Auf dem EnBW-Areal an der Hackstraße sollen rund 600 neue Wohnungen entstehen. Über die Mischung sind sich Stadt und Energiekonzern aber uneins. Foto: Jürgen Brand

Auf dem Feld der Energieversorgung streiten sich die Stadt und der Energieversorger EnBW schon seit Jahren vor Gericht um die Netzrechte. Auch bei der Entwicklung des EnBW-eigenen Stöckachgeländes stehen die Zeichen auf Konfrontation.

Stuttgart - Der Streit zwischen der Stadt und dem Energieversorger EnBW um die Netzrechte an der Strom-,Gas- und Wasserversorgung schlägt jetzt auch auf die Wohnungsbaupläne am Stöckach durch: Die Pläne des Konzerns, dort auf eigenem Grund und Boden ein neues Wohnquartier zu entwickeln, stoßen im Stuttgarter Rathaus auf große Skepsis. Am Dienstag haben Vertreter der EnBW-Tochter Real Estate erste Umrisse ihres Konzepts im Technikausschuss präsentiert. Demnach sollen auf dem rund 42 000 Quadratmeter großen Gelände etwa 600 Wohnungen entstehen. Der Konzern strebt nach eigenen Angaben ein „Modellquartier“ an, das auch als Vorzeigeobjekt für die Internationale Bauausstellung 2027 infrage käme, und will dafür einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben. Das neue Stadtviertel soll den technologischen und ökologischen Kriterien der sogenannten Smartcity gerecht werden.

Stadt will einen Anteil von 50 Prozent an geförderten Wohnungen

Doch im Rathaus stoßen die Pläne auf Kritik: Insbesondere die Tatsache, dass die EnBW bisher nicht bereit ist, einen 50-prozentigen Anteil an den in Stuttgart dringend benötigten sozial geförderten Wohnungen zu realisieren, ist der ökosozialen Ratsmehrheit ein Dorn im Auge. Die Konzerntochter hat bisher lediglich vor, die Vorgaben des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells (SIM) mit einem 30-prozentigen Sozialanteil zu erfüllen sowie zusätzlich einen Anteil an Werkwohnungen zu bauen. Offen ließ der Konzern auch, ob er dort dauerhaft als Vermieter auftreten will oder beabsichtigt, die Wohnungen später zu veräußern. Letzteres schürt bei der ökosozialen Ratsmehrheit die Befürchtung, dass es der EnBW vor allem darum geht, maximalen Profit aus dem Bauprojekt zu ziehen. Grüne, SPD und SÖS/ Linke-plus machten deutlich, dass die Stadt die Planungshoheit habe und man der EnBW gegebenenfalls entsprechende Auflagen machen werde. Die von den Linken ins Gespräch gebrachte legale Enteignung im Wege einer sogenannten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gilt allerdings im Rat als nicht mehrheitsfähig.

Martin Körner (SPD) erinnerte an den Artikel 14 des Grundgesetzes, wonach Eigentum verpflichtet und zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen habe. Körners Einlassung weckte bei FDP-Stadtrat Michael Conz Assoziationen an „Schattierungen des Sozialismus“. Einzelstadtrat Walter Schupeck (LKR) sah in den Beiträgen der Projektskeptiker gar „bolschewistische Politkommissare durchschimmern“. Auch CDU und Freie Wähler begrüßten das Engagement der EnBW auf dem für sie neuen Geschäftsfeld Wohnungsbau. Dass der Energieversorger das Areal nicht an die Stadt veräußern will, sei aus ihrer Sicht kein Nachteil, so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz und Rose von Stein (Freie Wähler).

Eine Lösung aller Streitfragen im Paket ist offenbar gescheitert

Bekanntlich liegen Stadt und EnBW seit Jahren auch auf dem Feld der Energieversorgung im Clinch beziehungsweise im Rechtsstreit. Im Streit über den Betrieb des Strom- und Gasnetzes hat die Stadt zwar erstinstanzlich gewonnen, die EnBW hat aber Revision gegen das Urteil eingelegt. Bei der Übernahme der Wasserversorgung hatte die EnBW einen Vergleichsvorschlag des Gerichts abgelehnt, der Ausgang des Verfahrens ist ebenso offen wie beim Thema Fernwärmenetz. Eine Lösung sämtlicher Streitfragen inklusive des Wohnungsbaus am Stöckach ist nach Informationen unserer Zeitung auch in mehreren Spitzengesprächen zwischen beiden Seiten nicht gelungen.

Auch die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft zusammen mit der Stadt zur Entwicklung des Wohnquartiers kam nicht zustande. Zugleich beteuerte der zuständige Leiter der EnBW-Abteilung Infrastruktur und Digitalisierung, Frank Heberger, man wolle das Projekt „im Dreiklang“ mit der Stadt und der Bürgerschaft auf den Weg bringen. Bisher überwiegen freilich eher die Misstöne in der Debatte.