Die beiden Präparatoren Christin Scheinpflug (links) und Jan Panninger ziehen ihrer Wolfsplastik das echte Fell über. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Fast 170 Jahre ist es her, dass in Württemberg der letzte Wolf lebte. Langsam kehren die Wölfe zurück: Letzten Herbst wurde ein Wolf bei Merklingen überfahren. Dieser wird gerade im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart präpariert und Ende Oktober ausgestellt.

Stuttgart - Schön und anmutig sieht er schon jetzt aus, aber auch ein wenig gefährlich. Dabei sind die Präparatoren Christin Scheinpflug und Jan Panninger des Naturkundemuseums Stuttgart noch gar nicht fertig mit dem Wolf namens M 48. Bisher ist die Plastik des Wolfskörpers noch nackt. Das Fell fehlt noch. Gerade machen sie eine Hautprobe: Sie ziehen ihm sein Fell über und gucken ob es passt. Das wird derzeit eigentlich noch im Kühlschrank aufbewahrt, „damit es frisch und elastisch bleibt“, erklärt Panninger.

Der Wolf, den die Prapäratoren hier bearbeiten, ist nicht irgendein Wolf. M 48 war der erste Wolf in Württemberg, nachdem vor 168 Jahren der letzte der Region in Cleebronn erschossen worden war. Er wurde am 26. November 2015 tot auf der Autobahn A8 bei Merklingen gefunden. Ihn ereilte das gleiche Schicksal wie bereits einen anderen Wolf in Baden-Württemberg in diesem Jahr. Im Juni 2015 war nämlich ein Wolf auf der Autobahn A5 bei Lahr ums Leben gekommen. „Auf den Straßen sterben die meisten Wölfe in Deutschland“, erklärt Ulrich Schmid, stellvertretender Direktor des Naturkundemuseums Stuttgart.

Nachdem das tote Tier auf der Autobahn gefunden wurde, musste es erst einmal viele Untersuchungen durchlaufen und ging auf große Reise: Zunächst wurde von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg festgestellt, dass es sich tatsächlich um einen Wolf und nicht etwa einen großen Hund handelte. Danach wurde M 48, so wie es mit allen toten Wölfen in Deutschland geschieht, nach Berlin in das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung gebracht. Dort wurde er seziert, um herauszufinden, was mit dem Tier geschehen ist. Dort stellte sich heraus, dass der Wolf gesund und gut ernährt war – er hatte noch Reste eines Rehs im Magen. Er war etwa 65 cm groß und wog um die 30 kg. Weitere genetische Untersuchungen in Frankfurt und Lausanne zeigten, dass der Wolf aus dem einzigen schweizer Rudel im Calandagebiet bei Chur im Kanton Graubünden stammte. Die Wolfbeobachter in der Schweiz hatten ihm den Namen M 48 gegeben. Dadurch stellte sich ebenfalls heraus, dass dieser Wolf der Bruder, des im Juni bei Lahr überfahrenen Wolfes M 53 war und noch vier weitere Brüder hatte.

Kleinigkeiten entscheiden darüber, ob der Wolf am Ende echt aussieht

Schließlich kam der Wolf ins Präparatorium des Naturkundemuseums. „Wir mussten erst einmal Referenzen nehmen, Abgüsse machen, alles genauestens fotografieren und vermessen“, erklärt der Präparator Jan Panninger. „Dann wurde dem Wolf sprichwörtlich das Fell über die Ohren gezogen und zum Gerber nach Leipzig geschickt.“ Danach begannen die Präparatoren an der Plastik des Wolfskörpers zu arbeiten. „Vorher mussten wir uns gut überlegen, in welche Pose wir den Wolf darstellen möchten. Wir haben uns dazu entschieden, ihn so zu zeigen, wie er lebte, bevor er starb: Auf Wanderschaft. Nicht zu niedlich, aber auch nicht zu böse“, sagt Ulrich Schmid. Der Körper wird aus einem hochwertigen Polyurethan-Schaum modelliert. Das ist keine leichte Aufgabe. Immer wieder müsse man beispielsweise winzige Kleinigkeiten auf Fotos nachschauen, um den Wolf möglichst lebensnah darzustellen. „Das entscheidet am Ende darüber, ob das Tier echt aussieht oder nicht“, sagt Jan Panninger. Er und seine Kollegen sind bereits seit 4 Wochen damit beschäftigt. „In vier Tagen sollten wir aber fertig sein“, sagt er zufrieden. An dem Wolf sind am Ende nur noch die Krallen und das Fell echt. „Das Gebiss wurde bei dem Unfall leider so beschädigt, dass wir es nicht verwenden können.“ Das Skelett des Wolfes wurde natürlich auch präpariert, wird aber nicht ausgestellt, sondern kommt in die wissenschaftliche Sammlung des Museums.

Am Sonntag, den 12. September, können Zuschauer den Präparatoren bei ihren letzten Arbeitsschritten am Wolf über die Schulter schauen. Ab dem 28. Oktober wird der erste württemberger Wolf seit 168 Jahren dann für 10 Tage in der derzeitigen Ausstellung „Naturdetektive“ gezeigt. Danach kommt er erst mal in das Magazin und wartet dort darauf sich in einer der nächsten Ausstellung präsentieren zu dürfen – dann zusammen mit seinem älteren Artgenossen, dem letzten württembergischen Wolf aus dem Jahr 1847, der auch zur Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart gehört.

Wölfe in Deutschland

In Deutschland leben 40 Wolfrudel und Paare (Stand: April 2016). Ein Rudel besteht in der Regel aus zwei erwachsenen Wölfen und zwei bis zehn Jungwölfen. Sie verteilen sich über die östlichen Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Dorthin sind die Wölfe aus Ostpolen eingewandert. Die Wölfe, die in letzter Zeit in den südlichen Bundesländern gesichtet wurden, stammen meist aus den Alpen und der Italienischen Population.

„Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass die Wölfe zurückkommen“, sagt Johannes Enssle, Waldreferent des Naturschutzbundes (NABU) Baden-Württemberg. Im Mai 2016 wurde ein lebender Wolf bei Donaueschingen auf der Baar gesichtet. „Der hinkte allerdings und wir vermuten, dass er sich irgendwo zum Sterben hingelegt hat. Das zeigt aber: Die Population erholt sich – ein riesen Erfolg für den Naturschutz. Bisher wurden hier nur Wölfe aus südlichen Populationen gesichtet. Es kann aber sein, dass weitere Wölfe aus dem Osten einwandern. Dann könnte Baden-Württemberg eine Sonderrolle einnehmen, da sich hier erstmals beide Populationen treffen könnten.“