Pfarrerin Guntrun Müller-Enßlin führte durch die Geschichte der Kirche. Foto: Susanne Müller-Baji

Beim Neujahrsempfang in Stuttgart-Wolfbusch wurde auch das 80-jährige Bestehen der Wolfbuschkirche gefeiert. Der Rückblick auf die Geschichte des evangelischen Kirchleins kam gut an.

Wolfbusch - Der 1. Januar ist traditionell ein Tag des Ausblickes auf das noch jungfräuliche Jahr. In Wolfbusch nutzte man den Neujahrsempfang nun auch für einen Rückblick auf die bereits 80 Jahre währende Geschichte des evangelischen Kirchleins. Eine nette Idee, die gemütlich auf 2018 einstimmte.

Die Turmuhr schlug fünf und drinnen in der Wolfbuschkirche begrüßte Pfarrerin Guntrun Müller-Enßlin die Gäste bei dieser ersten Veranstaltung im neuen Jahr 2018. „Mancher wird sich wundern, haben wir doch gerade erst 75 Jahre unserer Kirche gefeiert“, begann Müller-Enßlin. Und nun stand der Neujahrsempfang der Kirchengemeinde bereits wieder im Zeichen von 80 Jahre Sakralbau in Wolfbusch. Wie die Zeit vergeht. Diese Feier fand in deutlich kleinerem Rahmen statt als die Jubelfeier vor fünf Jahren. Aber sie war liebevoll gestaltet und sorgte für wertvolle Denkanstöße.

Kritik am Nazi-Regime

Immer wieder rückten einzelne Merkmale des Kirchleins an diesem Nachmittag in den Mittelpunkt, etwa die markante Inschrift neben dem Bogen zum Chorraum: „Gott ist der rechte Vater über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden“ (Epheser 3,15) steht da und war zur Zeit des Kirchenbaus durchaus als Kritik am Nazi-Regime zu verstehen, sagte Müller-Enßlin.

Die Pfarrerin berichtete vom großen Zuzug in den Stadtteil in den 30er Jahren bis zur Einweihung der Wolfbuschkirche 1938, und sie ließ auch die Rückschläge nicht unerwähnt, die man hatte hinnehmen müssen: Der mit ins Gebäude integrierte, evangelische Kindergarten wurde erst nach mehreren Anläufen genehmigt und nach der Eröffnung des städtischen Pendants alsbald wieder verboten. Für die Glocken und die Kirchenorgel ging die Gemeinde in Vorleistung. Doch die einen wurden wenig später wieder eingeschmolzen, und die Orgel wurde durch die Kriegsschäden unbenutzbar. Das Kirchlein steht da auch für den Willen, unbeirrt immer wieder neu anzufangen.

Persönliche Erlebnisse

„Gemäß der Inschrift ,Alles was Odem hat, lobet den Herrn‘ erklingen nun die beiden Organe der Wolfbuschkirche“, kündigte Guntrun Müller-Enßlin schließlich an: Organist Christoph Gerthner spielte Bach und das Neujahrsgeläut erscholl. Aber tatsächlich hat das Kirchlein ja noch eine weitere Stimme – den Chor seiner Besucher und so wurde auch viel gesungen bei diesem Neujahrsempfang.

Und dann erzählten noch drei Mitglieder der Gemeinde von ihren ganz persönlichen Erlebnissen: Lilly Munkelt berichtete von familiären Höhepunkten aller Art, von der Taufe bis zur diamantenen Hochzeit. Gertud Schmid berichtete ihrem Engagement in der Gemeinde, von der Umweltbewegung bis zum Hausmeisteramt und sorgte für Lacher, als sie an einen besonders denkwürdigen Gottesdienst ohne Predigt erinnerte: Der Prädikant hatte den Termin schlicht vergessen. Werner Lamm dachte zurück an die Schneeballschlachten vor der Kinderkirch’ und an das sture Auswendiglernen im Konfirmandenunterricht.

Denn während 80 Jahre noch recht jung für eine Kirche sind, stehen sie doch auch für ein sehr erfülltes Menschenleben und für die Geborgenheit, die das Kirchlein darin ausstrahlt – gerade in unsicheren Zeiten. Die Pfarrerin erwähnte noch die feierliche Übergabe der Wolfbuschkirche 1938: Damals habe man vergeblich versucht, die Tür aufzuschließen – bis sich herausstellte, dass sie gar nicht verschlossen war. Auch das ein schönes Bild zum Jahresauftakt. Nach dem offiziellen Teil begrüßte man das junge 2018 bei Sekt und Neujahrsbrezeln und sah das Gotteshaus nun bestimmt mit ganz anderen Augen.