Der Mangel an preiswerten Wohnungen ist offensichtlich. Er trifft neben Kleinverdienern wie Krankenschwestern, Verkäuferinnen und Pflegekräften auch Studenten Foto: Leif Piechowski

In der Landeshauptstadt fehlt bezahlbarer Wohnraum. OB Fritz Kuhn (Grüne) hat am Freitag in zwei Ausschüssen des Gemeinderates die Debatte über einen erklärten Schwerpunkt seines ersten Amtsjahrs eröffnet.

Stuttgart - Stadtverwaltung und Gemeinderat wollen den Neubau und den Erhalt bezahlbaren Wohnraums wesentlich stärker fördern als bisher. Grünen-OB Fritz Kuhn setzte am Freitag die ersten Zielmarken. „Wir müssen über viele Jahre 1500 Mietwohnungen jährlich neu schaffen. Davon sollten 550 geförderte Wohnungen sein“, sagte er. Kuhn legt damit nach. Bei der „Mittendrin“-Veranstaltung unserer Zeitung zum Wohnungsmangel Mitte April hatte er 400 geförderte Wohnungen angepeilt.

2012 gab es nur 86 von der Stadt geförderte Einheiten, davon 21 neue Sozialwohnungen. 2011 war der Bau von 160, im Jahr 2007 sogar von 441 Wohnungen gefördert worden.

Für die Stadträte der Ausschüsse für Wirtschaft und Wohnen sowie Umwelt und Technik gab es noch ein paar klare Ansagen: Er habe „nicht vor, auf den Acker zu gehen, ich gebe den Vorrang der Innenentwicklung nicht auf“, bekamen sie zu hören. Kuhn will auch das Innenentwicklungsmodell (SIM), das Investoren bei neuen Bebauungsplänen zu 20 Prozent Wohnbau und davon 20 Prozent geförderten Wohnungen verpflichtet, beibehalten. Um Sozialwohnungen billiger zu machen, erwägt er den Verzicht auf teure Tiefgaragenplätze. Die stünden auf dem Burgholzhof reihenweise leer. Bei Sozialwohnungen, bei denen die Preisbindung ausläuft, soll die Stadt sich durch eine Nachförderung die Billigmiete für weitere zehn bis 15 Jahre einkaufen.

Vorbild Bayern: Preisbremse für München

Beim Zweckentfremdungsverbot (keine Wohnungen zu Büros) und der Kündigungssperrfrist sieht Kuhn das Land am Zug. Von der grün-roten Regierung will er nicht nur für Stuttgart, sondern für die Region Stuttgart eine Kappungsgrenze von 15 Prozent (statt bisher 20 Prozent in drei Jahren) bei Mieterhöhungen. Vorbild ist Bayern, das die Preisbremse für München beschlossen hat. „Der Brief an die Landesregierung ist raus“, sagt Kuhn, der die Fraktionen am Freitag in die Pflicht nahm. Bis Herbst werde er ein „strategisches Konzept“ vorlegen. Wer anders denke, solle sich äußern: „Ich will, dass Differenzen offen auf dem Tisch liegen.“

Differenzen oder zumindest Unterschiede gibt es durchaus, allerdings weniger zwischen Kuhn und SPD sowie Grünen. Die Sozialdemokraten wollen 600 geförderte Wohnungen jährlich, der Unterschied sei aber nicht groß, befand Fraktionschefin Roswitha Blind, ansonsten habe Kuhn „nichts gesagt, dem wir nicht folgen könnten“. Silvia Fischer, Sprecherin der Grünen, dankte „für die Positionierung und die klaren Worte“. Es sei gut, dass „Wohnen jetzt Chefsache ist“. Fischer forderte von Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD), Bebauungspläne zu forcieren. Wenn sich Hemmnisse einstellen, solle er „schneller darauf hinweisen“. Konfliktpotenzial zeigten CDU, FDP und Freie Wähler auf. Die öko-soziale Mehrheit bestehe seit vier Jahren, habe die Lage aber durch das Kassieren von Baugebieten verschärft, kommentierte Bernd Klinger für die FDP die „Chefsache“. Er warnte, zahlungskräftige Klientel zu vergraulen: „Wir brauchen einen Mix, also auch Einfamilienhäuser.“ Die Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG müsse überdacht werden. Die SWSG müsse schließlich keine 15 Millionen Euro Gewinn ausweisen.

Zahlungskräftiges Klientel nicht vergraulen

„Wir haben ein quantitatives Problem, ohne Neubaugebiete ist es nicht zu lösen“, sagte Joachim Rudolf für die CDU. Für die CDU seien 400 geförderte Wohnungen realistisch. „Geht nicht“ wolle er vom Baurechtsamt und Verwaltung nun nicht mehr hören, sagte der Architekt Jürgen Zeeb für die Freien Wähler. Tom Adler (SÖS/Linke) brachte die von der Landesbank in Aussicht gestellte Teilrückzahlung der städtischen Kapitalerhöhung ins Spiel. Mit den 190 Millionen Euro könne man 1500 preisgebundene Mietwohnungen jährlich schaffen. Kuhn machte nach dieser ersten Runde vor allem einen Dissens aus: Der Streit drehe sich „um das Einfamilienhaus und dessen Umfang“.