen durfte. Ich hatte vom ersten Film an die volle kreative Kontrolle. Niemand hat mir gesagt, wen ich casten soll. Kein Produzent hat mein Drehbuch vorher zu lesen bekommen. Wenn einer meiner Filme nichts taugte, trug ich ganz alleine die Verantwortung. Ich schätze mich glücklich, dass ich so viele Filme machen konnte. Einige haben ihr Geld nicht eingespielt, und trotzdem konnte ich das nächste Projekt finanzieren. Ich hatte ein sehr glückliches Leben im Filmgeschäft. Am Morgen zur Arbeit zu gehen und da ist Scarlett Johannsen, Emma Stone, Colin Firth – alles ungeheuer gut aussehende, charmante, humorvolle und kreative Zeitgenossen. Die Arbeit mit Schauspielern, Kostümbildnerin, Komponisten macht mir große Freude. Das ist eine tolle Art, seine Zeit zu verbringen, verglichen mit anderen Jobs. Allerdings nehme ich meine eigene Arbeit auch nicht zu ernst. Ich bin nicht der Meinung, dass ich große Meisterwerke erschaffen habe. Ich habe gute, mittelmäßige und schlechte Filme gemacht. Gemessen an den Möglichkeiten, die mir geboten wurden, hätte ich wenigstens ein paar großartige Werke hervorbringen müssen. Wenn ich weniger faul gewesen wäre, hätte ich sicher eine eindrucksvollere Filmografie auf die Beine stellen können.
Entwickelt man durch die jahrzehntelange Erfahrung ein Gespür dafür, ob ein Film an der Kinokasse erfolgreich sein wird?
Nein, das lässt sich überhaupt nicht vorhersehen. Als wir „Midnight in Paris“ gedreht haben, dachten wir: Das ist eine schöne Idee, aber das wird nie und nimmer ein populärer Film. Die meisten Kinogänger sind jung und haben noch nie etwas von Gertrude Stein gehört oder einen Roman von Ernest Hemingway gelesen. Wir dachten, den Film würden sich nur ein paar Leute anschauen, aber dann war er in der ganzen Welt ein Erfolg, von Israel über Japan bis nach Argentinien. Auch der Erfolg von „Blue Jasmine“ hat mich überrascht, weil in den USA ernste Themen meist nicht so gut ankommen. Andererseits war ich mir sicher, dass „Hollywood Ending“ gut laufen würde. Ich fand ihn wirklich lustig und auch ganz gut gemacht. Aber keiner wollte ihn sehen. Ich habe keine Ahnung, warum die Zuschauer ins Kino strömen oder zu Hause bleiben, und ich glaube, es ist das Beste, sich darüber keine Gedanken zu machen.