Ottmar Wernicke ist Geschäftsführer des Verbandes Haus und Grund Württemberg. Foto: L/chtgut/Ferdinando Iannone

Die Politik ist beim Wohnungsbau alles andere als vorbildlich. „Man plant nicht richtig, denkt die Dinge nicht zu Ende – und steuert dann hektisch gegen“, sagt Ottmar Wernicke, Geschäftsführer von Haus und Grund Württemberg.

Ein Vierteljahrhundert lang war Ottmar Wernicke Geschäftsführer von Haus und Grund Württemberg. Dabei hat er erkannt: Die Politik ist beim Wohnungsbau alles andere als vorbildlich. „Man plant nicht richtig, denkt die Dinge nicht zu Ende – und steuert dann hektisch gegen.“

Herr Wernicke, waren die bewegendsten Themen in Sachen Bauen und Wohnen bei ihrem Amtsantritt vor 25 Jahren die gleichen wie heute?

Nein, rückblickend betrachtet war das damals fast schon eine Zeit der Seligen. Wir haben uns um viele klassische rechtliche Themen gekümmert, die es zwischen Mieter und Vermieter gibt. Um Miet- und Wohnungseigentumsrecht, die Gestaltung von Mietverträgen, um Schönheitsreparaturen und ähnliches. Wohnungsbaupolitik war praktisch kein Thema. Man war damals der Meinung, dass es in Deutschland genügend Wohnungen gäbe und hat die Bautätigkeit heruntergefahren. Die Immobilienpreise sind Mitte der 90er Jahre sogar deutlich gesunken.

Heute ist Wohnungspolitik eines der Kernthemen. Wann hat sich das geändert?

Die Finanzkrise 2008 hat in den USA als Immobilienkrise begonnen, das war ein Knackpunkt. Und dann sind die Themen in den letzten zehn bis 15 Jahren immer mehr geworden – mit wechselnden Schwerpunkten und wechselnden Forderungen und Förderungen seitens der Politik. Mal hieß es raus aus der Stadt, dann wieder rein in die Stadt, dann wieder raus. Politik ist wie die Mode. Alles kommt mal wieder.

Das klingt nicht nach durchdachter Planung . . .

Die fehlt in diesem Bereich leider an vielen Stellen, das ist eines der großen Probleme. Man plant nicht richtig, denkt die Dinge nicht zu Ende – und steuert dann hektisch gegen.

Wo zum Beispiel?

Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die Rauchwarnmelderpflicht. Sie ist richtig. Aber sie wurde nach einem Brandfall in Backnang Hals über Kopf eingeführt. Zu schnell, so dass man sie gar nicht fristgerecht erfüllen konnte. Der Markt für Rauchwarnmelder war leer gefegt. Bei der Mietpreisbremse ist es ähnlich. Sie gilt in 89 Kommunen, aber nicht jede von diesen Kommunen hat einen Mietspiegel. Ohne Mietspiegel kann der Vermieter aber die ortsübliche Vergleichsmiete nicht kennen, auf die es bei der Einhaltung der Mietpreisbremse ankommt. Das ist ein Systemfehler.

Und heute?

Das aktuell größte Problem besteht darin, dass das Bauen viel zu teuer ist. Denn bei einem Neubau müssen sie heute mit einer Miete von 17 bis 21 Euro pro Quadratmeter kalkulieren. Kalt. Plus Betriebskosten. Diese hohen Kosten haben verschiedene Gründe. Einer davon ist die Staatsquote. Diese beträgt in Deutschland 37 Prozent, in Frankreich 19 und in Österreich lediglich sieben. Darunter versteht man die Kosten, die beim Bauen durch den Staat und seine Bestimmungen entstehen. Von der Grunderwerbssteuer bis hin zu den gesetzlichen Bauanforderungen, vom Brandschutz bis zur Energieeffizienz ist da alles eingerechnet. Da könnte die Politik sofort etwas tun, um die Baukosten zu senken.

Sie wollen auf Brandschutz verzichten?

Natürlich nicht. Der ist wichtig und richtig. Aber man muss feststellen, dass auch beim Brandschutz mit zweierlei Maß gemessen wird. Mal ist man streng, mal lockerer. Eine Ladestation für E-Autos in einer Tiefgarage ist eine besondere Brandlast und in viele Tiefgaragen kommt die Feuerwehr wegen der geringen Deckenhöhe mit ihren Löschzügen nicht hinein. Doch diesem erhöhten Risiko wurde aus politischen Gründen meines Erachtens bisher nicht genügend Rechnung getragen. Das kritisiere ich.

Und wo wünscht sich die Politik derzeit neue Wohnungen? In der Stadt oder auf dem Land?

Auf der einen Seite will man bezahlbaren Wohnraum schaffen, auf der anderen Seite gegen die Zersiedelung der Landschaft und gegen weitere Versiegelungen von Flächen vorgehen. Das lässt sich aber nicht miteinander vereinbaren. Im Ergebnis führt das dazu, dass weder in der Stadt noch auf dem Land ausreichend gebaut wird.

Aber die Politik fordert doch allenthalben mehr Wohnungsbau?

Das Thema ist zwar in aller Munde, aber es geht nicht automatisch in konkrete Maßnahmen und Handlungen über. Ich sehe deshalb für die Zukunft eher schwarz. In vielen Städten sind die Möglichkeiten begrenzt, jedoch setzen auch andere Kommunen mit Möglichkeiten diese nicht um.

Wie kommt das?

Nicht wenige Gemeinden könnten Baugebiete ausweisen, machen das aber nicht. Zum einen, weil sie dann für die Neubürger auch die notwendige Infrastruktur schaffen müssten, Kitas, Schulen, ÖPNV und so weiter. Zum anderen, weil sie die Bauflächen ausgleichen müssten. Und dann ist da noch die Angst vor den Protesten – von Menschen, die gegen Flächenversiegelung sind sowie von Anwohnern, die lieber von ihrem Fenster aus auf eine schöne Wiese blicken als auf ein neues Gebäude.

Also doch nachverdichten in der Stadt?

Das ist auf der einen Seite sicher sinnvoll, auf der anderen ist eine Freifläche gerade für das Stadtklima unglaublich wichtig. Und viele Gebäude um ein paar Stockwerke zu erhöhen, geht auch nicht so einfach. Vor einigen Jahren wurde im Rahmen der Wohnraumallianz eine Studie diskutiert, nach der man durch Aufstockung rund 180 000 neue Wohnungen schaffen könnte. Ich habe damals angemerkt, dass es schon ein großer Erfolg wäre, wenn von dieser Zahl zehn Prozent realisiert würden. Ich befürchte, es wurde nicht einmal ein Prozent geschafft.