Sympathischer Poser: Joop nahe seiner Villa in Potsdam. Mehr Bilder des Modeschöpfers finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: dpa

Wolfgang Joop hat viele Talente: „Topmodel“-Juror, Modeschöpfer, Künstler, Buchautor, Unternehmer. Durchhalten ist allerdings nicht seine Stärke.

Potsdam - Wenn Wolfgang Joop in den Spiegel blickt, sieht er einen Mann voller Widersprüche: ein Landei, das in den Modemetropolen der Welt zu Hause ist. Einen Kritiker der Überflussgesellschaft, der mit Luxusartikeln sein Geld verdient. Einen Modeschöpfer, der zugibt, keinen Knopf annähen zu können. Heute wird Joop 70.

Eine große Feier gibt es nicht. „Ich werde mich im allerengsten Kreise davonmachen und in ein anderes Land reisen. Ich habe keine so große Lust, mich dauernd zu bedanken, dass ich durchgehalten habe bis jetzt“, sagt er.

Denn Durchhaltevermögen gehört nicht zu Joops hervorstechendsten Eigenschaften. Dass er zu Deutschlands führenden Modeschöpfern zählt und in einem Atemzug mit Jil Sander und Karl Lagerfeld genannt wird, liegt eher an seiner Fähigkeit, sich nach Krisen zurückzukämpfen.

Zu seinen wichtigsten Erfolgen gehört, dass er sein unter fremder Führung angeschlagenes Luxuslabel Wunderkind zurückgekauft und gerettet hat. Seit 2012 werden Joops Entwürfe wieder auf den Pariser Laufstegen beklatscht. Damit hat er sich einen Traum erfüllt und die Anerkennung der Branche bekommen. Aber es hat ihn Kraft und Millionen Euro gekostet.

1998 verkauft Joop sein Label für 150 Millionen D-Mark

Die verdankt er seinem Label Joop!. Seit Mitte der 80er Jahre brachte die Lifestyle-Marke viel Geld ein – nicht mit selbst produzierter Mode, sondern mit Lizenzen etwa für Parfüm oder Bettwäsche. Als es 1998 zu Problemen mit seinem Geschäftspartner kommt, verkauft Joop 95 Prozent seiner Anteile – für rund 150 Millionen D-Mark. „Zu früh“, sagt er im Rückblick. Fünf Jahre später gründet er mit seinem Lebensgefährten Edwin Lemberg Wunderkind.

Heute leben der vierfache Großvater Joop und Lemberg mit der Rhodesian-Ridgeback-Hündin Lotte in der sanierten Villa Wunderkind in Potsdam. In der Stadt, in der Joop die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Der kleine Wolfgang wuchs auf dem Bauernhof seiner Großeltern auf und schwärmt bis heute von dem vergleichsweise einfachen, klar geregelten Landleben.

1954 muss er dieses Paradies aufgeben, um mit seinen Eltern nach Braunschweig zu ziehen. Dort schlägt er erstmals Profit aus seinem künstlerischen Talent. Mit zwölf tauscht Wolfgang Zeichnungen nackter Frauen gegen das Recht, von seinen Mitschülern abschreiben zu dürfen.

Nach dem Abitur studiert er Werbepsychologie – auf Drängen des Vaters, der möchte, dass etwas Anständiges aus seinem Wolfgang wird. Doch dessen Ehrgeiz hält sich in Grenzen. Der Sohn schmeißt nach wenigen Jahren hin und widmet sich der Kunst. Auch das selbst gewählte Studium der Kunsterziehung zieht er nicht durch. Stattdessen macht er Mode. 1970 gewinnen er und seine damalige Frau Karin bei einem Modewettbewerb drei Preise. International startet er 1978 mit einer Pelzkollektion in New York durch.

Allzu Perfektes ist dem Designer suspekt

Vielleicht liegt es an seinem holprigen Werdegang, dass Joop Makellosigkeit suspekt ist. „Ich bin kein Freund der Glätte“, sagt er. Und: „Alles, was zu perfekt ist, ist nicht menschlich.“ Das zeigt sich auch an den Entwürfen. Eventgarderobe, also Abend- oder Brautkleider, kann Joop nicht leiden. Er macht Elegantes für die Straße – am liebsten mit mehreren wild zusammengemixten Stofflagen und Materialien. Derzeit arbeitet er an der Winterkollektion 2015/16.

Und bald gehen wieder die Dreharbeiten für „Germany’s Next Topmodel“ los. 2014 hat Joop als Juror mitunter Modelmama Heidi Klum die Show gestohlen. 2015 ist er wieder dabei. Mal gefühlvoll, mal kritisch – stets unterhaltsam.

Dass er ausgerechnet in einer Castingshow Erfolg hat, kam für viele unerwartet, aber nicht überraschend. Joop erfindet sich ständig neu. Er hat neben der Mode mehrere Bücher geschrieben, ist bildender Künstler, Maler. Er selbst bezeichnet sich als „internationalen Exzentriker“. Auch diesen Titel hat er sich hart erarbeitet.