In mehreren Städten – wie hier in Stuttgart – hat es Proteste gegen die Wohnungsnot gegeben Foto: dpa

Die Bundesregierung hat den Wohnungsmangel im Land zu lange ignoriert, kritisiert der Politikredakteur Roland Pichler. Jetzt muss sie dringend neue Konzepte entwickeln.

Berlin - Kaum ein Tag ohne Gipfel. Der Bundeswirtschaftsminister hat am Donnerstag die Länder zum Spitzentreffen empfangen, um über die Schwierigkeiten beim Ausbau der Stromnetze zu sprechen. Der Verkehrsminister will demnächst auf einem Gipfel die Verzögerungen und Ausfälle im Flugverkehr thematisieren. Und die Kanzlerin sowie vier Minister richten an diesem Freitag den Wohngipfel aus. Diese Runde wird eine Inszenierung der Superlative: Mehr als 120 Teilnehmer sollen in zweieinhalb Stunden über Lösungen für Probleme am Wohnungsmarkt diskutieren. Im Schnitt kann jeder Gast eine Minute reden. Schon das zeigt, dass nicht viel herauskommen kann.

Immerhin hat die Bundesregierung erkannt, wie groß der Handlungsbedarf beim Thema Wohnen ist. Für Normalverdiener wird es immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung in Ballungsräumen und attraktiven Kleinstädten zu finden. Wohnraum ist längst zum knappen Gut geworden. Erstaunlich ist, wie lange es gedauert hat, bis die Bundespolitik reagiert. Das mag auch daran liegen, dass im föderalen Staat dafür in erster Linie Länder und Kommunen zuständig sind. Dass geteilte Kompetenzen der Sache nicht dienen, zeigt sich zum Beispiel beim sozialen Wohnungsbau: Der Bund gibt dafür zwar Geld, doch die Umsetzung ist Sache der Länder. Manche Länder halten gern die Hand auf und geben die Mittel für alles Mögliche aus – aber nicht für sozialen Wohnungsbau. Das ist nur eine Facette des Problems und soll geändert werden. Bei den Menschen kommt aber die Botschaft an, dass die Politik zu wenig tut.

Wohnungsmangel ist nicht allein ein finanzielles Problem

Der Gipfel kann im besten Fall ein Auftakt sein. Die Regierung sieht es richtig, dass in dieser Frage der Bund, die Länder und Kommunen an einem Strang ziehen müssen. Der Wohnungsmangel in den Metropolen ist längst nicht mehr nur ein finanzielles Problem, sondern ein soziales. Wenn etwa Pfleger oder Physiotherapeuten in Krankenhäusern, die nicht so gut verdienen, weite Anfahrtswege in Kauf zu nehmen haben, um vor den Toren der Stadt eine bezahlbare Bleibe zu finden, hat dies Folgen für den Klinikalltag. Ähnliches gilt auch für Erzieher in Kitas, die wegen langer Fahrstrecken abends nicht einfach etwas länger bleiben können. Die Beispiele zeigen: Wenn Städte nicht der Ort für alle Einkommensschichten bleiben, führt dies zu einem Verlust an Lebensqualität.

Deshalb ist es notwendig, dass das Thema endlich Chefsache wird. Mangel an Wohnraum herrscht vor allem deshalb, weil bis vor einigen Jahren zu wenig gebaut worden ist. Über lange Zeit schenkte die Politik diesem Problem kaum Aufmerksamkeit. Dabei fehlt es nicht an guten Vorschlägen. Schon in der letzten Wahlperiode verhandelte die große Koalition darüber, wie mit steuerlichen Abschreibungsbedingungen der Mietwohnungsbau angekurbelt werden kann. Das Gesetzespaket kam seinerzeit wegen klein karierten Streits in der großen Koalition nicht zustande. Nun plant die Regierung mit Verspätung die Neuauflage: Investoren sollen steuerliche Anreize erhalten, um mehr Wohnungen zu bauen. Dieses Paket ist wichtig, kommt aber spät.

Keine Lösung durch mehr Vorschriften

Der Schlüssel zur Lösung der Probleme liegt nicht in regulatorischen Auflagen. Die Mietpreisbremse hat wenig gebracht. Sinnvoll sind Anreize, um neuen Wohnraum zu schaffen. Je konkreter die Förderung, desto besser. Ein Beitrag ist das neue Baukindergeld für Familien, das Union und SPD auf den Weg brachten. Es hilft Familien mit mittlerem Einkommen, Wohneigentum zu finanzieren. Eine neue Wohnungspolitik muss aus mehreren Bausteinen bestehen. Die Politik sollte Vorschriften im Baurecht entrümpeln – Stichwort Fahrradstellplätze und Dachbegrünung. Der Staat sollte aber auch bei sich selbst anfangen. Er trägt zur Kostenexplosion bei – etwa mit höheren Grundsteuern der Kommunen oder massiv gestiegenen Grunderwerbsteuern.