Wohnungsbau wie hier steht beim Stuttgarter Gemeinderat auf der Dringlichkeitsliste weit oben, aber bislang hinkt der Bau dem wachsenden Bedarf hinterher. Foto: dpa

Die Grünen, die SPD und SÖS/Linke-plus machen Ernst mit ihrer Forderung, dass die Kommune eine aktivere Rolle auf dem Wohnungsmarkt spielt und mehr Bauland aufkauft.

Stuttgart - Eine Mehrheit im Gemeinderat will durchsetzen, dass die Landeshauptstadt und das städtische Wohnungsunternehmen SWSG ihren Wohnungsbestand Zug um Zug ausbauen: von derzeit gut 18 000 Einheiten auf 30 000 und von einer Quote am Wohnungsmarkt in Stuttgart von momentan sechs Prozent auf künftig zehn Prozent. Den entsprechenden Antrag haben am Donnerstag die Grünen, die SPD und die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus im Rathaus eingebracht.

Damit belebten sie im Zeichen von drastischem Wohnungsmangel, von „grassierender Spekulation und Preistreiberei“ (Stadtrat Thomas Adler) und horrenden Mietpreisen die ökosoziale Mehrheit im Rathaus wieder. Über die verfügen sie in geschrumpfter Form auch noch seit der letzten Gemeinderatswahl 2014. Allerdings hat es seitdem in vielen Fragen Bündnisse zwischen den Grünen und der CDU gegeben.

Nun fordert die hauchdünne ökosoziale Mehrheit einen Zielbeschluss. Im November soll sich der Gemeinderat zu „geeigneten Maßnahmen“ wie der Ausübung von Vorkaufsrechten für Grundstücke bekennen und zur Schaffung neuer Vorkaufsrechte, indem die Stadt mehr Wohnviertel unter Milieuschutz stellt. Aber auch zum Verzicht auf mancherlei Grundstücksverkäufe und zum aktiven Ankauf von Liegenschaften. Darin sehe man „das zentrale Instrument“, um daran zu arbeiten, dass sich Normal- und Geringverdiener in Stuttgart noch eine Wohnung leisten könnten. Das von OB Fritz Kuhn (Grüne) geschmiedete Bündnis für Wohnen habe noch keine Trendumkehr auf dem Wohnungsmarkt gebracht, sagte Adler, Sprecher der Fraktionsgemeinschaft vonseiten der Linken, bei der Vorstellung des Antrags.

Es gibt feine Unterschiede

Ein konkretes Zeitziel für die Einlösung der Zehn-Prozent-Quote könne es nicht geben, meinte Silvia Fischer (Grüne). Es könne zwar kurzfristige Wirkungen und Linderung der Situation geben, sagte Martin Körner, größtenteils würden Wirkungen aber mittel- und langfristig eintreten. Hannes Rockenbauch (SÖS), Co-Chef der Fraktionsgemeinschaft, nannte das Jahr 2035. Adler wäre 2025 lieber.

Auch sonst gibt es feine Unterschiede: SÖS/Linke-plus würde sich eine noch aktivere Gemeindewohnungspolitik wünschen wie sie in Wien betrieben wird. Die Frage, ob zehn Prozent die richtige Quote ist, habe man natürlich vor der Antragstellung diskutiert, hieß es. Rockenbauch und Adler sehen in der Initiative den Startpunkt für einen „Kurswechsel“. Die Grünen formulierten, man wolle „die Schlagzahl erhöhen“ und „Rückenwind“ geben. Denn viel sei in diese Richtung schon gelaufen. So habe die Stadt die Flächen für die großen geplanten Wohnungsbauschwerpunkte bereits unter ihre Kontrolle gebracht. Fischer befürwortete auch ausdrücklich, dass die SWSG veraltete Gebäude abreißen kann und auf derselben Fläche doppelt so viele neue Wohnungen schafft. SÖS/Linke-plus ist beim Abriss zurückhaltend. Beide Riegen bekannten sich wiederum gemeinsam zum Kurs der Innenentwicklung beim Wohnungsbau, sprich in Ortslagen, auf Brachen und auf Flächen, für die relativ einfach Baurecht geschaffen werden kann. Auf der grünen Wiese wollen Grüne und SÖS/Linke-plus nicht bauen. „Änderungen des Flächennutzungsplans dauern sowieso mehrere Jahre“, sagte Fischer. Die SPD dagegen will ausdrücklich auch mal über diese Grenzen hinausgehen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Weil es mancherlei Nuancen gebe, sei der gemeinsame Antrag umso höher einzuschätzen, sagte Rockenbauch.

Stadt soll Preistreiberei vorbeugen

Ausdrücklich wollen die Antragsteller, dass die Stadt auf dem Markt Grundstücke und Wohnhäuser kauft, auch wenn das im Moment teuer ist. Die Stadt habe zuletzt freie Liquidität in der Größenordnung von 200 bis 300 Millionen Euro gehabt, und wenn sie Wertpapier kaufe oder Geld zum Zinssatz von 0,01 Prozent anlege, bereite das ja auch niemand Kopfzerbrechen, sagte Körner. Aber natürlich müsse die Stadt mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten wie Satzungen der Preistreiberei vorbeugen. Adler: „Wir können Anbietern nicht unbegrenzt öffentliche Gelder rüberschieben.“

Allen zusammen ist klar, dass die Arbeit nach dem Zielbeschluss erst richtig losgeht und dass um die Realisierung ständig gerungen werden müsse – wenn zum Beispiel Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) wieder mal Gelände verkaufen oder von einem Vorkaufsrecht nicht Gebrauch machen wolle. Andererseits habe Föll in der Ägide von Fritz Kuhn auch schon oft Grundstücke gekauft, sagte Fischer. Die Antragsteller hätten es aber gern deutlich systematischer und mit Quotenziel.

Unsere Kollegen von Stuggi TV erklären im Video, warum die Mieten in Stuttgart so teuer sind: