Beispiel Ludwigsburg: Müssen künftig statt Reihen- mehr Mehrfamilienhäuser her? Foto: Peter Petsch

Diskutieren Sie mit - Die Regionalräte diskutieren lebhaft darüber, ob es genug Wohnbauflächen im Ballungsraum gibt oder nicht. Das Fazit der Mehrheit lautet: Es gibt sie, aber sie werden nicht bebaut.

Stuttgart - Nach einer Bilanz des Verbands Region Stuttgart stehen im Ballungsraum Bauplätze mit einer Fläche von etwa 2350 Hektar für rund 190.000 Menschen grundsätzlich zur Verfügung. Fakt ist aber auch, dass tatsächlich zu wenige Wohnungen für die wachsende Bevölkerung entstehen. „Wer schon einmal gesucht hat“, sagte Regionaldirektorin Nicola Schelling, „weiß, dass die Nachfrage das Angebot teils weit übersteigt“. Die Flüchtlingswelle macht das Thema noch brisanter. Im Planungsausschuss der Regionalversammlung wird heftig um die Schlussfolgerungen gerungen.

Wohnbauschwerpunkte: Im Regionalplan gibt es 41 Schwerpunkte für Wohnbau entlang der Schienenwege, die laut Regionalplaner Thomas Kiwitt Platz für 38.000 Menschen bieten. Kiwitt räumt jedoch ein, dass die Kommunen offenbar nicht akzeptieren, dass dort 90 Einwohner pro Hektar untergebracht werden müssten. Stuttgarts Ex-Baubürgermeister mutmaßt, dass mancher Bürgermeister auf „ein anderes Segment“ von Häusern und damit Einwohnern setze, und Jürgen Lenz (CDU) kritisiert konkret, „dass selbst Gemeinden an S-Bahn-Linien auf Gebiete für Einfamilienhäuser abonniert seien“. Dafür ist die Nachfrage stark, und soziale Spannungen scheinen ausgeschlossen.

Während Stephan Wunsch (AfD) moniert, dass der Ausschuss immer wieder zulasse, dass Kommunen in Baugebieten nur 50 oder 60 Einwohner pro Hektar vorsehen, betont Kiwitt, dass man zumindest die 90 in Schwerpunkten einfordern müsse. Nur so könne günstiger Wohnraum entstehen – nicht weil der Baugrund günstig sei, sondern weil sich die Bewohner am S-Bahn-Halt ein Auto sparten. SPD-Regionalrat Hahn fragt sogar, ob „90 Menschen nicht noch zu wenig ist?“

Kiwitt sieht auch als Problem, dass mehr als die Hälfte aller Flächennutzungspläne, in denen die Kommunen die Verteilung der Baugebiete festlegten „älter als 50 Jahre seien“. Diese gehörten eigentlich auf einen aktuellen Stand gebracht. Die Flächen sind bürokratisch betrachtet eigentlich am schnellsten verfügbar – wenn sie aber „Karteileichen“ enthielten, so Kiwitt, könne man sich auch über Flächentausch unterhalten. Dieses und andere Themen wolle er 2016 mit den Kommunen besprechen und dann wieder in den Ausschuss kommen.

Die kommunale Sicht: Für den Ersten Bürgermeister von Esslingen, Wilfried Wallbrecht (Freie Wähler) ist der Regionalplan mit schuld, dass zu wenig gebaut wird. Städte in der Größe von Esslingen dürfen pro Jahr Wohnraum für 0,3 Prozent der Bevölkerung neu schaffen. „Das führt zu Einwohnerverlust“, sagte Wallbrecht, weil die Wohnfläche pro Kopf weiterhin zunehme und immer mehr Ältere allein in ihren Häusern wohnen. „Diese Grundlast, die wir brauchen, um die Bevölkerung zu halten“, sagt Wallbrecht an die Adresse von Kiwitt, „haben Sie vernachlässigt“.

Wo sollen da die Wohnungen für Neubürger herkommen?, schwingt in Wallbrechts Worten mit. Nach Kiwitt ist der Effekt der allein stehenden Älteren nicht überall spürbar.

Abseits der S-Bahn: Weit auseinander gehen die Meinungen, was die kleinen Gemeinden angeht, die abseits der S-Bahn-Linien liegen. Sie dürfen nur so viele Wohnungen zulassen, wie in der eigenen Bevölkerung gebraucht werden – ohne Zuzug von außen. Die Freien Wähler halten dies nicht für ausreichend, sagt der Holzgerlinger Bürgermeister Wilfried Dölker: „Das kann man nicht nur am Verkehr festmachen, da geht es auch um die Infrastruktur, die die Kommunen auslasten wollen.“

Sprich: Kindergärten oder Grund- und weiterführende Schulen, die man nicht ausbluten lassen dürfe. Deshalb müssten diese Kommunen mehr Bauplätze ausweisen dürfen. FDP-Regionalrat Kai Buschmann geht noch weiter: „Ich glaube, dass die meisten in diesem Gremium nicht genug wahrnehmen, was da auf uns zukommt“, sagte er. Buschmann warnt davor, günstigen Wohnraum nur in den Schwerpunkten zu schaffen: „Das erschwert doch die Integration.“