Uzbee Mohideen vor dem Haus in Weilimdorf, aus dem er und seine Familie ausziehen sollten. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Laut Mieterverein ist es ein unschöner Trend: Wo wenig Miete bezahlt wird, sollen alte Häuser teuren Neubauten weichen. Ein solches Vorhaben wurde nun gerichtlich gestoppt.

StuttgartUzbee Mohideen, seine Frau und ihre beiden Kindern müssen ihrer Wohnung nicht räumen. Das besagt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Bad Cannstatt. „Die Räumungsklage wurde abgewiesen und der Eigentümer muss sogar Schäden am Haus beseitigen“, kommentiert Rüdiger Knabbe, der Anwalt der Familie, die Entscheidung des Gerichts. Der Eigentümer, die Firma Hermann Wohnbau mit Sitz in Kornwestheim, hatte darauf geklagt, dass die Familie, die bereits seit nunmehr 17 Jahren in dem Haus am Stadtrand von Weilimdorf wohnt, ausziehen sollte. Die Begründung: Man sei „an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert“. So steht es in Gerichtsunterlagen, die unserer Redaktion vorliegen. Kurz gesagt bedeutet das: Dem Eigentümer reicht die Miete nicht.

„Die Kündigung mit einer solchen Begründung und zudem so kurz nach Kauf des Hauses hatte nach Einschätzung des Gerichts keine Chance“, berichtet Anwalt Knabbe.

Auf Anfrage unserer Zeitung will sich der Eigentümer der Immobilie nicht zu dem nun ergangenen Urteil oder zu den Gründen für seine Räumungsklage äußern.

Der Fall hatte aus mehreren Gründen für Aufregung gesorgt. Denn als klar war, dass sich die Bewohner gegen die Räumungsklage wehren würden, traten urplötzlich Beschädigungen am Haus auf. Der Kellerzugang etwa wurde mit Bauschutt und Erde zugeschüttet, die Haustür verschwand, die Regenrinne wurde zerstört – Wasser konnte so ungehindert ins Haus eindringen. „Man will die Menschen zum Auszug zwingen, indem man ihnen das Leben unmöglich macht“, erklärte der Landesvorsitzende des Mieterbundes, Rolf Gaßmann im November 2018, als unserer Zeitung zum ersten Mal über den Fall berichtet hatte. Und weiter. „Der Vermieter will die Bewohner zermürben“, so die Vermutung von Rolf Gaßmann. Zudem handelt es sich aus Sicht des Mieterbundes bei weitem nicht um einen Einzelfall, auch wenn meist eine andere Lösung gefunden wird, als beim beschädigten Haus der Familie Mohideen in Weilimdorf.

Mieterverein berichtet: rabiates Vorgehen gegen Mieter kommt häufiger vor

„Ältere Häuser in guter Lage werden abgerissen, um dort ertragreiche, neue Wohnanlagen erstellen zu können“, so Gaßmann. Das Problem von Mietern, die ihre angestammte Umgebung nicht verlassen wollen oder können, werde in vielen Fällen mit Geld gelöst. Beim Bau und dem anschließenden Verkauf oder der Vermietung neuer Wohnungen springe in der Regel genug raus, damit der Bauträger den bisherigen Mietern eine großzügige Abfindung zahlen kann, so der Chef des Mieterbundes. Aber: „Rabiates Vorgehen wie in dem Fall in Weilimdorf beobachten wir leider immer öfter.“

Nach detaillierten Informationen unserer Zeitung hat der Eigentümer der Immobilie vor, an selber Stelle einen Neubau mit mehreren Wohnungen samt einer Tiefgarage zu errichten. Ein entsprechender Antrag ist beim Baurechtsamt der Stadt Stuttgart eingegangen. Auf der Internetseite des Unternehmens wurde zudem ein Bauvorhaben an der fraglichen Adresse beworben. Dort war stets die Rede von einem Projekt namens „neue Grüne Mitte“.

Aktuell wohnen neben der Familie Mohideen noch drei weitere Parteien im Haus – einige seit mehr als 30 Jahren. Alle Mieter waren von derselben Räumungsklage betroffen. Und jede einzelne Klage wurde separat vor Gericht verhandelt. Eines der Verfahren hat mit einem Vergleich geendet. Das bedeutet, dass der Mieter innerhalb einer festgelegten Zeit ausziehen muss und im Gegenzug vom Eigentümer eine Geldzahlung erhält. In einem weiteren Fall wurde keine Einigung erzielt – auch hier wird daher mit einem gerichtlichen Urteil gerechnet. Die Verhandlung im letzten der vier Fälle steht noch aus.

Für Familie Mohideen wird die Wohnungssuche trotz des gewonnenen Rechtsstreits wahrscheinlich weitergehen. Das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter scheint zu sehr zerrüttet. Und: dem eigenen Internetauftritt zufolge, scheint der Eigentümer an seinen Neubauplänen festzuhalten. Trotz verlorener Räumungsklage findet sich das Projekt „neue Grüne Mittee“ noch immer „in Planung“.