Unbestritten gibt es Wohnungsmangel in der Region Stuttgart. Es müssen also neue Wohnungen gebaut werden – aber die richtigen am richtigen Standort, fordert Thomas Durchdenwald.
Stuttgart - Kaum ein politisches Thema hat in letzter Zeit einen derartigen Aufschwung erlebt wie die Wohnungspolitik. Nachdem sie jahrelang in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, von den politisch Verantwortlichen in Bund, Land und Kommunen zudem sträflich vernachlässigt und nur in Fachkreisen diskutiert wurde, ist sie wieder in den Mittelpunkt gerückt. Ihre gewachsene Bedeutung lässt sich auch daran erkennen, dass der stets machtbewusste Horst Seehofer nach dem erzwungenen Rückzug als bayerischer Ministerpräsident sein neues Amt als Bundesinnenminister mit den Aufgaben für Bau und Heimataufhübscht.
Zwar versteht der CSU-Chef unter der Zuständigkeit für Heimat die Förderung ländlicher Gebiete, dennoch macht das Begriffspaar Bau und Heimat, wenn auch unbeabsichtigt, deutlich, dass die Wohnung mehr ist als ein Wirtschaftsgut – sie ist unser Dach über dem Kopf, ein Stück Heimat, ein Ausdruck davon, wie wir leben.
Wohnen ist vielfältig
Dabei ist Wohnen so vielfältig, wie es die Lebensentwürfe und -umstände in unserer Gesellschaft sind. Studenten wohnen anders als Senioren, Familien in einer Großstadt anders als jene auf dem Land. Und wer viel Geld fürs Wohnen ausgeben kann, ist in einer besseren Lage als diejenigen, die auf einen Wohnberechtigungsschein angewiesen sind, damit sie überhaupt irgendwo unterkommen. In der zwölfteiligen Serie „Wohn(t)räume“, die heute beginnt, stellt die StZ Menschen aus Stuttgart sowie dem Ballungsraum rund um die Landeshauptstadt und ihre individuelle Wohn- und Lebenssituationen vor.
Natürlich kann und darf die Politik nicht vorschreiben, wie wir zu wohnen haben. Sie ist nicht dafür zuständig, dass jede und jeder die persönlichen Wohnträume verwirklichen kann. Aber sie muss die Rahmenbedingungen setzen, dass jede und jeder angemessene, vor allem aber bezahlbare Wohnräume findet. In Stuttgart und den umliegenden Städten ist wie in anderen Metropolregionen auch, aber anders als in vielen ländlichen Gebieten das Angebot an geeignetem Wohnraum viel zu gering. Das betrifft nicht nur die Zahl und den Preis, sondern auch dessen Zuschnitt. Es wurden zu wenige Wohnungen gebaut, und zu oft auch die falschen. Menschen mit geringerem Einkommen finden mit ihren Familien nur schwer eine Wohnung in der Stadt. Für eine Region, die auf diese Menschen und auf neue Arbeitskräfte angewiesen ist, wenn sie ihren Wohlstand bewahren will, ist das ein Alarmzeichen.
Jahrelange Untätigkeit
Jahrelang hat die Politik zugeschaut und die Förderung des sozialen und preiswerten Wohnungsbaus hintangestellt. Das hat sich mittlerweile geändert. In den Blickpunkt rückt nun der Mangel an Flächen, der Grundstücke verteuert und die Preise nach oben treibt. In der Region Stuttgart wird man den Wohnungsmangel nicht wirksam bekämpfen können, wenn man nicht zusätzliche Flächen im Innen- und Außenbereich ausweist. Das sollte aber maßvoll geschehen und in erster Linie für dichtere Bebauung genutzt werden. Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, denn nur dann entstehen die Wohnungen, bei denen der Mangel am größten ist. Und es sollte auf eine gute Anbindung an Bus und Bahnen geachtet werden, andernfalls schaffen wir mit dem Wohnungsbau von heute die Verkehrsprobleme von morgen.
Es gibt ermutigende Zeichen, dass es im Wohnungsbau vorangeht. Schnelle Erfolge wird es aber nicht geben. Denn der Weg vom Plan zum Kran ist noch immer lang. Bis all das, was heute geplant wird, gebaut ist, werden Jahre vergehen. Die Wohnungspolitik wird also im Blickpunkt bleiben. Auch deshalb, weil zwar jeder für mehr Wohnraum ist und irgendwann einmal neu gebauten nutzen möchte. Doch gegen neue Nachbarn – ob bei der Nachverdichtung im Innern oder beim Bau am Ortsrand – gibt es immer öfter auch erbitterte Proteste.