Lieber nicht hinsehen: Alexandra Popp geht mit gesenktem Kopf am Pokal vorbei. Foto: AFP/John Thys

Alexandra Popp steht symbolisch für die Enttäuschung des VfL Wolfsburg nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona, denn Titeloptionen sind irgendwann endlich.

Sie stand ziemlich weit abseits. Fast verloren mit gesenktem Kopf zwischen den Konfettischnipseln, die auf den Rasen des PSV-Stadions in Eindhoven herabgeregnet waren. Alexandra Popp machte die Enttäuschung ganz mit sich alleine aus. Die Anführerin des VfL Wolfsburg hatte beim 2:3 (2:0) gegen den FC Barcelona im Champions-League-Endspiel einige Tritte und sogar Schläge einstecken müssen, aber an Deutschlands prominentester Fußballerin nagte vor allem der Schmerz der Niederlage.

Popp verliert dieses Finale zum vierten Mal

Wie schon vor einem Jahr nach dem von ihr wegen einer Verletzung verpassten EM-Endspiels gegen England in Wembley ertrug es die 32-Jährige kaum, wie andere ausgelassen zu immer denselben Neil-Diamond-Klängen („Sweet Caroline“) tanzten. Vielleicht ahnte die erste Wölfin, dass es bei ihren Triumphen in der Königsklasse 2013 und 2014 bleibt, denn für sie ging nach 2016, 2018 und 2020 das vierte Finale auf dieser Bühne verloren. Bei der Übergabe internationaler Trophäen bloß Spalier zu stehen, passt weder zum Ehrgeiz noch zum Anspruch der gebürtigen Wittenerin, zumal Titeloptionen irgendwann endlich sind.

Zwar versuchten erst Barcelonas Weltfußballerin Alexia Putellas und dann VfL-Macher Ralf Kellermann zu trösten, doch manchmal trocknen Tränen nicht auf Ansage. Sie sei „ziemlich leer, sehr enttäuscht – und ein bisschen wortkarg. Wenn du so nah dran bist und das Spiel aus der Hand gibst, dann tut es einfach nur brutal weh“, beschied die traurige Torjägerin. Dann stapfte sie aus dem weißen Zeltbau zu den kreischenden Fans, die jede Finalteilnehmerin zum Bus wie einen Popstar begleiteten.

Das Problem der finanziellen Mittel

Bei der abendlichen ZDF-Schalte aus der Innenstadt von Eindhoven waren ihre Augen noch gerötet. „Wir haben Barcelona die Stirn geboten, wir haben den Pokal gewonnen, wir sind Vizemeister. Das kann sich schon sehen lassen“, konstatierte Popps etwas gequält vor der Saisonabschlussfeier, ehe am Tag danach der Rückflug nach Niedersachsen, der Empfang auf dem Wolfsburger Rathausplatz und der Eintrag ins Goldene Buch folgten. Dass die VfL-Fußballerinnen längst zu einem Vorzeigemodell der Autostadt geworden sind, ist zwar unstrittig, aber vielleicht springen Titel am Fließband bald nur noch national heraus.

„Das Erreichen des Finals war ein Riesending. Es wird nicht unbedingt leichter“, verdeutlichte Trainer Tommy Stroot auf der Pressekonferenz. Man werde gegen die globalen Marken aus Barcelona, London oder Paris nur mithalten können, solange Toptalente wie das Kraftpaket Lena Oberdorf den Weg mit dem Werksverein gehen, aber „die finanziellen Mittel spielen mittlerweile eine ganz große Rolle“, sagte der 34-Jährige. Der akribische Analytiker tröstete sich damit, „eine Werbung für den Frauenfußball in allen Bereichen“ angeboten zu haben.

Kampf der Fußball-Kulturen

Eine Halbzeit lief alles nach Plan für sein gnadenlos effizientes Ensemble: „Wir hatten Barça genau da, wo wir sie haben wollten.“ Ewa Pajor erzielte erst mit einer Energieleistung das 1:0 (3.) und flankte dann auf den Kopf von Popp zum 2:0 (37.). Doch das spanische Team schlug „mit Wucht und Qualität“ (Stroot) zurück: Nach dem Doppelschlag der grandiosen Allrounderin Patri (48. und 50.) ermöglichte ein verunglückter Klärungsversuch der Niederländerin Lyn Wilms ausgerechnet der Ex-Wolfsburgerin Fridolina Rolfö die Entscheidung im Kampf der Fußball-Kulturen (70.). Selbstkritisch merkte die in das finale Malheur verwickelte Nationalspielerin Kathrin Hendrich zum Systemausfall nach Wiederanpfiff an: „Barcelona hat umgestellt, und wir hatten keine Ordnung.“

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg empfahl den Verliererinnen, „viele positive Dinge“ mitzunehmen, schließlich hatte es ihr wichtigstes Zuliefererteam in einem „hochklassigen Spiel mit super Atmosphäre“ (Voss-Tecklenburg) geschafft, dass die Gesänge der 8000 „Culés“ in der ausverkauften Heimstätte des PSV Eindhoven zeitweise verstummten. Zur Analyse der Bundestrainerin gehörte auch, dass es „Kompaktheit und Stabilität“ über die volle Distanz brauche.

Keine unwichtige Erkenntnis auch für die Nationalelf bei der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August). Schließlich hat die 55-Jährige in ihren vorläufigen Kader zehn Wolfsburgerinnen berufen, die im Gegensatz zur halb so großen Fraktion des FC Bayern allesamt pünktlich am 20. Juni zum ersten Trainingslager in Herzogenaurach da sein werden.

Appell an Fifa und Fernsehsender

Zum Münchner Sonderweg in der Vorbereitung mit der verspäteten Abstellung hatte Stroot „alles gesagt“, nicht jedoch zu den Streitigkeiten um die Übertragungsrechte. Es müsse jetzt umso mehr „absolute Priorität“ haben, dass sich der Weltverband Fifa und die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF einig werden.

Von Fifa-Seite hieß es erneut, dass das deutsche Gebot „unter drei Prozent“ jener Summe liegt, die für die Rechte an der Männer-WM 2022 flossen. Wolfsburgs Coach will nicht wahrhaben, dass der Deal platzt: „Wer dieses Spiel gesehen hat, kann daraus fast die Verpflichtung ableiten, dass es ausgestrahlt wird – für die Fifa genauso wie die deutschen Fernsehsender.“