Helen Pavel hat gelesen, das Trio Saite 16 hat gegrooved. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Unterhaltsamer Abend im Stuttgarter Süden: Helen Pavel hat im Dreigroschentheater „Eine kurze Anleitung zum bürgerlichen Ungehorsam und anderes Vergnügliches von Woody Allen“ gelesen, das Trio Saite 16 gegrooved.

S-Süd -

Seine Filme haben Millionen Zuschauer gesehen. Doch Woody Allen, New Yorker „Stadtneurotiker“, Regisseur und intellektueller Komiker, hat auch zahlreiche Bücher geschrieben. In diesen beschäftigt er sich mit den Zeichen der Zeit und der Weltgeschichte quer durch alle Gebiete, bringt dabei ironisch Widersprüche und bürgerlicher Kleinkariertheiten auf den Punkt. Grund genug für Helen Pavel im Dreigroschentheater „Eine kurze Anleitung zum bürgerlichen Ungehorsam.. und anderes Vergnügliches von Woody Allen“ als szenischen Lesung zu bringen – unterstützt vom Trio Saite 16. Und wie Bodo Ernsts Finger die Kontrabasssaiten zum Swingen brachte, Stefan Lehmann und Dirk Novak Bluesiges, Jazziges und Rockiges aus den Gitarren lockten, das hätte dem Jazzer Allen gut gefallen.

In wiederkehrendem Singsang das Wort „Pudding“ intonieren

Die drei im Dreigroschentheater passten denn auch den Groove den Themen an. Jazz, gewürzt mit süd- und osteuropäischen Motiven, führte zum ersten Kapitel des Abends: dem bürgerlichen Ungehorsam. Der könne, so las Pavel, verschiedene Formen haben: Hungerstreik, Sitzstreik, Umzug oder Demonstration, wobei bei letzterer wichtig sei, sie nie in den eigenen vier Wänden, sondern öffentlich stattfinden zu lassen mit Plakaten, die den Standpunkt betonten, etwa „Steuern rauf“ oder „Steuern runter“. Man könne sich aber auch vor dem Rathaus aufstellen und in wiederkehrendem Singsang das Wort „Pudding“ intonieren. Ist doch die einzige revolutionäre Kraft die der menschlichen Kreativität, zumindest nach Joseph Beuys.

Entsprechend überlegte sich Allen, was wäre, „wenn die Impressionisten Zahnärzte gewesen wären“. Hätten dann Vincent van Gogh und Paul Gauguin eine Praxis geteilt, gemeinsam unter freiem Himmel plombiert, bevor letzterer nach Tahiti abhaute? In Allens Vorstellung auf jeden Fall. Auch beschwert sich Vincent da in Briefen an seinen Bruder, Kunsthändler Theo, dass ihn das Leben nie anständig behandle. Die Patientin Sol Schwimmer verklage ihn, weil er ihre Brücke ganz nach seinem Gefühl „kollossal und brandend, mit wilden, streitsüchtigen Zähnen“ gestaltet habe – nicht zu ihrem lächerlichen Mund passend. „Sie ist so bürgerlich und dumm, ich möchte sie am liebsten in tausend Stücke hauen!“

Salat- und Joghurtqual der spanischen Inquisitoren

Anders ergeht es ihm bei Mrs Kelly, seiner kurvigen Muse beim Thema Quanten- oder Stringtheorie: Mit deren Elementarteilchen möchte er am liebsten verschmelzen – die Spuren davon könnte er seiner Gattin dank Physik erklären. Und wer hätte gedacht, dass Friedrich Nietzsche ein Diätbuch verfasste? Auch wenn die Fachwelt zweifele, Allen betont, er habe „Also aß Zarathustra“ in Heidelberg persönlich gesehen. Darin gehe es um Salat- und Joghurtqual der spanischen Inquisitoren, Gottfried Wilhelm Leibniz’ Fettmonaden bis hin zu René Descartes Unterschied zwischen Körper und Geist. Letzteres, so sinniert Allen, sei ein Freibrief zum Allesessen, Geist könne ja nichts dafür, was Körper hineinschaufele. Was wiederum zeigte, ein Abend mit Allens Essays lohnt sich immer, im Dreigroschenabend war er nicht nur vergnüglich, sondern auch lehrreich. Falls er wirklich stattfand. Wie schreibt noch Allen über physikalische Theorien? „Was, wenn alles nur eine Illusion wäre und nichts existierte? Dann hätte ich für meinen Teppich eindeutig zu viel bezahlt.“