Stuttgarts OB Kuhn hat mit seiner Kritik offenbar einen wunden Punkt getroffen. Foto: dpa

Die Nachbarstädte fühlen sich von Stuttgarts Oberbürgermeister überrumpelt und verladen. Ihr Unverständnis gilt der Kritik Kuhns, die Region würde zu wenig Sozial- und Geschossbauten planen.

Stuttgart - Beim Thema Wohnungsbau hängt der Haussegen in der Region Stuttgart schief. Anlass ist die Kritik von Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Verband Region Stuttgart, dem er indirekt Untätigkeit vorwarf, und an den Nachbarstädten, die sich zu wenig um den Geschoss- und den sozialen Wohnungsbau kümmern würden. Auf mehreren Veranstaltungen in den vergangenen Tagen haben Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) und zwei Oberbürgermeister diese Vorwürfe scharf zurückgewiesen. „Ich halte gegenseitige Schuldzuweisungen nicht für zielführend“, sagte Bopp.

Kuhn hatte in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung gesagt, „der Verband Region Stuttgart redet viel und macht viele Kongresse“. Und in den Nachbarstädten werde zwar „am Sonntag viel über sozialen und bezahlbaren Geschosswohnungsbau geredet, aber werktags werden statt Geschosswohnungen lieber Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften gebaut“. Das Stuttgarter Wohnungsproblem lasse sich aber nur regional lösen.

Dagegen betonte beispielsweise Andreas Hesky, Oberbürgermeister von Waiblingen: „Auch im Umland werden kostengünstige Wohnungen gebaut, ebenso Doppelhaushälften und Geschosswohnungsbau in guter Mischung – genauso wie in Stuttgart“. In einer Sitzung der Regionalversammlung wandte sich Hesky, der Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler ist, direkt an Kuhn, der für die Grünen in dem Gremium sitzt und stellvertretender Regionalpräsident ist: „Ihre Attacke gegen den Verband und andere Kommunen verwundert. So kennen wir Sie gar nicht“.

Die SPD dreht den Spieß um

Auch der SPD-Fraktionschef Harald Raß und der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger wiesen die Vorwürfe Kuhns zurück. Zieger sagte auf einer SPD-Regionalkonferenz, in seiner Stadt würden in Relation zur Einwohnerzahl deutlich mehr Sozial- und Mietwohnungen gebaut als in Stuttgart. Die SPD in der Region fordert in einem Papier zur Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA), dass dabei vor allem „integrierte Quartiere“ entwickelt werden müssten, in denen bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum entstehe. Aber bei der IBA habe „Stuttgart ja auch zum Jagen getragen werden müssen“, merkte Zieger an.

Der Haus- und Grundbesitzerverein Stuttgart, der schon lange mit Kuhn im Clinch liegt, überzieht ihn in einem offenen Brief als Reaktion auf das Interview mit Vorwürfen. „Wir glauben nicht, dass Sie die Umland-Kommunen zu mehr Wohnungsbau bewegen, wenn Sie sie aus dem Talkessel heraus mit Vorhaltungen überziehen und ihnen Belehrungen erteilen.“

Auch die Landesregierung nimmt den Verband und die Städte vor der Kritik von Kuhn in Schutz. Michael Kleiner vom Wirtschaftsministerium lobte die Initiativen der Region und sieht die Kommunen auf dem richtigen Weg .