Flüchtlingsfamilien finden ohne städtische Hilfe kaum einmal eine Wohnung. Foto: dpa

Flüchtlinge haben so gut wie keine Chance, eine Wohnung zu finden. Das Sindelfinger Sozialamt umwirbt nun Vermieter. Selbst die Kehrwoche wird garantiert.

Sindelfingen - Für Vermieter liest sich das Angebot wie ein Rundum-sorglos-Paket: Die Stadt garantiert die Miete; die Stadt haftet für Schäden; Streit mit dem Mieter schlichtet die Stadt. Bei Bedarf sorgen Sozialarbeiter für Ordnung. Wer sich dauerhaft daneben benimmt, den zwingt die Stadt zum Auszug. Nach einer Wohnungskündigung garantiert sie eine pünktliche Räumung. Selbst darüber, dass die Kehrwoche ordnungsgemäß erledigt wird, wacht die Stadt. Mit all diesen Versprechungen versucht die Sindelfinger Sozialverwaltung, Wohnungseigentümer zur Vermietung zu bewegen. Sie umwirbt sie sogar auf der ersten Seite ihres Amtsblatts.

Allerdings hat die Großzügigkeit eine amtlich festgelegte Grenze, die Mietobergrenze. Höchstens 434 Euro für 45 Quadratmeter und eine Person, höchstens 750 Euro für 90 Quadratmeter Wohnfläche, auf der vier Menschen leben, dürfen die Vermieter verlangen. Diese Summen bestimmt das Landratsamt als „angemessene Kaltmiete“ für Menschen, die von Hartz IV leben, denn die Stadt sucht Wohnungen für Flüchtlinge und Obdachlose, die in Heimen leben.

Die Preise pendeln etwa 20 Prozent über den garantierten Mieten

Die Preise für Neuvermietungen in Sindelfingen pendeln gerade etwa 20 Prozent über den festgelegten Summen. Aber „für viele ist die Sicherheit eine Motivation, zwei, drei Euro pro Quadratmeter unter dem Marktpreis zu bleiben“, sagt Hans-Georg Burr, der Leiter des Sozialamts. Insbesondere im Fall „entsprechender Erfahrungen“ – schlechte Erfahrungen mit Mietern, die nicht zahlen oder trotz Kündigung nicht ausziehen.

Im Umkehrschluss ist das freundliche Angebot ein Notruf. Städte sind verpflichtet, Menschen ohne Unterkunft eine Bleibe zu bieten. In Sindelfingen stellten dafür in der Vergangenheit die Wohnstätten Wohnungen zur Verfügung, eine städtische Tochter, oder andere Baugenossenschaften. Angesichts des dauerhaften Wohnungsmangels sind aber auch deren Kapazitäten erschöpft. Inzwischen gilt schon als Erfolg, dass die Wohnstätten jüngst ein Haus mit zehn Wohnungen befristet vermieteten – bis zum Abriss des Gebäudes.

Wer die Telefonnummer aus dem Anzeigentext wählt, den begrüßt Simone Killinger, die im Rathaus mit der Flüchtlingsarbeit beauftragt ist. „Die Wohnungsnot in Sindelfingen ist sehr groß“, sagt sie, auch als städtische Angestellte habe man es sehr schwer, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Für ihre Klientel sei dies „unfassbar schwer“. Bei Flüchtlingen sowie Obdachlosen scheitert die Wohnungssuche standardmäßig schon daran, dass sie die längst obligatorischen Verdienstnachweise nicht vorlegen können.

Etwa einmal monatlich unterschreibt ein Vermieter einen Vertrag

Vermieter, die nicht ablehnen, sobald sie die Mietobergrenzen hören, lädt Killinger zum Informationsgespräch ein. Ihr Werben ist durchaus erfolgreich. Etwa einmal monatlich unterschreibt ein Vermieter einen Vertrag. Die neuen Bewohner sind nicht die neuen Mieter, sondern der Vertragspartner ist die Stadt. Die Bewohner werden vom Sozialamt „eingewiesen“, wie es unwirsch im Verwaltungsdeutsch heißt. Bei dauerhaften Verstößen gegen die Hausordnung oder allgemeine Regeln des Zusammenlebens werden sie wieder der Wohnung verwiesen und müssen zurück in eine Massenunterkunft. „Das sind nur seltene Fälle“, sagt Burr, „aber wir tun das“.

„Die meisten Vermieter möchten etwas Gutes tun“, sagt Simone Killinger – wenn auch womöglich eher im Nebeneffekt. Häufig melden sich Angehörige von Verstorbenen oder von älteren Menschen, die in ein Pflegeheim umziehen müssen. Sie scheuen entweder den Aufwand, den eine Vermietung mit sich bringt, oder befürchten Ärger mit ihren künftigen Mietern. Dann lockt eben weniger das Geld, mehr das Rundum-sorglos-Paket der Stadt.