Welche Mieterhöhung ist rechtens? Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat keinen eigenen Mietspiegel. Im Stadtgebiet gilt stattdessen der Mietspiegel aus Stuttgart. U nd das kann teure Folgen haben, wie ein Beispiel zeigt.

Leinfelden-Echterdingen - Leinfelden-Echterdingen liegt zwar vor den Toren der Landeshauptstadt. Und man spricht vom Stuttgarter Flughafen, obwohl sich der Airport in L.-E. befindet. Klar ist trotzdem: Diese Stadt ist kein Teil von Stuttgart. Dennoch gilt dort der Stuttgarter Mietspiegel. Wer also in L.-E. ein Haus oder eine Wohnung vermietet, darf sich am Stuttgarter Preisniveau orientieren. Das hat der Gemeinderat einst beschlossen. Einen eigenen Mietspiegel hat die Kommune nicht. „Wir haben bisher dafür keine Notwendigkeit gesehen“, sagt Bürgermeisterin Eva Noller. „Zumal die Mietpreise in unserer Stadt durchaus mit jenen der Stuttgarter Filder-Vororte wie Plieningen oder Möhringen verglichen werden können.“

Bekanntlich ist der Wohnungsmarkt auf den Fildern völlig überspannt. Menschen mit geringem oder auch normalem Einkommen können sich dieses teure Pflaster kaum noch leisten. Linderung könnte eine Neuauflage der Mietpreisbremse des Landes bringen, welche das Kabinett kürzlich freigegeben hat. In diesem Papier ist nun auch Leinfelden-Echterdingen als Stadt mit sehr hohen Mietpreisen gelistet. Demnach dürfen Vermieter von Juni an, wenn sie einen neuen Vertrag für eine Wohnung in L.-E. abschließen, die ortsübliche Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent übersteigen. Um diese aber zu berechnen, müssen sie für L.-E. den Stuttgarter Mietspiegel heranziehen.

Für Josef Gläser, Anwalt für Straf- und auch Mietrecht, ist derweil klar, dass der Mietspiegel-Beschluss des Gemeinderates nicht mehr lange Gültigkeit haben kann. „Fortan wird sich kein Vermieter in L.-E. mehr auf den Stuttgarter Mietspiegel beziehen können“, sagt er. Das sei eine zwanglose Folge der zu erwartenden neuen Rechtsprechung des Amtsgerichts Nürtingen. Denn: „Der Gemeinderat kann kein Bundesrecht aushebeln“, sagt er. Vielmehr lege der Paragraf 558a BGB die Bedingungen fest. So habe er auch bei einem aktuellen Fall von Anfang an argumentiert.

Eine saftige Mieterhöhung

Eine seiner Mandantinnen gehört den amerikanischen Streitkräften an. Seit 2016 lebt sie in einem knapp 200 Quadratmeter großen Appartement im Echterdinger Carré. Die zentrale Lage und die sehr gute Ausstattung schlägt sich im Mietpreis nieder. 2614 Euro überweist die Frau Monat für Monat an ihren Vermieter, die Immobiliengesellschaft Echterdinger Carré mit Sitz in Weissach. Das entspricht 13 Euro pro Quadratmeter.

Das ist viel Geld, auch wenn der amerikanische Staat laut Gläser recht großzügige Wohnpauschalen zahlt, die einen relativ teuren Mietmarkt abdecken. Dennoch sollte die Miete seiner Mandantin um weitere 498 Euro und damit auf knapp 16 Euro pro Quadratmeter ansteigen. Der Fachanwalt bezeichnet dies als eine „saftige Erhöhung“. Und sagt: „Wir sind gegen die angedrohte Mieterhöhung vorgegangen.“ Die dann aber dennoch kam.

Dieter Burr, Miteigentümer der Immobiliengesellschaft Echterdinger Carré, sagt: „Wir haben von der Vermieterin vor einem Jahr eine Mieterhöhung verlangt.“ Man habe sich dabei am örtlichen Mietspiegel orientiert – und damit zwangsläufig an jenem der Landeshauptstadt. Man müsse auch beachten, sagt er, dass die Anschaffung einer solchen Wohnung eine siebenstellige Summe kostet.

Auf Zustimmung verklagt

Die Sache ging vor Gericht „Die Amerikanerin wurde von ihrem Vermieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung verklagt“, schreibt Gläser unserer Zeitung. Das Nürtinger Amtsgericht hatte die Anwendung des Stuttgarter Mietspiegels zunächst grundsätzlich für zulässig angesehen, berichtet er. In einem zweiten Schritt hat das Gericht dann einen Hinweisbeschluss erlassen. In diesem steht, dass auch wenn Leinfelden-Echterdingen den Stuttgarter Mietspiegel ausdrücklich für anwendbar erklärt, dies nicht zum Vorliegen eines Mietspiegels für die Gemeinde im Sinne des BGBs führe. Die unmittelbare Anwendung des Stuttgarter Mietspiegels auf diese Stadt ist demnach nicht zulässig. Gläser wertet dies als eindeutiges Signal an alle Vermieter in L.-E.; das Nürtinger Amtsgericht hält die Klage der Immobiliengesellschaft in dieser ersten Einschätzung auch aufgrund formaler Mängel für unzulässig.

Laut Dieter Burr hat das Gericht der Vermieterin Kompromisse unterbreitet. Man hätte sich zumindest übergangsweise, bis der befristete Mietvertrag ausläuft, auf eine Summe zwischen der bisherigen und der vorgeschlagenen Miete einigen können. Doch diese Vorschläge habe eine Verbindungsstelle zwischen den amerikanischen Streitkräften und dem deutschen Mietmarkt alle abgelehnt.

Das Ergebnis sei offen

Laut Anwalt Gläser habe die Immobiliengesellschaft nun wenig Spielraum. Sie müsse ihre Klage zurückziehen, das stellt auch das Amtsgericht der Klägerin in dem Hinweisbeschluss anheim. Mitgesellschafter Burr sieht das etwas anders: „Der Ergebnis ist durchaus noch offen“, sagt er.

„Mitte April wird die zuständige Richterin über den Fortgang des Verfahrens entscheiden“, sagt Sabine Kienzle-Hiemer, die Direktorin des Amtsgerichts. Auf die Frage, welche Auswirkungen dieses Urteil auf alle künftigen Vermietungen in L.-E. haben könnte, sagt sie: „Ein etwaiges Urteil hat nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits Wirkung.“

Bürgermeisterin Eva Noller zeigt sich derweil nicht abgeneigt, auch vor dem Hintergrund der Neuauflage der Mietpreisbremse die Sache mit dem Mietspiegel im Gemeinderat zu thematisieren, „wenn wir wieder tagen dürfen“, sagt sie.