Auf den Gleisflächen beim Hauptbahnhof will die Stadt nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 neue Viertel bauen. Diese Pläne sieht sie nun durch die Bundespolitik bedroht. Foto: Lg/Max Kovalenko

Die Berliner Ampel-Koalition hat mit der Verschärfung des Eisenbahnrechts den Bau von Wohnungen auf den Stuttgarter Gleisflächen zunächst verhindert. OB Frank Nopper nennt das einen „Treppenwitz“ und fordert eine neuerliche Gesetzesänderung.

In Stuttgart ist die Verärgerung über die Ampel-Koalition groß. Das Berliner Regierungsbündnis hat mit einer Änderung des Paragraf 23 Allgemeines Eisenbahngesetz die Wohnungspläne der Landeshauptstadt im Zuge von Stuttgart 21 durchkreuzt. Die Neuregelung erschwert die sogenannte Freistellung von Gleisflächen, die nicht mehr benötigt werden. Die aber ist Voraussetzung dafür, dass eine Stadt überhaupt für ehemaliges Bahngelände neue Pläne aufstellen kann.

Tragweite unterschätzt?

Während die Fraktionen im Gemeinderat – mit Ausnahme der Linksfraktion – diese Entwicklung bislang unkommentiert lassen, zeigt sich Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sehr verstimmt über das Vorgehen der Berliner Parlamentarier. „Ganz offensichtlich war sich der Bundesgesetzgeber bei der Novellierung des Paragraf 23 Allgemeines Eisenbahngesetz der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst oder er befand sich jedenfalls mehrheitlich in einem Zustand kollektiver legislativer Verirrung“.

Der Rathaus-Chef erneuert die Einschätzung der Verwaltung, die neue Rechtslage stelle „einen schwerwiegenden Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar und ist deswegen verfassungswidrig“. Beim Eisenbahn-Bundesamt, der Behörde, die Freistellungsanträge bearbeitet, hält man die neue gesetzliche Regelung für eindeutig, die festlege, „dass der Bahnbetriebszweck eines Grundstücks, das Betriebsanlage einer Eisenbahn ist oder auf dem sich eine Betriebsanlage einer Eisenbahn befindet, im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Zusätzliche Voraussetzung für eine Freistellung ist daher, dass das Interesse des Antragstellers an der Freistellung dieses überragende öffentliche Interesse überwiegt“, wie ein Behördensprecher mitteilt. Diesem hohen Anspruch genügen die Stuttgarter Städtebaupläne nicht.

Erneute Gesetzesänderung gefordert

Frank Nopper geißelt die Entscheidung in Berlin in scharfen Worten: „Diese Gesetzesänderung mutet an wie ein Treppenwitz der Gesetzgebungsgeschichte. Sie würde in Zeiten größter Wohnungsnot den Bau von bis zu 5800 innerstädtischen Wohnungen für rund 10 000 Menschen – unter Schonung der ,grünen Wiese’ in den Außenbezirken – blockieren“, sagt er.

Tatsächlich hatte die Stuttgarter Wohnungspolitik in den zurückliegenden Jahren in Erwartung der Bahngrundstücke auf die Bebauung der grünen Ränder der Stadt verzichtet. Nopper fürchtet, dass die „städtebauliche Jahrhundertchance“ ungenutzt bleibt und richtet eine klare Forderung in Richtung Berlin. „Deswegen muss der Bundesgesetzgeber § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz unverzüglich wieder ändern.“