Erst ab einer Miete, die für viele Menschen unbezahlbar ist, lohnt sich Wohnungsbau für einen Unternehmer – Branchenvertreter in Stuttgart wollen das ändern. Foto: dpa

Selbst mit einem Nettoeinkommen von 4200 Euro ist es für eine vierköpfige Familie nicht mehr möglich, eine neue Wohnung zu finden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Verbands Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS). Um das zu ändern, sucht die Branche Partner in der Politik.

Stuttgart - Die Mitglieder des Verbands Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS) haben etwas getan, was Unternehmer normalerweise unter allen Umständen vermeiden. Sie haben ihre Bücher offengelegt. Ziel der Aktion ist es, in einer Studie realistische Einschätzungen machen zu können, was es tatsächlich kostet, Wohnungen zu bauen. Die Antwort: Bei den aktuellen Bau- und Bodenpreisen rechnet sich Wohnungsbau erst ab einer Miete von 14,50 Euro pro Quadratmeter. Das zweite Ergebnis der IWS-Analyse: Selbst mit einem gesamten Nettoeinkommen von 4200 Euro ist das für eine vierköpfige Familie nicht leistbar.

Die Mitgliedsunternehmen des IWS – darunter zahlreiche der bekannten und renommierten Bauträger der Region – haben in ihren Kalkulationen nach Kostentreibern geforscht. Einen Grund für gestiegene Baupreise haben die Unternehmen in den Vorgaben der Politik ausgemacht. Umgerechnet 106 Euro pro Monat kostet der Bau der vorgegebenen Tiefgaragenstellplätze bei einer 90 Quadratmeter großen Musterwohnung, Anforderungen zum Thema Barrierefreiheit schlagen der Untersuchung zufolge mit 29 Euro monatlich zu Buche. Im Vergleich zum Pkw-Stellplatz sind die viel diskutierten Radabstellplätze mit monatlich umgerechnet 23 Euro noch relativ günstig. Insgesamt geben die IWS-Unternehmen die Mehrkosten durch politische Vorgaben bei der beispielhaft gewählten Vierzimmerwohnung mit monatlich 351 Euro an.

Die Lösungsvorschläge der Baubranche klingen im ersten Moment vergleichsweise simpel: Verzicht auf Keller, weniger Stellplätze, Grundstücke besser ausnutzen – will heißen: dichter bauen – oder kürzere Bearbeitungszeiten bei kommunalen Ämtern sind Punkte, die nach Ansicht des IWS die Kosten und damit am Ende die Miete bereits deutlich senken könnten. „In Stuttgart darf auch die Außenentwicklung kein Tabu mehr sein“, fordert IWS-Chef Marc Bosch. In der Landeshauptstadt werden auf politischen Wunsch hin keine neuen Baugebiete ausgewiesen. Gebaut werden darf nur, wo der Boden bereits zuvor versiegelt oder bebaut ist.

Fertige Wohnungen gehen ohne Marge an die Stadt

Um trotz aller Widrigkeiten doch Wohnungen bauen zu können, die später für Normalverdiener bezahlbar sind, sucht der Wohnbauverband nun Partner in den Rathäusern der Region Stuttgart. „Wir wollen ein Pilotprojekt realisieren“, sagt Bosch. Konkret sieht das Angebot so aus: Der IWS plant und entwickelt mit seinen Mitgliedsbetrieben ein Wohnbauprojekt auf einem Grundstück, welches die nun gesuchte Kommune zu Marktkonditionen zur Verfügung stellt. Die Kommune unterstützt das Vorhaben durch das Ausnutzen von Ermessensspielräumen und durch die Mitarbeit in einer Task-Force genannten Arbeitsgruppe. Damit sollen Abläufe und Zusammenarbeit beschleunigt werden.

„Wenn wir zusammenarbeiten, schaffen wir es, statt für 14,50 Euro für 12,30 Euro zu vermieten“, sagt Marc Bosch. Knapp 200 Euro weniger Kaltmiete würde das bei 90 Quadratmetern pro Monat bedeuten. Am Ende, so der ambitionierte Plan des Verbands und seiner Mitglieder, soll das neue Wohnquartier zu Herstellkosten an den Baulandgeber, wahrscheinlich also an die gesuchte Kommune, gehen.

„Die spannende Frage ist nun: Welche Stadt meldet sich und macht mit?“, sagt Marc Bosch. Der Ball liege jetzt im Feld der Politik. Der IWS hat die Studie in einem frühen Stadium im Übrigen bereits im Stuttgarter Rathaus bei OB Fritz Kuhn, Baubürgermeister Peter Pätzold (beide Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vorgestellt. Auch sämtliche Fraktionen im Gemeinderat kennen die Zahlen des Verbands. „Uns ist jede Kommune als Partner willkommen“, sagt Marc Bosch abschließend und fügt noch an: „Aber es wäre natürlich ein wichtiger Fingerzeig für alle Beteiligten, wenn die Landeshauptstadt mit uns zusammenarbeiten würde.“