Schon jetzt zahlt die Regierung in der sibirischen Provinz Jakutien Jägern pro Wolfspelz umgerechnet 500 Euro. Foto: Fotolia

Während man sich in Deutschland darum bemüht, den Wolf wieder anzusiedeln, will man ihn in Ostsibirien dringend loswerden. In den kommenden Monaten sollen dort die Raubtiere mit Hubschraubern gejagt und 3000 von ihnen getötet werden.

Moskau - Manchmal kommt er auch den Menschen zu nah. „Erst kürzlich wollten wir die Tiere füttern, da standen plötzlich 14 Wölfe herum“, erzählt ein Rentierzüchter im russischen Fernen Osten einem lokalen Fernsehsender in Jakutsk. „Das geht doch nicht“, sagt er nuschelnd in die Kamera – und nimmt die Worte vorweg, die nun auch der Präsident dieser zum großen Teil autonomen Republik in Ostsibirien von sich gibt. „Überfälle von Wölfen auf Rentiere müssen aufhören“, lässt sich Jegor Borissow zitieren.

Jakutien kämpft mit dem Wolf, so sehr, dass Borissow, der Republiklenker, nun den Ausnahmezustand ausgerufen hat. Während Deutschland sich bemüht, das einst ausgestorbene Raubtier wieder anzusiedeln, will es der ferne russische Osten loswerden. Nicht vollkommen von der Erde verschwinden lassen, aber doch um etwa 85 Prozent reduzieren. In den nächsten drei Monaten sollen die Wölfe quer durch das Gebiet, fast neun Mal so groß wie Deutschland, gejagt, getötet werden – mit teuren Hubschraubereinsätzen und 140 speziell ausgerüsteten Jägertrupps. Die Jagdsaison wird gar auf ein Jahr ausgeweitet, wobei am Ende von den jetzigen, vom Landwirtschaftsministerium gezählten 3500 Wölfen 500 Tiere überleben sollen. Wissenschaftler halten diese Zahl für optimal in dem weiträumigen, dünn besiedelten Gebiet.

Jakutien, das von den Einheimischen selbst Sacha genannt wird, ist flächenmäßig das größte Föderationssubjekt in Russland. Doch nicht einmal eine Million Menschen lebt hier, wo die Temperaturen im Winter manchmal bei Minus 60 Grad liegen. Hier befindet sich, nur unweit des Polarkreises, auch die kleinste russische Stadt Werchojansk. Knapp 1300 Einwohner hat sie und gilt als Kältepol aller bewohnten Gebiete der Erde. Viele Jakuten, Ewenken, Dolganen – indigene Völker im russischen Norden – leben noch traditionell von der Rentierzucht.

Züchtern entsteht millionenhoher Schaden

Eben sie ist durch die Wolfsplage gefährdet. Mehr als 16.000 Rentiere und etwa 300 Pferde seien im vergangenen Jahr von den Wölfen gerissen worden, heißt es aus der Präsidentenverwaltung in Jakutien. Den Züchtern sei damit ein Schaden von etwa 150 Millionen Rubel entstanden, das sind umgerechnet etwa vier Millionen Euro. Im Jahr 2006 waren es noch 4000 Tiere. Bereits in den vergangenen zwölf Monaten töteten die Jäger 700 Wölfe. Deren Population, so erklären es russische Wissenschaftler, habe deshalb stark zugenommen, da die Zahl der Schneehasen, die übliche Beute von Wölfen in dieser Gegend, vermehrt zurückgegangen ist.

Dort, wo der Schneehase in unbesiedelten Gebieten bereits weg ist, verenden auch die Wölfe. In besiedelten Gebieten suchen sie sich eine andere Nahrung: Rentiere, Pferde, manchmal auch Menschen. Die Behörden schlagen nun Alarm, nachdem sich vor allem Genossenschaftsbetriebe beschwert hatten.

Der Republik-Präsident weitet auch die finanziellen Anreize für die Jagd aus. Bislang zahlte die Regierung 20.000 Rubel pro Wolfspelz, das sind umgerechnet etwa 500 Euro. Für das Fell eines Welpen gab es zusätzlich rund 30 Euro. Manche Gemeinden legen nun weitere 10.000 Rubel (250 Euro) für einen Wolfspelz drauf. Im Gebiet Momsk, im Nordosten Jakutiens, wartet auf den besten Jäger zudem ein neuer Motorschlitten. Auch in Transbaikalien an der chinesischen Grenze und im russischen Nordwesten an der Grenze zu Finnland kämpfen die Menschen mit den Wölfen. Nahezu jede Woche findet sich eine Meldung von gerissenen Tieren.

Etwa 52.000 Wölfe leben in Russland. In den vergangenen Jahren nahm ihre Zahl stark zu – auch durch juristische Gründe. Mittlerweile ist es verboten, die Tiere durch Fangeisen und Drahtschlingen zu fangen, auch durch starke chemische Gifte versetzte Köder dürfen nicht mehr eingesetzt werden. Republik-Präsident Borissow will nun solche Methoden wieder anwenden lassen und bei der Zentralregierung in Moskau die Erlaubnis dafür erwirken. Es herrsche ja schließlich Ausnahmezustand in Jakutien. Auch sogenannte Präparatoren sind nun wieder gefragt, ein fast schon vergessenes Handwerk. Zur Abschreckung bereiten sie Wölfe als Attrappen auf.

In Großbritannien haben derweil Tierschützer eine Petition gegen die Wolfsjagd in Jakutien online geschaltet. 943 Namen finden sich bislang darin.