Einbruchsobjekte werden von Banden reichlich entlang der S-Bahn-Linien gefunden. Foto: dpa

In Stuttgart geht die Zahl der Wohnungseinbrüche zurück, in der Region dagegen nicht. Dort sind reisende Banden unterwegs, die sich offenbar bevorzugt im S-Bahn-Netz bewegen. Das ist viel unauffälliger. Woher kommen die Täter?

Stuttgart - Die beiden Burschen schweigen. Sie sollen zu jenen Banden gehören, die seit Wochen im Großraum Stuttgart Wohnungen heimsuchen, die nur wenige Hundert Meter und maximal etwas mehr als einen Kilometer von der nächsten S-Bahn-Station entfernt sind. Welche Logistik dahinter stecken könnte, wird die Polizei wohl nicht erfahren. Die beiden Georgier im Alter von 22 und 23 Jahren geben nicht einmal preis, wo sie ihre Unterkunft haben. Einer soll womöglich in Österreich wohnen, doch Genaues weiß man nicht.

Dafür scheinen sie sich im Verkehrsverbund Stuttgart gut auszukennen. Erwischt wurden die Verdächtigen an der Achse der S-Bahn-Linie S 5, einer der Schwerpunkte der Einbruchserien der letzten Wochen. Am Abend des 23. November hatten sie in Kornwestheim im Kreis Ludwigsburg eine Wohnung 1,4 Kilometer östlich des Bahnhofs heimgesucht. Der Wohnungsinhaber überraschte sie zwar, doch sie konnten, zusammen mit zwei Komplizen, mit Schmuck und Kleidung türmen. Auf Fahrrädern, die sie zuvor gestohlen hatten.

Es sollte nicht viel nützen. Zwei Stunden später, knapp acht Kilometer entfernt, wurden die dubiosen Radler auf dem Weg zum S-Bahn-Halt in Asperg von einer Polizeistreife gesichtet. Die beiden 22- und 23-Jährigen wurden gefasst, im Rucksack hatten sie Teile des Schmucks aus Kornwestheim. Zwei Komplizen konnten entkommen. „Die Beschuldigten machen keine Angaben“, sagt Polizeisprecherin Yvonne Schächtele, „da kommen wir nicht weiter.“

Ein Lieferwagen wäre wohl zu auffällig

Dass die Täter aber mit der S-Bahn zu den Tatorten unterwegs waren, gilt als sicher. Dies könnte auch eine Reaktion darauf sein, dass die Polizei mit ihren Verkehrswegekontrollen immer erfolgreicher ist. Besonders in Stuttgart, wo Autoknacker und Navi-Diebe schon seit langem mit den gelben Stadtbahnen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) unterwegs sind. Im Auto oder weißen Kleintransporter wäre man offenbar zu auffällig unterwegs. Etwa die drei Männer in einem kleinen VW Polo in der Schillerstraße in der Stuttgarter Innenstadt.

Drei 25, 31 und 38 Jahre alte Georgier gerieten am 14. Dezember in eine Kontrolle der Verkehrsfahnder. Im Wagen lag ein Computer aus einem Wohnungseinbruch im Ostalbkreis, dazu gestohlene Kleidung und Kosmetika. Der 31-Jährige wurde per Haftbefehl gesucht, die anderen kamen wieder auf freien Fuß.

Sie hätten es ahnen können. „Wir wissen aus Telefonüberwachungen, dass sich die Täter eher vor Stuttgart warnen“, sagt Stuttgarts Kripochef Rüdiger Winter. Immer wieder gerieten Straftäter in die Fänge der mobilen Verkehrsfahnder – tagsüber, im normalen Straßenverkehr. Offenbar sind die Banden auch deshalb lieber unauffällig als S-Bahn-Fahrgäste unterwegs.

Georgier als Unschuldslämmer

„Generell können wir die Erkenntnisse aus Stuttgart und Ludwigsburg, dass die Täter auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, bestätigen“, sagt Polizeisprecher Bernhard Kohn mit Blick auf den Rems-Murr-Kreis. Dort gibt es entlang der S-Bahn-Linien S 2 und S 3 ebenfalls auffällige Brennpunkte. Und tiefere Erkenntnisse.

Drei Georgier, die als Asylbewerber getarnt Unterschlupf in Einrichtungen in Kernen und Waiblingen fanden, „hatten bei der Tatbegehung ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt“, so Kohn. Dabei kamen sie ganz schön weit herum: Stuttgart, Leinfelden-Echterdingen, Leonberg, Ditzingen, Fellbach, Kernen, Remshalden, Schorndorf, Schwaikheim, Weinstadt, Winterbach – so eine Auswahl aus der Region. Doch selbst vor dem Stuttgarter Landgericht zeigten sich die Beschuldigten wenig einsichtig: „Nur weil ich ein Georgier bin, bin ich noch lange kein Verbrecher“, sagt ein 25-jähriger Angeklagter. Am Ende gab es dann doch schlanke Geständnisse – und Haftstrafen bis zu siebeneinhalb Jahren.

„Wir machen natürlich Kontrollen“

In Stuttgart hat die Polizei schon länger ein Auge auf den Bahnverkehr geworfen. In den Polizeipräsidien in der Region sieht man es ähnlich: „Bei unseren Fahndungen beziehen wir das bei entsprechenden Umständen auch mit ein“, sagt Polizeisprecher Kohn. Am südlichen Ende der S 2 und S 3 sind Filderstadt-Bernhausen und Leinfelden-Echterdingen besonders betroffen. Vielleicht hätte es eine Warnung sein sollen, dass die Stuttgarter Polizei bereits im März 2015 am S-Bahn-Halt Österfeld in Vaihingen zwei verdächtige Georgier mit Werkzeug erwischte – die beiden allerdings nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft wieder laufen lassen musste.

Bei der Bundespolizei indes sind bisher keine Schwerpunktmaßnahmen geplant. „Wir machen natürlich Kontrollen im normalen Streifendienst“, sagt Jonas Große, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Stuttgart. Schleierfahndung, Telefonüberwachung, Computerprognosen können sich lohnen. In Stuttgart jedenfalls zeichnet sich ein rückläufiger Trend bei den Einbrüchen ab, begleitet von gestiegenen Aufklärungsquoten. Allerdings: Das letzte Jahr hatte in Stuttgart mit 1277 Wohnungseinbrüchen einen traurigen Rekord verzeichnet.