Protest gegen hohe Mieten vor dem Stuttgarter Rathaus in der vergangenen Woche. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In seltener Eintracht haben Vertreter von Mietern, Eigentümern und Bauträgern herbe Kritik an Stuttgarts OB Fritz Kuhn geäußert. Das Bündnis für Wohnen, ein Zusammenschluss privater Interessenvertreter und der Verwaltung, sei wirkungslos, so die einhellige Meinung.

Stuttgart - Erklärtes Ziel des Bündnisses für Wohnen war es, Einigkeit zu Fragen der Wohnungsnot in Stuttgart zu erzielen. Genau vier Jahre nach der ersten Sitzung herrscht bei namhaften Bündnispartnern nur in einem Punkt Einigkeit – in der extrem kritischen Haltung zu Stuttgarts grünem Oberbürgermeister Fritz Kuhn.

Eigentlich hätte das Bündnis am Donnerstag vergangener Woche tagen sollen. Doch die Einladungen der Stadt gingen mit so wenig Vorlauf an die Teilnehmer, dass kaum einer den Termin hatte wahrnehmen können. Nun findet die nächste Sitzung Anfang Dezember statt. Doch bis dahin wird der Technische Ausschuss des Gemeinderats (UTA) schon die Dinge beschlossen haben, über die die Experten hätte beraten sollen. „Das hat mit einem Bündnis nichts mehr zu tun“, ärgert sich Marc Bosch, der Vorstandschef des Verbands der Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS). „Es wird egal sein, was wir zu den Themen zu sagen haben, mit denen wir uns beruflich jeden Tag intensiv beschäftigen, denn die Politik hat bis dahin ja schon entschieden“, sagt Bosch. Und der IWS-Chef geht noch weiter: „Das Rathaus täuscht nur vor, dass beim Thema Wohnen viel getan wird.“

Der UTA wird in seiner Sitzung am Dienstag dieser Woche unter anderem darüber abstimmen, die Quote öffentlich geförderter Wohnungen bei Neubauvorhaben von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen.

Der IWS – also die Interessenvertreter der Bauwirtschaft – steht mit seiner Kritik nicht allein. Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins, sagt: „Wenn das Bündnis tagt, nachdem schon Beschlüsse gefallen sind, ergibt das kaum einen Sinn.“ Es bestehe keine Chance mehr, dass die Experten irgendetwas bewirken könnten.

Nach Gaßmanns Meinung handelt sich bei der Terminkollision bei der jüngsten Sitzung auch nicht um eine Ausnahme. Das Stuttgarter Bündnis für Wohnen arbeite nicht kontinuierlich, sagt er. „Ich habe den Eindruck, dass die Sitzungen spontan einberufen werden, wenn aktuelle Beschlüsse der Politik gerade dazu passen“, so Gaßmann.

Die Vertreter von Bauträgern und Mietern erhalten auch Zustimmung vom Stuttgarter Haus-und-Grundbesitzerverein. Geschäftsführer Ulrich Wecker sagt: „Das Bündnis ist ein Feigenblatt und bleibt ohne große Wirkung.“ Der Umgang mit den Experten aus allen Bereichen der Wohnungswirtschaft sei respektlos, so Wecker weiter. Haus und Grund war nach Unstimmigkeiten zu Beginn rasch aus dem Wohnungsbündnis ausgetreten . Wecker erklärt zudem: „Die Verwaltung muss sich entscheiden, ob man die Meinung der Fachleute hören möchte. Wenn das so ist, muss man aber zeigen, dass man die Leute ernst nimmt.“

Das Rathaus reagiert mit Unverständnis auf die Kritik der Bündnisteilnehmer. Die aktuelle Sitzung sei als Informationsveranstaltung gedacht gewesen, erklärt der Pressesprecher der Stadt, Sven Matis, auf Anfrage. „Wir wollten das Bündnis über die Beschlüsse des Gemeinderats informieren und Hintergründe erklären“, so Matis weiter. Man habe die Bündnispartner mitnehmen wollen, heißt es aus dem Rathaus. Das Bündnis habe auch nicht die Funktion, politische Entscheidungen zu treffen, so der Sprecher. „Das ist Sache des Gemeinderats.“ Der Oberbürgermeister habe das Bündnis ins Leben gerufen, damit alle Interessenvertreter der Wohnungswirtschaft an einem Tisch zusammenkommen können. Die nächste große Sitzung des Bündnisses sei für das kommende Frühjahr geplant, so Matis.

Offenbar gingen nicht nur die Einladungen sondern auch die Absagen zur eigentlich für die vergangene Woche anberaumten Sitzung sehr kurzfristig raus. Nach Informationen unserer Zeitung hatten die Mitarbeiter des Rathauses den Sitzungssaal trotz abgesagtem Bündnistermin mit Kaffee und Mineralwasser für die Teilnehmer eingedeckt.