Die Suche nach einer guten und günstigen Bleibe ist vor allem für bedürftige Familien schwierig. Foto: ewcream/Adobe Stock

Es sind Familien aus Osteuropa oder einem Kriegsgebiet im Nahen Osten, die in Stuttgart wohnungslos werden. Für die Stadt wird es zunehmend schwieriger, sie unterzubringen. Vor allem um die vielen Kinder in diesen Familien will sich die Kommunalpolitik nun mehr kümmern.

Stuttgart - Schon auf Seite drei der Präsentation „Ordnungsrechtliche Unterbringung zur Verhinderung akuter Obdachlosigkeit“ steht in roten Lettern der Vermerk: „Handlungsbedarf!“ Es ist nicht das erste Mal gewesen, dass es im Sozialausschuss des Gemeinderats um die Frage ging, wie man die wachsende Zahl von wohnungslosen Familien in der Stadt unterbringen soll. Doch das Problem wird drängender. Die Zahl der Kinder, die deshalb häufig unter unwürdigen Umständen leben, wächst.

Nach der Statistik waren Mitte des Jahres 2111 wohnungslose Personen von der Stadt untergebracht. „Diese Zahlen haben sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht“, sagt Claudia Brüning vom Sozialamt. Von dieser Gruppe leben 1163 in sogenannten Fürsorgeunterkünften. Das sind Menschen, die schon länger in Stuttgart wohnen und nach einer Zwangsräumung auf der Straße standen. Zwar hat die Stadt auch viel zu wenige Fürsorgeunterkünfte. Die eigentliche Problemgruppe aber bilden jene Bedürftigen, zuletzt 848 Personen, die aus anderen Gründen keine Bleibe haben und in sogenannten Sozialunterkünfte einquartiert sind.

Alle Großstädte haben das Problem

Dabei handelt es sich überwiegend um Familien aus EU-Staaten wie Rumänien, Bulgarien, Italien, Spanien und Polen und aus Flüchtlingsherkunftsländern. Einen großen Anteil haben Arbeitsmigranten aus Rumänien und Bulgarien (keine Sinti und Roma) und zum Teil sehr große Familien mit vielen Kindern aus Syrien und dem Irak. „In diesem Segment sind die Zahlen explodiert“, sagt Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne). Dies sei ein Problem, „das alle Großstädte haben“, betont er.

Noch vor Jahren wohnten in Sozialunterkünften, zumeist sind dies heruntergekommene Hotels oder Pensionen, vor allem alleinstehende Männer aus der Obdachlosenszene. Schon 2014 aber lebten dort 139 Familien und Alleinerziehende mit 70 Kindern. Inzwischen zählt man in 492 Haushalten 271 Kinder, das ist ein Anteil von 55 Prozent. Die Eltern oder Elternteile leben mit ihrem Nachwuchs häufig mit mehreren Personen in einem Zimmer. Wegen der Enge und der auch sonst schwierigen Verhältnisse komme es zu Konflikten unter den Bewohnern und mit den Betreibern.

Kein Geld, kaum Sprachkenntnisse

Die Eltern sind meist nur geringfügig beschäftigt, können kaum Deutsch und sind sozial nicht eingebunden, auch die Kinder nicht. Die Stadt ist nach dem Landespolizeigesetz zwar verpflichtet, die Familien unterzubringen, hat aber kaum Steuerungsmöglichkeiten, auch nicht bei der Belegung der privaten Immobilien. Von den 41 Unterkünfte gibt es nur sechs, die von Sozialträgern geführt werden, in denen eine sozialpädagogische Betreuung angeboten wird.

Teuer ist das Ganze überdies, da es sich nicht um Mietverhältnisse der Bewohner handelt. Die Unterbringung nach dem Gesetz wird für die häufig schäbigen Absteigen über Tagessätze abgerechnet. Angesichts des Wohnungsmangels bezahlt die Stadt pro Kopf und Tag 20 Euro. Dabei kommen für eine alleinstehende Mutter mit drei Kindern, die zusammen ein Zimmer bewohnen, im Monat 2400 Euro zusammen. Man bezahle den Eigentümern „marktübliche Tagessätze“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. „Wir liegen im Mittel, in anderen Städten sind die Sätze zum Teil noch höher.“ Im Vorjahr hat das 5,8 Millionen Euro gekostet.

Wohnungsbau oder Sozialarbeit?

Thomas Adler von der Fraktion SÖS/Linke-plus, welche die Aussprache beantragt hatte, fordert, in der Sache müsse endlich gehandelt werden. Da die betroffene Gruppe auf dem Wohnungsmarkt keine Chance habe, müsse die Stadt „mit eigenem Wohnungsbau auf eigenem Grund“ aktiv werden. Adler: „Das Geld ist doch da.“ Die anderen Fraktionen sind zurückhaltender. Sie teilen die Ziele der Verwaltung, die eine günstigere Verteilung der Betroffenen in den Unterkünften erreichen und für eine kindgerechtere Unterbringung sowie für eine sozialpädagogische Betreuung der Familien sorgen will. „Wir müssen in dieser schrecklichen Situation mehr auf den Kinderschutz achten“, sagt Marita Gröger (SPD). Auch Laura Halding-Hoppenheit (Linke) forderte eine „schnelle Lösung“, sonst blieben die betroffenen Kinder „chancenlos“. Der Zustand sei für die Kinder „nicht tragbar“, befand auch Jochen Stopper (Grüne). Doch er widersprach der Forderung von Thomas Adler. Stopper will keine „Privilegierung“ dieser Gruppe gegenüber den vielen anderen Wohnungssuchenden in der Vormerkdatei der Stadt. Stopper: „Wir haben Verantwortung für alle Zielgruppen.“ Heinrich Fiechtner (BZS 23) sprach von „Totalversagen des Landes“, das seine Regularien im Umgang mit dieser Gruppe, „die von unserem Sozialsystem zehrt“, ändern müsse.

Sozialbürgermeister Wölfle will, dass die Immobilieneigner künftig die Zimmer an die Stadt vermieten („die hätten sonst längst zumachen müssen“), um von einer Bezahlung nach Plätzen wegzukommen und die Belegung der Zimmer künftig steuern zu können.