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Das Gesetz zwingt Hartz-IV-Empfänger zu billigerer Wohnung - das Problem ist nur, wo?  

Stuttgart - Hartz-IV-Empfänger, deren Wohnungsmiete die gesetzliche Obergrenze übersteigt, müssen sich eine billigere Bleibe suchen. Experten räumen diesen Bemühungen jedoch kaum Chancen ein. Denn viele Vermieter fürchten, dass die Miete nicht bezahlt wird.

Etwa 41.000 Männer und Frauen beziehungsweise 22.000 Haushalte beziehen derzeit in Stuttgart vom Jobcenter mit Hartz IV das sogenannte Arbeitslosengeld II und erhalten die Mietkosten erstattet. Knapp hundert dieser Haushalte werden jedoch laut Jobcenter pro Monat aufgefordert, in eine billigere Wohnung zu ziehen. Denn die Kaltmiete übersteigt in diesen Fällen die gesetzlich zulässige Obergrenze. Die "angemessenen Kosten" liegen derzeit in Stuttgart bei 333 Euro für den Einpersonenhaushalt. Für jede weitere Person gibt es in etwa 90 Euro mehr. Ist die Miete höher, haben die Betroffenen in der Regel sechs Monate für die Wohnungssuche Zeit. Danach wird nur noch bis zum Höchstbetrag bezahlt, sofern der Hartz-IV-Empfänger nicht nachweist, dass er sich intensiv um günstigere vier Wände bemüht hat. Notwendig wird die Suche, wenn Menschen erstmals in den Hartz-IV-Bezug rutschen, bei Trennungen oder Todesfällen.

Viele Wohnungssuchende scheitern allerdings an der Realität: "Sobald ich sage, dass ich keinen Job habe, winken Makler und Vermieter ab", klagt ein Arbeitsloser, der nicht genannt sein möchte. Nachdem seine Partnerin ihn verlassen hat, lebt er allein in einer Dreizimmerwohnung für knapp 700 Euro. Weil das Jobcenter die Kosten nicht mehr voll übernimmt und er seit Juni nur noch 400 Euro bezahlt, fürchtet er, dass sein Vermieter ihm demnächst kündigt. "Obwohl ich auch im Umland suche, unterstellt mir das Jobcenter, dass ich mich nicht genügend bemühe", sagt der 50-Jährige.

Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart und Umgebung, hält die Bemühungen des 50-Jährigen für eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: "Die Obergrenzen berechnen sich aus den Durchschnittsmieten des aktuellen Mietspiegels. Das sind derzeit 7,40 Euro pro Quadratmeter. Bei Neuvermietungen liegen die Preise aber bis zu 20 Prozent über den Durchschnittwerten", sagt Gaßmann und stellt fest, dass allenfalls geförderte Wohnungen im Kostenrahmen liegen. Die Wartezeiten seien allerdings extrem lang, weil zu wenig Sozialwohnungen gebaut würden.

Beim städtischen Amt für Liegenschaften und Wohnen stehen derzeit 2879 Stuttgarter auf der Warteliste für eine geförderte Wohnung. 1448 Personen haben einen "dringenden Bedarf". Die Wartezeiten liegen laut Behörde für Single-Wohnungen bei 19 Monaten. Paare warten sechs, drei Personen sieben und vierköpfige Familien zwölf Monate auf eine geförderte Wohnung.

Vermieter nehmen ungern Arbeitslose

Außer dem raren Angebot an günstigen Wohnungen erschwert Arbeitslosen die Zurückhaltung der Vermieter die Wohnungssuche. "Der Mietspiegel hinkt der Realität zehn Jahre hinterher. Und mögliche Mieter müssen den Vermieter darüber informieren, dass sie arbeitslos sind", stellt Immobilienmakler Erich Hildenbrandt fest. Sein Kollege bestätigt, dass Vermieter, die unter den Mietern wählen können, ihre Wohnung aus Angst davor, dass die Miete nicht überwiesen wird, "gar nicht an einen Arbeitslosen vermieten". Besser für den Arbeitslosen stünden die Chancen laut Hildenbrandt, wenn das Jobcenter die Miete direkt an den Vermieter überweisen würde.

Die Auszahlung der Miete direkt an den Vermieter ist laut Thorsten Wieland, Jurist beim Jobcenter, erst seit vergangenem April möglich. Allerdings nur dann, wenn der Hilfeempfänger dies ausdrücklich wünscht. Bisher durfte das Jobcenter nur dann direkt an den Vermieter überweisen, wenn beispielsweise die Gefahr bestand, dass der Hilfeempfänger aufgrund einer Suchterkrankung die Miete schuldig bleibt.

Im Gegensatz zu Mieterverein und Maklern glaubt das Jobcenter jedoch, dass die Mehrheit der arbeitslosen Wohnungssuchenden innerhalb von sechs Monaten eine Unterkunft im erforderlichen Kostenrahmen findet. "Dass es solche Wohnungen gibt, beweist ein Blick ins Internetangebot", meint Wieland.

Zahlen über die Erfolgsquote bei der Wohnungssuche hat das Jobcenter nicht, dafür aber Zahlen über Widersprüche und Klagen gegen die Absenkung der Kosten für die Unterkunft. "Die sind mit 36 Widersprüchen und drei Klagen im ersten Halbjahr sehr gering", konstatiert Wieland. Außerdem lasse sich ein Umzug in eine billigere Wohnung meist dadurch vermeiden, dass der Betroffene einen 400-Euro-Job übernehme und den Fehlbetrag selbst bezahle, einen Untermieter finde oder Verwandte einsprängen.

Für den 50-Jährigen, der Angst hat, seine Dreizimmerwohnung zu verlieren, sind die Tipps keine Alternative. Sein Vermieter würde einer Untervermietung nicht zustimmen, Verwandte seien nicht vorhanden - und mit einem 400-Euro-Job klappe es auch nicht, versichert er und meint: "Man kann sich anstrengen, wie man will: Wenn man länger aus dem Job raus ist, kriegt man weder auf dem Arbeits- noch auf dem Wohnungsmarkt eine Chance."